Die Bundesregierung habe ein „gewaltiges und sehr zielführendes Hilfspaket“ geschnürt, sagte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) dem Handelsblatt.
Eine pauschale Aufstockung des Kurzarbeitergelds, wie sie die Gewerkschaften fordern, hält der Bremerhavener für nicht angebracht. Dies würde viele Unternehmen „mangels Finanzkraft völlig überfordern“, glaubt Kramer.
Herr Kramer, Bundesregierung und Parlament verabschieden im Rekordtempo neue Hilfspakete. Haben die Unternehmen jetzt alles, was sie brauchen, um durch die Krise zu kommen?
Das werden wir erst im Zeitablauf sehen. Wenn sich notwendige Maßnahmen ergeben, bei denen noch nachgesteuert werden muss, dann wird das ganz sicher auch passieren. Wir können jetzt nicht den Perfektionismus erwarten, dass alle Einzelfragen, die bis zum Ende der Virus-Pandemie womöglich noch auftauchen, schon gelöst sind.
Die Gewerkschaften fordern eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds. Laufen da noch Gespräche?
Natürlich laufen Gespräche zwischen den Tarifpartnern. Nur so bekommen Sie passende Lösungen für die Branchen und Unternehmen. Viele Betriebe würde eine pauschale Aufstockung des Kurzarbeitergeldes in der jetzigen Phase mangels Finanzkraft völlig überfordern. Wie es gehen kann, haben die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen mit ihrem Pilotabschluss gezeigt.
Der Möglichkeiten zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds für Beschäftigte vorsieht, die gut verdienen. Was aber ist mit Geringverdienern, etwa in der Gastronomie?
Auch da ist ja in der Systemgastronomie ein Abschluss zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds erzielt worden. Gleichzeitig hat ein namhaftes Unternehmen der Branche Insolvenz angemeldet. Das zeigt die Gratwanderung.
Zwischen der besseren Absicherung der Beschäftigten und dem Schutz des Unternehmens?
Genau. Nehmen Sie beispielsweise ein kleines Restaurant, wo der Inhaber vielleicht einen Koch und zwei Kellner beschäftigt. Der hat in der Regel nicht die Finanzdecke, um das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Bei anderen Branchen und Unternehmen kann das anders aussehen. Und die können im Einzelfall für ihre Mitarbeiter in schwierigen Zeiten auch mehr tun, weil sie die Beschäftigten ja halten möchten, um durchstarten zu können, wenn die Krise vorbei ist.
Der Maschinenbauverband fordert, die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate zu verlängern, weil viele Firmen aus konjunkturellen Gründen schon seit dem Frühjahr 2019 in Kurzarbeit sind. Muss der Arbeitsminister hier nicht nachsteuern?
Wenn Bundesregierung und Parlament das jetzt so beschließen würden, dann sagen die Ersten doch sofort: Aha, die Regierung geht davon aus, dass uns dieses Virus zwei Jahre lang beschäftigt. Man muss bei Bedarf auch noch nachlegen können. Und ich bin mir sicher, dass das dann auch sehr schnell gehen wird. Allerdings sollte die Frist ab jetzt neu beginnen.
Also sind Sie als Unternehmer zufrieden mit dem Krisenpaket?
Was jetzt auf den Weg gebracht wurde, ist ein gewaltiges und sehr zielführendes Hilfspaket. Nicht jedes Land auf der Welt ist in der Lage, seine Unternehmer und Arbeitnehmer so weitreichend zu unterstützen. An dieser Stelle muss man auch mal sagen: Das Parlament und die Bundesregierung machen im Moment einen maßgeschneiderten und konsequenten Job!
Es gibt Klagen aus der Wirtschaft, dass kleine Unternehmen bis zehn Beschäftigten direkte Hilfen erhalten, und es dann wieder ein Hilfspaket für Unternehmen ab 250 Beschäftigten gibt. Sollte die „Förderlücke“ dazwischen noch geschlossen werden?
Entscheidend ist eine flächendeckende Sicherung der Liquidität der Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe. In der von Ihnen angesprochenen Lücke gibt es aber bereits die Hilfsinstrumente, wie KfW-Kredite und Kurzarbeit. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Soforthilfen der Bundesländer. Was gegenwärtig nicht vorgesehen ist, sind Zuschüsse, die speziell für diese kleinen Firmen angedacht sind, die wegen ihrer Größe nicht in der Lage wären, kurzfristig die notwendigen Kredite aufzunehmen. Zudem kann keiner wollen, dass an Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, sich möglicherweise der Staat umfassend beteiligt, abgesehen von einzelnen besonders systemrelevanten Unternehmen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Hausbanken aufgrund der aktuellen Situation gar nicht in der Lage sind, schnell genug alle Kreditanfragen zu bearbeiten. Daher braucht es dort andere Instrumente, um zum Beispiel mit Abschlagzahlungen reagieren zu können. Dafür muss es zügig eine Lösung geben, sonst kommt manche Hilfe vielleicht zu spät.
Aber Unternehmen werden doch später auf einem Haufen Schulden sitzen, wenn sie jetzt Hilfen in Anspruch nehmen.
Ich weiß, dass einzelne Unternehmer jetzt darüber klagen, dass es sich um Kredite handelt, die irgendwann wieder zurückgezahlt werden müssen. Wir dürfen aber nicht erwarten, dass der Staat in dieser Krise alle Kosten komplett übernimmt. Über lange Rückzahlungsfristen und niedrige Zinsen lässt sich die Belastung im Rahmen halten. Der Staat wird nicht den Unternehmen, die er gerade gerettet hat, im Nachhinein noch die Luft abschnüren.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Unternehmen pleitegehen, bevor staatliche Hilfen sie erreichen?
Die Gefahr ist natürlich da. Wie groß diese ist, das werden die nächsten ein bis anderthalb Wochen zeigen. Aber der Wirtschaftsminister hat sehr deutlich gesagt, dass etwa für die Anträge auf KfW-Kredite über die Hausbank ein ganz stark vereinfachtes Verfahren gelten soll. Die Unternehmen laufen ja nicht sofort leer. Ich halte die Politik, die KfW und die Hausbanken für kompetent genug, nach Zwischenlösungen zu suchen.
Woran denken Sie?
Auch die Hausbank ist ja nicht daran interessiert, dass ihre Kunden pleitegehen. Und wenn sich ein Antragsverfahren länger hinziehen sollte, kann sie ja beispielsweise mit Abschlagszahlungen arbeiten, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden.
Das Ifo-Institut hat schon vor einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um bis zu 20 Prozent gewarnt. Wie lange kann denn die Wirtschaft einen „Shutdown“ überstehen?
Es gibt einen alten Satz aus der Seefahrt: Wenn die See hoch geht und es stürmt, dann werden Personen, die in Panik verfallen und hektisch sind, von der Brücke verwiesen. Panik und Angst sind schlechte Ratgeber. Deshalb beteilige ich mich nicht an Diskussionen, wie schlimm alles noch werden kann. Wir müssen aufpassen, dass Multiplikatoren und namhafte Ökonomen die Krise nicht noch zusätzlich schüren.
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Zu Beginn 2020 wiederholt sich ein Ereignis, welches es auch zu Beginn 2010 gab:
Die Angst vor dem maximalen Verlust (Gesundheit und Tod) aus einer Mikrobetrachtung heraus entstanden - nämlich aus der biologischen Forschung, für die immer und zu Recht jeder Einzelschaden durch ein Virus oder Bakterium eine Bedrohung darstellen muss - führt zu einer enormen Verkettung von eher irrationalen Entscheidungen und Handlungen. Die Forschung hat ihre Aufgabe sicherlich richtig gemacht; die Interpretation aller Zahlen, Daten und Fakten zu den Risiken ist aber eventuell mißlungen.
Warum soll man sich in einer Risikobeurteilung nicht ausschließlich auf Prognosen verlassen? Prognosen haben immer einen erheblichen Anteil an Unsicherheit in ihrer Aussage. Sie beruhen auf zahlreichen Annahmen, die in komplexen Sachverhalten gar nicht jedem verständlich sind. Die Extrapolation von singulären Ereignissen auf eine große Menge sollte nur unter homogenen Bedingungen erfolgen - unter heterogenen Konditionen ist die Hochrechnung nicht zuverlässig machbar. Die Prädisposition ist aber sehr unterschiedlich.
In neuen unbekannten Situationen ist es das natürliche Prinzip, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen. Das bedeutet nicht, daß man nur eine vergleichbare Situation als Erfahrungswert heranziehen darf. Ähnliche Erlebnisse lassen es zu, Modelle abzuleiten, die zu einer Bewertung des Unbekannten führen. Auf Erfahrungswerte wurde in der Interpretation nicht zurückgegriffen.
Wenn schon aus Angst vor einer Bewertung der Situation zu nur allen denkbaren Maßnahmen gegriffen wird, dann sollte jetzt zumindest die Zeit der Pause genutzt werden, um jede weitere nächste Maßnahme besonnen abzuwägen.
1. Benötigen die Märkte Liquidität oder ist die Situation nicht eher so, dass es bereits ein Zuviel an Liquidität gibt?
2. Nachhaltige Hilfe für extreme Verwerfungen darf nur nach einer wirklich guten Vorbereitung erfolgen. Krisen bereinigen und das sollte man bis zu einer gewissen Grenze zulassen.