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Morning BriefingEuropa: Brüssel will Emissionshandel verschärfen 

Teresa Stiens 19.12.2022 - 06:18 Uhr Artikel anhören

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

die Volkswirtschaftslehre hat wahrlich viele schöne Wortneuschöpfungen hervorgebracht. Eines davon ist die sogenannte Gegenwartspräferenz. Ein Konzept, das zusammengefasst besagt, dass uns das Heute wichtiger ist als das Morgen. Oder etwas detaillierter ausgedrückt: Wenn wir die Wahl haben, etwas jetzt oder in Zukunft zu konsumieren, konsumieren wir lieber jetzt.

Das Konzept wird zur Krux beim Klimaschutz. Zwischen den Kosten, die jetzt auf uns zukommen, um Klimaschutz zu betreiben und den Kosten, die später auf uns zukommen, wenn wir es nicht tun, haben wir eine Gegenwartspräferenz. Da uns das Jetzt lieber ist als das Später, neigen wir dazu, notwendige Investitionen zu verschieben.

Das Prinzip des Emissionshandels soll diesem Effekt entgegensteuern und die Dynamiken der Erdatmosphäre in die marktwirtschaftliche Logik integrieren. Zertifikate für den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen hängen ein Preisschild an Emissionen – und holen so die Kosten für verpassten Klimaschutz ins Hier und Jetzt.

Foto: imago images/imagebroker

Die EU hat sich am Wochenende dazu entschieden, das seit 2005 bewährte Konzept noch einmal zu verschärfen. Die Zahl der Verschmutzungsrechte wird deutlich verknappt, so dass der Preis steigt. Das Kalkül: Unternehmen werden so gedrängt, in saubere Technologien zu investieren. Auch für Privatpersonen und kleine Unternehmen wird die Regelung künftig gelten.

Wer den Preisschock an der Zapfsäule fürchtet, sei jedoch beruhigt: Hierzulande gilt bereits ein CO2-Preis, der künftig in das europäische System überführt werden soll. Teuer wird es hingegen wohl für die Industrie. Welche Branche wie stark von den Änderungen betroffen ist, berichtet mein Kollege Christoph Herwartz aus Brüssel.

Ein Kontinent, der wirtschaftlich meist belächelt und politisch oft ignoriert wird, ist Afrika. Dabei spricht selbst Bundeskanzler Olaf Scholz mittlerweile davon, dass der südliche Nachbar das neue „Gravitationszentrum“ einer multipolaren Weltordnung ist.

In dieser Gemengelage hat die Bundesregierung unter Federführung des Entwicklungsministeriums eine neue Strategie erarbeitet, die den bisher geltenden „Marshallplan mit Afrika“ ersetzt. Das Dokument wird Ende Januar offiziell vorgestellt, dem Handelsblatt liegt es bereits vor.

Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung vor Ort, sondern auch um Deutschlands „aufgeklärtes Eigeninteresse“ etwa bei den Themen Energiewende, Fachkräftemangel oder der Diversifizierung von Lieferketten.

Bisher haben deutsche Firmenchefinnen und -chefs trotz mehrfacher Ermunterung seitens der Politik jedoch wenig Lust, ihr Geld in Afrika zu parken. Nur rund ein Prozent der deutschen Direktinvestitionen fließen auf den Kontinent. Doch jetzt, wo die Unternehmen ihr Russlandgeschäft nicht weiterführen können und die Abhängigkeit von China reduzieren müssen, könnte Afrika stärker in den Fokus rücken.

Ein Ziel der Bundesregierung lautet auch, dass Rohstoffe in Afrika in Zukunft unter Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards geschürft werden sollen. Bisher werden Mineralien wie Kobalt häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen etwa in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut. Diese Rohstoffe zu beziehen ist ein No-Go für deutsche Unternehmen, nicht nur aus moralischen Gründen.

Denn ab Januar tritt in Deutschland das Lieferkettengesetz in Kraft. Mit der neuen Regelung sollen Unternehmen sicherstellen, dass innerhalb ihrer Wertschöpfungskette nicht gegen Menschenrechte oder Umweltregeln verstoßen wird.

Um das zu erfüllen, müssen sie zum Beispiel Beschwerdemöglichkeiten einrichten oder einen Menschenrechtsbeauftragten ernennen. Was die Unternehmen ab Januar genau beachten müssen, weiß unsere Rechtsexpertin Heike Anger.

Foto: IMAGO/photothek

Wer Christoph Heusgen, dem Vorsitzenden der Münchener Sicherheitskonferenz, zuhört, bekommt den Eindruck, der Rest der Welt reibe sich gerade verwundert über Deutschland die Augen.

Im Handelsblatt-Interview berichtet Heusgen, wie er in New York bei den Vereinten Nationen von vielen Botschaftern auf Deutschlands ökonomische Abhängigkeit von China angesprochen worden sei. Immer wieder werde er dort gefragt: „Habt ihr eigentlich nichts gelernt? Jetzt begeht ihr mit China denselben Fehler wie mit Russland.“

Im Jahr 2014, zum Zeitpunkt, als Russland die Halbinsel Krim annektierte, war Heusgen Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Im Handelsblatt-Interview ist sich Heusgen heute sicher, dass Deutschland nach der russischen Annexion das Pipelineprojekt Nord Stream 2 hätte stoppen müssen. Doch damals habe es geheißen: „Russland hat immer geliefert, auch zu Zeiten des Kalten Krieges“.

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine jedoch versiegte die Quelle russischen Gases gemeinsam mit der ewig sprudelnden Quelle deutscher Gutgläubigkeit. „Es war ein Fehler“, sagt Heusgen rückblickend über die Entscheidung, Nord Stream 2 fertigzustellen.

Beim Blick in die Zukunft ist sich der Fachmann sicher, dass es ein Ende des Ukrainekrieges nur mit einem Ende des Putin-Regimes geben wird. Das sei in den kommenden Jahren durchaus möglich, prophezeit er. Auch andere Führer wie Michail Gorbatschow und Nikita Chruschtschow seien schließlich abgelöst worden.

Bisher jedoch sitzt der russische Präsident fest auf seinem Präsidentenstuhl. Für die nächsten Tage kündigte das russische Staatsfernsehen einige Ansprachen Putins an. Es könnte, so die Befürchtung, eine neue Winteroffensive drohen.

Natürlich kommt dieses Morning Briefing nicht umhin, auf ein bescheidenes kleines Sportereignis aufmerksam zu machen, das gestern Abend zu Ende gegangen ist. Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Argentinien hat die Fußballweltmeisterschaft der Männer gewonnen.

Frei nach Trainerikone Sepp Herberger könnte beim Weltverband Fifa nun das Motto gelten „Nach dem Wüstenkick ist vor dem Wüstenkick“. Denn für die Weltmeisterschaft 2030 denkt Saudi-Arabien bereits darüber nach, sich als Gastgeberland zu bewerben.

Wer dabei das Gefühl hat, der Kern des Fußballsports gehe verloren, dem empfehle ich statt der Weltmeisterschaft lieber einen Besuch beim nächstgelegenen Kreisligaverein. Da gibt es zwar keine Qualität à la Messi oder Mbappé, dafür aber kniehohe Grätschen und gutes Bier.

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag in den Start.

Mit sportlichen Grüßen

Verwandte Themen Afrika Russland Deutschland China Nord Stream 2 Fifa

Ihre

Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt

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