Morning Briefing: Nach dem Pisa-Debakel: Wie schreibt man nochmal Lamento?

Nach dem Pisa-Debakel: Wie schreibt man nochmal Lamento?
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
unsere Wirtschaft stagniert, unser Staatshaushalt ist verfassungswidrig, unsere Nationalmannschaft verliert gegen Österreich. Der Flughafen München legt sich vorbeugend selbst still, wenn Eisregen auch nur vorhergesagt wird. Und jetzt bescheinigt die neue Pisa-Studie unseren Teenagern auch noch, dass sie im OECD-Vergleich so schwach abschneiden wie keine Generation zuvor. Im Vergleich zum vorangegangenen Test 2018 haben die Schüler im Schnitt fast so viel Wissen eingebüßt, wie es etwa einem Schuljahr entspricht.
Ja, aus den Nachrichten der letzten Tage und Wochen lässt sich ein Abstiegsszenario erstellen, gegen das Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ wie eine launige Strandlektüre wirkt. Und als Schuldige muss man dann nur noch einsetzen, was am besten ins eigene Weltbild passt: Migranten, Gender-Wahn, Sozialschmarotzer, Superreiche, Schuldenbremse, Klimakollaps, Klimakleber – oder vielleicht die Lügenpresse?
Solche Abstiegsszenarien lähmen, statt zu beflügeln. Sie lassen eine Entwicklung als zwangsläufig erscheinen, die es ganz sicher nicht ist. Es gibt keinen vorgezeichneten Pfad nach unten für Deutschland, das von seinen Voraussetzungen her besser als die meisten anderen Staaten der Welt dafür gerüstet ist, zu den Gewinnern des 21. Jahrhunderts zu zählen.
Warum also scheint uns in Deutschland in letzter Zeit so verflixt wenig zu gelingen? Auch hier gilt: Es gibt nicht die eine Ursache. Aber vielleicht eine Konstante, die mehr als nur einem der Probleme zugrunde liegt: Wir werden als Gesellschaft immer risikoaverser. Wir folgen lieber Scheinerklärungen und -lösungen, die es leichter machen, mit dem Status Quo zu leben. Anstatt uns beispielsweise zu fragen: Wenn wir bis Mitte des Jahrhunderts im OECD-Ranking der Schulsysteme zum derzeitigen Spitzenreiter Singapur aufschließen wollen – welche Weichen müssen wir dann jetzt stellen? Welche Kosten und Risiken müssen wir in Kauf nehmen? Und welche vermeintlich bequemen Scheinlösungen führen nur aufs Abstellgleis?
Unsere Bildungspolitik-Redakteurin Barbara Gillmann hätte dazu im heutigen Leitartikel ein paar Anregungen.
Nicht nur US-Konzerne wie Apple, IBM oder Disney wenden sich von der Onlineplattform X ab. Eine Handelsblatt-Umfrage unter den 40 Dax-Konzernen und 20 größten Werbetreibenden aus Deutschland zeigt: Nur wenige große Unternehmen planen noch Werbebudgets für X ein, immer mehr geben ihre Präsenz dort sogar vollständig auf.
So haben mindestens acht Dax-Konzerne bezahlte Werbung auf X eingestellt, darunter Allianz, BASF, Covestro und Mercedes. Bei weiteren fünf ist die Reklame bereits seit einem Jahr ausgesetzt, etwa Volkswagen, Siemens und RWE. 13 Organisationen schalteten schon vor der Übernahme durch Tesla-Chef Musk keine Anzeigen. Insgesamt haben 28 Dax-Mitglieder die Umfrage beantwortet.
