Morning Briefing: Ein Klumpenrisiko namens Dax 40

Begabtenförderung: Nur acht Unternehmen treiben den Dax
Liebe Leserinnen und Leser,
eine Faustregel der Politik lautet: Koalitionen scheitern in der Regel nicht an inhaltlichen Konflikten. Sie scheitern, weil einer der Partner eine bessere Option außerhalb des Bündnisses sieht. Wenn das der Fall ist, eskalieren ruckzuck auch die Sachfragen, die sich unter anderen Umständen mit Kompromissen hätten befrieden lassen.
Es lohnt sich, diese Regel im Hinterkopf zu behalten, wenn Christian Lindner nun einmal mehr den „Herbst der Entscheidungen“ ausruft und von der Ampel ultimativ mehr liberale Inhalte fordert – zu denen neuerdings auch ein härterer Kurs gegen Flüchtlinge gehört. Lindner:
Stimmt, geklärt werden müssen diese Fragen dringend. Warum allerdings nun in drei Monaten gelingen soll, was der Ampel in den drei Jahren zuvor nicht gelang, bleibt offen.
Womöglich gibt es beim ein oder anderen Liberalen den klitzekleinen Hintergedanken, dass man im Herbst auch ein paar inhaltliche Gründe braucht, sollte man die Koalition platzen lassen wollen. Dass man sich in diesem Fall offenbar außerhalb der Ampel bessere Chancen ausrechnet, bei der nächsten Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, käme als Erklärung etwas dürr daher.

Bei den israelischen Luftangriffen im Libanon ist die Zahl der Opfer nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums auf 492 Tote und 1645 Verletzte gestiegen. Es ist die höchste Zahl an Todesopfern im Libanon seit dem Krieg der Hisbollah mit Israel im Jahr 2006.
Das israelische Militär griff nach eigenen Angaben mehr als 1300 Ziele im Libanon an. Demnach feuerte die Hisbollah ihrerseits mehr als 250 Geschosse auf zivile Orte in Israel. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wandte sich mit einer Botschaft direkt an das libanesische Volk:
Aktuelle Informationen zum Krieg in Nahost finden Sie jederzeit in unserem Newsblog.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) lehnt den Verkauf der Commerzbank an Unicredit ab. Dem Handelsblatt sagte er:
Rhein sieht die Schuld in Berlin: „Die Bundesregierung hat mit dem unkoordinierten Verkauf der Anteile des Bundes diesem strategischen Investment geradezu fahrlässig den Weg bereitet.“

Der italienische Bankkonzern Unicredit hatte am Montag überraschend verkündet, dass er seinen Anteil an der Commerzbank über Derivate auf 21 Prozent aufgestockt hat. Diesen Schritt muss allerdings die Europäische Zentralbank noch genehmigen. Unicredit wäre damit mit Abstand der größte Commerzbank-Aktionär – vor dem Bund, der noch zwölf Prozent der Anteile hält.
Die Aussicht, dass die Commerzbank wie zuvor schon die Hypo-Vereinsbank zu einer besseren Zweigstelle der Unicredit wird, ist aus deutscher Sicht wenig erfreulich.
Doch man kann auch die Chuzpe bewundern, mit der Unicredit-Chef Andrea Orcel die Übernahme der Commerzbank vorantreibt, obwohl er nahezu das gesamte politische und wirtschaftliche Establishment in Deutschland gegen sich weiß.

Orcels stärkstes Argument liefert ihm die Entwicklung der Commerzbank selbst. Dem Bund als Großaktionär und dem von ihm mit eingesetzten Topmanagement ist in den gut 15 Jahren seit dem Staatseinstieg offenbar nichts eingefallen, was den Börsenwert der Commerzbank nachhaltig gesteigert hätte.
Ja, kurzfristiges Shareholder-Value-Denken ist eine Pest. Aber 15 Jahre sind keine kurze Frist.
Die Commerzbank gehört auf jeden Fall nicht zu den acht Aktien, die auf Jahressicht für 90 Prozent der Gewinne im Leitindex Dax verantwortlich sind. Ja, ganz richtig, gerade mal ein Fünftel der 40 Dax-Unternehmen hat mit ihren Kursgewinnen und Dividenden dafür gesorgt, dass der Index in den vergangenen zwölf Monaten um etwa ebenso viele Prozent gestiegen ist.
Über ein Drittel des gesamten Wertzuwachses im Dax stammt sogar von nur einem Unternehmen, nämlich dem Softwarekonzern SAP. Und über zwei Drittel von lediglich vier Unternehmen.
Das zu wissen ist laut Handelsblatt-Geldanlageexpertin Andrea Cünnen für Anleger wichtig, die über börsengehandelte Indexfonds (ETFs) in den Dax investieren. Denn wer denkt, mit einem solchen ETF breit in Aktien zu investieren, hängt überdurchschnittlich stark von der SAP-Aktie und den wenigen anderen Dax-Treibern ab.
Ein Autokonzern findet sich nicht unter den acht Dax-Zugpferden. Kein Wunder: BMW, Mercedes und Volkswagen hadern derzeit in unterschiedlicher Intensität mit der Antriebswende. Die EU-Flottengrenzwerte verpflichten die Unternehmen in steigendem Umfang zur Produktion von klimaneutralen Fahrzeugen. Doch der störrische Konsument weigert sich, in ausreichender Zahl Elektroautos made in Germany zu kaufen.
Nach einer Konferenz mit hochrangigen Branchenvertretern („Autogipfel“) stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestern zwar keine neuen Kaufprämien für E-Autos in Aussicht – schloss sie für die Zukunft aber auch nicht aus.
Dafür griff Habeck eine andere Forderung aus Branchenkreisen auf: Eine Überprüfung der EU-Flottengrenzwerte wollen die Branchenvertreter um ein Jahr vorgezogen sehen. Diesem Wunsch werde er „gerne folgen“, sagte Habeck. Das werde aber nicht so einfach in Europa.
80 Millionen Deutsche haben es sofort gewusst: Zweieinhalb Monate nach dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien hat die Europäische Fußball-Union UEFA offenbar eingeräumt, dass der nicht gegebene Elfmeter nach einem Handspiel des Spaniers Marc Cucurella eine Fehlentscheidung war. In diesem Fall „hätte ein Strafstoß verhängt werden müssen“, heißt es in einem Bericht der UEFA-Schiedsrichterkommission, aus dem das spanische Portal „Relevo“ zitiert. EM-Gastgeber Deutschland hatte das Spiel mit 1:2 nach Verlängerung verloren.
Wir halten fest: Die „Hand Zottels“ („Bild“) hat uns den sicheren Titel als Europameister gekostet. Ein Jahr lang unbegrenzt Gratis-Paella und Frei-Sangria für alle deutschen Spanien-Touristen halte ich angesichts der Schwere der Tat für den angemessenen Anfang einer Wiedergutmachung. Hilfsweise nehmen wir auch Mallorca.
Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem Sie vergeben und vergessen.






Herzliche Grüße,
Ihr
Christian Rickens
PS: Bei der Landtagswahl in Brandenburg erhält die FDP nur 0,8 Prozent der Stimmen. Hat die FDP in den Parlamenten eine Zukunft – und in der Ampelkoalition? Was halten Sie von Lindners Ultimatum, das er an die Ampel stellt? Und mit welchen Themen oder welchen Personen hätte die FDP mehr Zustimmung erhalten? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in fünf Sätzen an forum@handelsblatt.com. Ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung am Donnerstag gedruckt und online.





