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Morning BriefingPrivatjet-Verkehr auf Rekordniveau: Muss das sein?

Christian Rickens 01.02.2023 - 06:00 Uhr Artikel anhören

Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,

dank der hohen Energiepreise schreiben die großen Öl- und Gaskonzerne Rekordgewinne. Allein die US-Unternehmen Exxon Mobil und Chevron haben 2022 zusammen 91,1 Milliarden Dollar verdient, das ist mehr als der Vorjahresgewinn aller größten amerikanischen und europäischen Ölkonzerne zusammengerechnet. Die Öl- und Gaskonzerne profitieren von den gestiegenen Energiepreisen, die vor allem durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine in die Höhe getrieben wurden.

Der Boom der fossilen Energien ist allerdings vergänglich. Im aktuellen Energy Outlook des Konzerns rechnet BP damit, dass die globale Ölnachfrage schon 2035 bis zu sechs Prozent niedriger sein wird als heute.

Bis dahin trösten wir uns beim Tanken und Heizöl bestellen mit der alten Finanzberater-Weisheit: „Ihr Geld ist nicht weg. Es gehört jetzt nur jemand anderem.“

Um Steuergeld, das bald jemand anderem gehören könnte, geht es auch bei der Europäischen Antwort auf das US-Subventionsprogramm „Inflation Reduction Act“ (IRA). Brüssel will kräftig zurückfördern, und zwar mit Steuererleichterungen für grüne Investitionen. Dafür soll das Beihilferecht gelockert werden. So steht es im Entwurf für den „Green Deal Industrial Plan“, den die EU-Kommission heute offiziell vorstellt.

Foto: IMAGO/NurPhoto

Wer sich selbst eine Meinung bilden will, ob die neuen europäischen Fördermilliarden eine gute Idee sind, kann sich in unserem Streitgespräch mit Argumenten munitionieren: Die Ökonomen Lars Feld und Jens Südekum diskutieren im Handelsblatt über die richtige Antwort auf den IRA. Und wenn Sie schon ahnen, welcher der beiden Nationalökonomen welche Meinung vertritt – dann liegen Sie wahrscheinlich nicht falsch.

Da hat wohl jemand das Ratgeberbuch „Wie werde ich ein beliebtes Unternehmen?“ ungelesen zugeklappt: Deutschlands größter Vermieter Vonovia stoppt wegen der steigenden Baukosten und Zinsen alle für 2023 vorgesehenen Neubauprojekte. Vonovia-Vorstand Daniel Riedl sagte der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“: „Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubauprojekten haben. Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen und davor können wir nicht die Augen verschließen.“

Keine schöne Nachricht für das Bundesbauministerium, wo man gerade das Wahlversprechen von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr kassieren musste. Die Parlamentarische Staatssekretärin, Cansel Kiziltepe (SPD) zum Handelsblatt: „Auch wenn wir turbulente Zeiten in der Bauwirtschaft auf Grund der Zinswende haben: Vonovia kann sich als größtes Wohnungsunternehmen nicht aus der Verantwortung stehlen.“ Vonovia solle lieber die Dividendenzahlungen einstellen und das Geld zur Absicherung des Neubaus verwenden.

Ergänzender Vorschlag: Im Ministerium könnte man sich selbstkritisch fragen, warum Bauen in Deutschland so unattraktiv geworden ist, dass selbst der Marktführer darauf keine Lust mehr hat.

Ich erinnere mich noch gut an die Szene, als ich 2019 zur Berichterstattung zum World Economic Forum (WEF) in Davos reiste (Swiss, Holzklasse): Der Pilot teilte mit, dass sich unsere Landung in Zürich leider verzögere – wegen der vielen Privatjets der Forumsteilnehmer, die gerade im Anflug auf Zürich seien. Etwa 500 solcher Flüge werden dem WEF jährlich zugerechnet.

Nun ist eine Montagmorgenmaschine von Deutschland in die Schweiz nicht gefüllt mit klassenkämpferischen Elementen. Sondern eher mit all den dienstbaren Geistern, die das große Rad des Kapitalismus in Schwung halten. Dennoch wehte nach der Durchsage des Piloten ein Hauch von revolutionärem Aufruhr durch die Reihen.

Der eigene Jet als Privileg einer elitären Minderheit, die dem Rest der Menschheit knappe Ressourcen raubt: Dieses Feindbild hat gerade wieder Konjunktur. Klimaaktivisten fordern ein Verbot von Privatjets.

Tatsache ist: Die Pandemie hat die Nachfrage nach Flügen im privaten Flugzeug angeheizt. Niemals zuvor waren Privatjets weltweit so häufig unterwegs wie 2022. Auch an deutschen Flughäfen nahm die Zahl der Privatjet-Flüge zu, im Gegensatz zu den Flügen nach Instrumentenflugregeln (IFR) insgesamt. Unter letztere fallen auch sämtliche Linienflüge.

Foto: imago images/CHROMORANGE

Der Kampf der Klimaaktivisten gegen die Emissionen bringt auch jene in die Bredouille, die das private Flugzeug für ihr Geschäft brauchen: Viele große Mittelständler in ländlichen Regionen, die weltweit exportieren, nutzen das Firmenflugzeug als tägliches Arbeitsgerät für ihr Management.

Auch aus diesem Grund argumentiert unser Luftfahrt-Reporter Jens Koenen gegen ein Privatjet-Verbot: „Warum Flüge mit dem privaten Flugzeug nicht pauschal versteuern? Warum nicht festlegen, dass für jeden Privat- oder Geschäftsreiseflug grundsätzlich im Handel sogenannte Emissionsrechte-Zertifikate erworben werden müssen?“

Die Turbinen eines Privatjets anzuwerfen, würde damit deutlich teurer. Unternehmer und Manager, die auf das eigene Flugzeug angewiesen sind, könnten es aber weiterhin nutzen.

Auch am anderen Ende der aviatorischen Genussskala herrschte gestern reger Umsteigeverkehr: Peter Gerber, bisher Chef der Lufthansa-Tochter Brussels Airlines, wird zum 1. Februar 2024 neuer Chef der Ferienfluggesellschaft Condor. Gerber hat sein Amt bei Brussels mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Ein Grund dafür dürfte sein, dass in den Verträgen von Lufthansa eine Wettbewerbsklausel enthalten ist, die den direkten Wechsel zu einem Rivalen für zwölf Monate untersagt. Je länger Gerber bei Brussels geblieben wäre, desto später hätte er bei Condor anfangen können.

Bei Brussels übernimmt kommissarisch Lufthansa-Vorständin Christina Foerster die Führung. Sie war dort bereits von 2018 bis 2020 Chefin.

Das Schöne am Fußball: Immer wenn man denkt, man habe schon alles gesehen, gibt es eine kuriose Situation, die einen vom Gegenteil überzeugt. Konstantinos Mavropanos vom VfB Stuttgart erzielte gestern beim DFB-Pokalspiel beim SC Paderborn „das Eigentor aus der größten Distanz in der Geschichte des DFB-Pokals“, wie der Deutsche Fußball-Bund am Dienstagabend mitteilte. Die Distanz zum Tor bei dem missglückten Rückpass betrug nach Angaben des Pay-TV-Senders Sky sagenhafte 48,1 Meter. Nachdem Stuttgart das Spiel mit 2:1 gewonnen hatte, sagte VfB-Trainer Bruno Labbadia: „Wir haben heute drei Tore gemacht. Das zeigt, dass wir torgefährlich sind.“

Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem sie Missgeschicke im Job gut zu verkaufen wissen.

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Herzliche Grüße

Ihr Christian Rickens

Textchef Handelsblatt

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