Das wichtigste Argument klingt bei allen ähnlich: Seit der Milliardär Elon Musk die damals noch als „Twitter“ firmierende Plattform vor gut einem Jahr übernommen hat, fürchten Firmen um ihre Marke. Covestro etwa verweist auf „Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Werbeumgebung“. Siemens Energy hat das Werbe-Aus auf X im September beschlossen, als „sich immer mehr herauskristallisiert hat, dass diskriminierenden Posts kaum bis gar kein Einhalt geboten wird.“
Mal ehrlich: Viel Irrsinn von rechts und links hat es bei Twitter schon immer gegeben. Was mich seit der Übernahme durch Musk beeindruckt, ist vor allem das Tempo, mit dem die Plattform im Trash versinkt. Sexistische Fotos, Traktate von Impfgegnern sowie wacklige Handyvideos von Schlägereien und Verkehrsunfällen fluten seit Wochen meine Timeline bei X. Dazwischen dann allerdings wieder die gewohnten exklusiven Politikerstatements und Experteneinschätzungen, für die man zumindest als Journalist dann doch auf X bleiben muss. Aber Spaß macht es dort immer weniger.
Die Zeiten, in denen die Regierung von US-Präsident Joe Biden im Gaza-Konflikt bedingungslos hinter Israel stand, sind schon seit einigen Wochen vorbei. Als Reaktion auf die wachsenden Spannungen im Westjordanland erlässt die US-Regierung jetzt Einreisebeschränkungen, die sich unter anderem gegen extremistische israelische Siedler und ihre direkten Angehörigen richten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, kritisierte gestern „ein beispielloses Maß an Gewalt durch extremistische israelische Siedler“, die es auf Palästinenser und ihr Eigentum abgesehen hätten und ganze Gemeinden vertrieben, ebenso wie Gewalt durch palästinensische Militante gegen Israelis.
Die US-Regierung forderte die israelische Führung zudem erneut auf, die Palästinenser im Westjordanland besser vor extremistischen Angriffen zu schützen. Aber auch die Palästinensische Autonomiebehörde müsse mehr tun, um die Angriffe militanter Palästinenser auf Israelis einzudämmen.
Der deutsche Start-up-Verband wird erstmals von einer Frau geführt. Am Dienstagabend hat der kurz zuvor von den Mitgliedern neu gewählte Vorstand die Unternehmerin und Investorin Verena Pausder zur Chefin ernannt. Gegenkandidaten gab es keine. Pausder folgt auf Christian Miele, der den Verband vier Jahre leitete und sich nun wieder stärker seinem Wagniskapitalgeber Headline widmen will.
Ähnlich wie Miele entstammt Pausder einer Unternehmerfamilie. Ihrer Familie gehört seit 1722 das Bielefelder Textilunternehmen Delius. Die 44-Jährige sitzt dort im Beirat. 2012 gründete sie zusammen mit Moritz Hohl den Kinder-App-Entwickler Fox & Sheep, der 2015 für einen zweistelligen Millionenbetrag vom inzwischen insolventen Spielzeughersteller Haba übernommen wurde. Inzwischen ist Pausder vor allem als Investorin tätig.





Auf manche Dinge ist in Deutschland dann doch Verlass. Das kremltreue Troll-Duo Wowan und Lexus hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in ein Fake-Telefonat gelockt. Der Anrufer gab sich nach Angaben des Ministeriums als Vertreter der Afrikanischen Union aus.
Der erste Eindruck aus dem vierminütigen Zusammenschnitt, den die beiden auf solche Anrufe spezialisierten Trolle bei Telegram veröffentlichten: Habeck bleibt immer Habeck. Im typisch pädagogisch-ruhigen Tonfall erklärte er unter anderem auf Englisch, dass der Ukraine dabei geholfen werden solle, trotz russischer Angriffe ihr Getreide zu exportieren. Das hätte er so auch bei „Anne Will“ sagen können.
Damit ist das Duo an Habeck ebenso gescheitert wie vor einigen Monaten an Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die sich ebenfalls nichts Verfängliches entlocken ließ. German Langeweile – in manchen Situationen ein echtes Asset.
Ich wünsche Ihnen einen Tag, der hält, was er verspricht.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt





