Morning Briefing Washington und die strategische Ölreserve
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
der anhaltend hohe Ölpreis bringt die Vereinigten Staaten auf die Idee einer seltenen Notwehr-Maßnahme. Die Regierung in Washington diskutiert darüber, die strategische Ölreserve des Landes anzuzapfen. Die Depots waren nach der globalen Ölkrise 1973 angelegt worden. Insgesamt könnte die Ölreserve 35 Tage lang den Erdölbedarf des Landes decken.
Zuletzt hatten die USA von 16 Jahren auf die Vorräte zurückgegriffen, als Hurrikan „Katrina“ die Ölförderung im Golf von Mexiko zeitweilig gestoppt hatte und infolgedessen der Ölpreis auf mehr als 70 Dollar pro Barrel angestiegen war. Washington erhofft sich vom Reserve-Plan ein Dämpfen des Preises. US-Energieministerin Jennifer Granholm: „Alle Werkzeuge liegen auf dem Tisch.“
Es war in den letzten Monaten so viel von „Jamaika“ zu lesen und zu hören, immer wieder dieses „Jamaika“, dass man irgendwann einfach ins Plattenregal zu Bob Marley greifen muss. Dann ist „Get Up, Stand Up“ zu hören, und man denkt an die fast verzweifelten Hoffnungen des CDU-Chefs Armin Laschet, doch noch irgendwie mit Hilfe der Grünen und der FDP gegen alle Widerstände Kanzler zu werden. Aber das Aufstehen nutzt nichts, wenn sich die beiden Wunschpartner – wie geschehen – für Koalitionsgespräche mit dem Wahlsieger SPD entscheiden.
„Wir stehen bereit“, kann Laschet da nur sagen. Für den Realismus in der „kopflosen Union“ („Süddeutsche“) ist aber Markus Söder zuständig. Der CSU-Chef redet von einer „De-facto-Absage an Jamaika“ und der Ampel als „die klare Nummer eins“. Die „Vorentscheidung“, von der Söder auch spricht, ist eine für Laschets politische Rente. Bob Marley dreht sich weiter und man lauscht – im Mitgefühl für Laschet – dem nächsten Song: „No More Trouble“.

Der CDU-Chef kann ein munteres Lied davon singen, wie schwer es ist, mit schlechter Presse (und schlechten Fotos) eine Wahl zu gewinnen. In Österreich hat ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz nach Meinung der Ermittler da ein probates, aber illegales Mittel gefunden: positive Berichte einfach zu kaufen. Gelder des Finanzministeriums seien demnach zur Veröffentlichung von „ausschließlich parteipolitisch motivierten, mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens“ in seinem Interesse geflossen.
Zudem sei mutmaßlich an das Boulevardblatt „Österreich“ gezahlt worden – „verdeckte Gegenleistungen“ für Einflussmöglichkeiten auf redaktionelle Berichterstattung. Die Justiz untersuchte das Kanzleramt und die Zentrale der konservativen Regierungspartei. Kurz sieht nur Mitarbeiter des Finanzministeriums betroffen, die mitregierenden Grünen verteidigen die Justiz – hier bahnt sich eine Koalitionskrise an.
Ein Wiener Politologe: „Wenn die Vorwürfe stimmen, ist Ibiza im Vergleich dazu eine kleine Insel im Mittelmeer.“
Ein überraschendes Bündnis aus Industrie und Klimaschützern fordert von der Bundesregierung ein klares „Ja“ zu dem innovativen Verfahren, überschüssiges CO2 in den Boden zu schießen. Die Methode des „Carbon Capture and Storage“ (CCS) sowie die Abscheidung und Nutzung von CO2 seien „zentrale Säulen auf dem Weg der Industrie zur Klimaneutralität“, heißt es in einer dem Handelsblatt vorliegenden Erklärung.
Sie wird neben den Industrieverbänden auch von der Stiftung 2 Grad, in der Konzerne wie Allianz oder EnBW ehrgeizigen Klimaschutz fordern, sowie von der Klimaschutzorganisation Bellona unterstützt. Ohne CCS seien „Nullemissionen in der Industrie nicht erreichbar“, sagt Bellona-Deutschlandchefin Erika Bellmann. Auch der Weltklimarat liegt auf dieser Linie – anders als die Grünen, die mögliche Regierungspartei. Sie meidet dieses Thema wie der Öko-Bauer Glyphosat.
Ein neues Bewusstsein schaffen für Unternehmerfamilien, „die Innovationsfreude entwickeln und dabei aber lieber langfristig denken“ – das ist das Ziel von BMW-Großaktionärin Susanne Klatten. „Diese Kombination – Innovation und Nachhaltigkeit – ist die Zukunft“, erklärt sie im Handelsblatt. Und so startet die von ihr finanzierte Start-up-Fabrik UnternehmerTUM in München nun ein neues Gründerzentrum für den deutschen Mittelstand. Naheliegender Name: FamilienunternehmerTUM.
Die Zahl der kooperierenden Unternehmen soll in vier Jahren von jetzt 50 auf 500 steigen. Es sei auf Kongressen genug über Innovation geredet worden, so die Grundhaltung. Jetzt komme es darauf an, die Vorteile der Digitalisierung in der Praxis zu zeigen. Christian Mohr, Gründer der Initiative, spürt bei dem Thema in manchen Häusern noch starke Widerstände: „Da bohrt man nicht dicke Bretter, sondern Betondecken.“
Bei UnternehmerTUM werden im Übrigen neben Aufsichtsratschefin Klatten bald weitere große Finanziere aktiv: die Pharmaunternehmer Andreas und Thomas Strüngmann.

Er hat Wirecard und Grenke angegriffen, nun widmet sich der britische Finanzjongleur Fraser Perring ganz dem Immobilienriesen Adler, und zwar in einem 61-Seiten-Report. Da geht es richtig zur Sache:
- Der Konzern übernehme besser kapitalisierte Firmen, belaste sie mit Schulden und höhle sie über geheime Transaktionen mit nahestehenden Personen aus.
- Es gebe stillstehende Baustellen, Bilanzierungstricks und eine vermutete Überbewertung der Immobilien.
- Der Unternehmer Cevdet Caner kontrolliere das Unternehmen Adler angeblich aus dem Hintergrund, wie ein Schatten-CEO.
Caner und das Unternehmen dementieren die Vorwürfe und drohen mit juristischen Schritten. Die Anleger reagierten gleichwohl und schickten die Adler-Aktie zum Handelsschluss mit 25 Prozent in den Sturzflug, wie den Adler auf einem Baselitz-Gemälde. Jüngst erst hatte Adler erklärt, Offerten institutioneller Investoren zu prüfen, die einen Teil des Konzernbesitzes an Mietwohnungen kaufen wollen. Ein solcher Deal sei nötig, um die Schuldenlast zu reduzieren.
Karl Kraus kommentiert: „Das Leben ist eine Anstrengung, die einer besseren Sache würdig wäre.“
Und dann ist da noch der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump, der nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft abgewählt wird. Jedenfalls beschloss das Ur-Kapitalistenmagazin „Forbes“ erstmals nach einem Vierteljahrhundert, den Immobilienunternehmer nicht mehr in die Liste der 400 reichsten Amerikaner aufzunehmen. Trumps Vermögen von 2,5 Milliarden Dollar reicht einfach nicht mehr, finden die Experten. Rund 400 Millionen fehlen dem 75-Jährigen, der 2020 noch den 339. Platz geschafft hatte. Die Pandemie jedoch verkleinerte das Trump'sche Besitztum schätzungsweise um 600 Millionen Dollar.
Am reichsten war Trump noch 2015 gewesen, damals taxierte „Forbes“ ihn mit 4,5 Milliarden Dollar. Dann aber wurde der politisierende Milliardär Präsident – von da an ging’s bergab.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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