Morning Briefing: Vorsicht, Panzerblase – kauft die Bundeswehr das Falsche?
KI: Investitionsboom der Tech-Größen
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft und Nvidia haben ihre Ergebnisse für das abgelaufene Quartal präsentiert – und die Bilanzen offenbaren einen neuen Rekordwert. Mit einer Gesamtsumme von voraussichtlich knapp 390 Milliarden Dollar investieren die sechs größten Tech-Konzerne der Welt in diesem Jahr so viel in langfristige Vermögenswerte wie noch nie. Das sind nach Berechnungen des Handelsblatt Research Institute 56 Prozent mehr als im Vorjahr. Ulrich Stephan, der Anlage-Chefstratege der Deutschen Bank, hat dafür eine Erklärung:
Die Beschaffungsliste der Bundeswehr...
Noch vor Weihnachten soll der Haushaltsausschuss des Bundestags mehr als 50 Großprojekte für die Bundeswehr freigeben. Dazu zählen zusätzliche Schützenpanzer Puma, das Flugabwehrsystem Iris-T und neue Fregatten für die Marine. Doch viele der Großbestellungen werden erst in den 2030er-Jahren einsatzbereit sein.
„Force Multiplication“ heißt daher in Militärkreisen die Devise, um die Bundeswehr mit ihrer dünnen Personaldecke und schwachen Materialausstattung so schnell wie möglich schlagkräftig zu machen. Dabei sollen automatisierte Systeme wie Drohnen helfen, die schnell zu beschaffen sind und wenig Personal binden. Eine Übersicht über die sechs wichtigsten Projekte für diese Bundeswehr der Zukunft finden Sie hier.
… und Helsings Kritik daran
Aus der Liste wird deutlich: Die Bundeswehr wendet sich in ihrer Beschaffungspolitik verstärkt innovativen Formen der Kriegsführung zu, wie Drohnen, Laserwaffen oder künstlich intelligenten Systemen. Aber geht dieser Wandel schnell genug? Oder droht Deutschland das, was manche Rüstungsmanager als „Panzerblase“ bezeichnen?
Hinter dem Schlagwort steht eine akute Sorge: Weil auf einmal sehr viel Steuergeld für die Aufrüstung bereitsteht, könnte das Geld zu einem großen Teil in konventionelle Waffensysteme wie Panzer oder Artillerie fließen, weil diese Systeme gut erprobt – zugleich aber womöglich schon bei der Auslieferung veraltet – sind.
Das Rüstungsunternehmen Helsing plädiert für eine Kurskorrektur. Gundbert Scherf, Mitbegründer des Drohnen-Start-ups, sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf den Kriegsverlauf in der Ukraine:
Die aktuelle Beschaffungspolitik der Bundeswehr passt laut Scherf nicht zu dieser neuen Realität. „Aktuell haben wir die Formel gefunden: Panzer und Drohnen. Das klingt paritätisch“, sagte er. „Die Realität ist aber, wenn man in alle Planungen schaut, dann ist die Verteilung der Budgets noch 99 zu 1. Das bildet weder die Erfahrung der Ukraine noch die Entwicklung der nächsten Jahre ab.“
Mit seinen Einschätzungen widerspricht Scherf Äußerungen von Rheinmetall-Chef Armin Papperger, der sich im Gespräch mit Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes skeptisch über eine kriegsentscheidende Rolle von Drohnen geäußert hat:
Aktuell gebe es eine Menge Narrative, wonach der Krieg der Zukunft nur noch mit Drohnen geführt werde. Papperger:
Atomtests ohne Explosion
Die von US-Präsident Donald Trump angeordneten Atomwaffentests werden nach Angaben des zuständigen Ministers vorerst keine nuklearen Explosionen umfassen. „Ich denke, die Tests, über die wir im Moment sprechen, sind Systemtests“, sagte Energieminister Chris Wright am Sonntag dem Sender Fox News. „Das ist das, was wir nicht-kritische Explosionen nennen.“ Dabei würden alle Teile einer Atomwaffe mit Ausnahme des nuklearen Sprengsatzes erprobt.
Für Kernwaffentests ist in den USA das Energieministerium zuständig. Trump hatte am Donnerstag erklärt, er habe das US-Militär angewiesen, die Erprobung von Atomwaffen nach 33-jähriger Unterbrechung wieder aufzunehmen.
Stimme aus dem Sudan
Nach der Einnahme der Stadt Al-Faschir im Sudan durch die paramilitärische Gruppe RSF am vergangenen Wochenende haben es laut der Hilfsorganisation Norwegischer Flüchtlingsrat weniger als 6000 Flüchtlinge in das nächstgelegene Vertriebenenlager in Tawila geschafft, etwa 65 Kilometer von Al-Faschir entfernt. „Wir sehen nicht die Hunderttausende, mit denen wir gerechnet hatten“, sagte der Vertreter der Organisation, Shashwat Saraf, am Sonntag der Nachrichtenagentur AP. „Wenn sich noch Menschen in Al-Faschir aufhalten, wird es für sie sehr schwer sein, zu überleben.“
Saraf berichtete weiter, dass etwa 170 unbegleitete Kinder – manche gerade einmal drei Jahre alt – ohne ihre Familienmitglieder nach Tawila gelaufen seien. Sie seien zusammen mit älteren Kindern oder Erwachsenen angekommen, die nicht mit ihnen verwandt seien.
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Selmayrs vereitelte Rückkehr
Er gilt als brillant und durchsetzungsstark, aber auch als eigenwillig und rücksichtslos: Der EU-Spitzenbeamte Martin Selmayr, der von 2014 bis 2018 das Kabinett von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker leitete, ist bei seinen Kollegen gleichermaßen respektiert wie gefürchtet.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wollte den erfahrenen Strippenzieher an ihre Seite holen. Selmayr, derzeit EU-Botschafter im Vatikan, sollte den EU-Interessen Geltung verschaffen und dafür einen Führungsposten im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) erhalten.
Noch bevor die Bewerbungsgespräche stattgefunden haben, ist die Personalie offenbar gescheitert. Denn EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gefiel es Insidern zufolge überhaupt nicht, den machtbewussten Selmayr zurück in Brüssel zu sehen. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hatte sie 2019 Selmayr weit weg geschickt – erst als EU-Botschafter nach Wien, dann in den Vatikan. Kallas hat nun offenbar unterschätzt, wie sehr das Team der Kommissionspräsidentin Selmayr immer noch als Bedrohung wahrnimmt.
Baerbock als „Gossip Girl“
Nach einem Video im „Sex and the City“-Stil hat sich die Präsidentin der UN-Vollversammlung, Annalena Baerbock, mit einem weiteren Video im Stil einer Erfolgsserie aus New York gemeldet. Baerbock geht in einem auf Instagram veröffentlichten Video durch den herbstlichen Central Park – dazu läuft ein Zitat aus der Serie „Gossip Girl“:
Ich hoffe nur, dass die Amtszeit Baerbocks endet, bevor sie auf ihrer Suche nach New Yorker Filmzitaten bei Woody Allens Klassiker „Manhattan Murder Mystery“ angelangt ist. Sonst fände womöglich Allens so gar nicht UN-kompatible Dialogzeile via Instagram neue Verbreitung:
Ich wünsche Ihnen einen multilateralen Wochenauftakt.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens