Wirtschaft Wie das Handwerk unter der Corona-Epidemie leidet

Wenn Schulen schließen, Flugzeuge am Boden bleiben und Beschäftigte ins Homeoffice gehen, gibt es auch in dieser Branche Umsatzeinbußen.
Berlin Es ist noch gar nicht lange her, da konnte sich das Handwerk vor Aufträgen kaum retten. Während die Industriekonjunktur längst unter den Folgen der internationalen Handelskonflikte und der Brexit-Unsicherheit litt, ruhten die Hoffnungen auf den mittelständischen Maler-, Dachdecker- oder Kfz-Betrieben. Nicht zuletzt der Bauboom bescherte dem zulassungspflichtigen Handwerk im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 3,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.
Doch jetzt trifft die Corona-Epidemie auch das Handwerk mit voller Wucht. Die Internationale Handwerksmesse in München wurde abgesagt. Statt sich wie geplant mit Regierungschefin Angela Merkel und Verbänden zum Spitzengespräch zu treffen, ist Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer am Freitagabend zum Corona-Krisengipfel ins Kanzleramt geladen.
„Es ist gut und wichtig, dass sich Wirtschaft und Politik in dieser Situation austauschen und sich gemeinsam daran machen, Lösungen zur bestmöglichen Abfederung der Corona-bedingten wirtschaftlichen Folgen zu finden“, sagte Wollseifer dem Handelsblatt. Anders als bei den Konjunkturprogrammen in der Finanzkrise gehe es diesmal nicht darum, strukturelle Konjunkturdefizite auszugleichen. Vielmehr müsse verhindert werden, dass an sich gesunde Betriebe bedroht werden und Menschen ihre Arbeit verlieren.
Neben der Erleichterung der Kurzarbeit, die am Freitag beschlossen wurde, gehe es vor allem um Liquiditätshilfen, um Betriebe vor Zahlungsschwierigkeiten zu bewahren. Wollseifer fordert eine großzügige zinslose Stundung von Steuerforderungen, da hierdurch den Betrieben kurzfristig Liquidität zur Verfügung stehe. „Das, wie auch entsprechende Finanzierungen oder Kostenübernahmen brauchen die Betriebe, um die nächsten schwierigen Wochen zu überbrücken und ihre Beschäftigten weiter im Betrieb halten zu können“, sagte Wollseifer.
Besonders stark getroffen sind nach der Absage von Messen und Veranstaltungen in den zurückliegenden Wochen alle Gewerke, die im Messebau tätig sind. Der Verband der deutschen Messewirtschaft (AUMA) schätzt, dass der Gesamtwirtschaft durch bislang schon abgesagte oder verschobene Messen Einnahmen von drei Milliarden Euro entgehen.
Doch auch bei Betrieben etwa des Lebensmittelhandwerks oder bei Friseuren gibt es Umsatzeinbußen. Im Lebensmittelhandwerk kommt es durch stornierte Veranstaltungen und damit einhergehend durch stornierte Cateringaufträge zu Umsatzausfällen. Auch an den Ladentheken werde es zunehmend ruhiger, weil die Menschen nicht mehr vor die Tür gehen, heißt es beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Arbeitnehmer setzen auf Homeoffice
Bei Friseuren seien verstärkt Terminabsagen zu beobachten, da Privatpersonen sensibilisiert seien und bei ersten Krankheitsanzeichen einer Erkältung – den Empfehlungen in Medienberichten folgend – zu Hause bleiben.
Besonders hart getroffen werden auch die Gebäudereiniger: „Wenn massenhaft Schulen schließen, Veranstaltungen ausfallen, Flugzeuge am Boden bleiben oder Büroflächen aufgrund von Homeoffice leer stehen, bricht unserem Handwerk ein Großteil seiner Aufträge weg“ klagt Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks.
„Wo nicht gearbeitet wird, wird nicht gereinigt.“ Insofern führe Corona zu dramatischen kurzfristigen Umsatzeinbrüchen und zu Konsequenzen für die Beschäftigungssituation, sagt Bungart.
Geholfen werden könnte seiner Branche, wenn die Kurzarbeiterregelungen auch für geringfügig Beschäftigte gelten würden. Bei den Gebäudereinigern arbeiten traditionell viele Minijobber.
„Zudem ist die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge wichtig, um Betrieben wieder eine Liquiditätsreserve zu geben.“ Die Vorfälligkeit war im Jahr 2006 eingeführt worden, um die damals klammen Sozialkassen zu entlasten. Statt am 15. des Folgemonats sind die Beiträge schon im laufenden Monat fällig. Der Verwaltungsaufwand belastet kleine und mittlere Unternehmen finanziell und personell stark und entzieht den mittelständischen Unternehmen Liquidität.
Heizung kann nicht im Homeoffice gewartet werden
Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie seien auch und besonders Handwerker betroffen, sagt Ralf Kutzner. Er ist zuständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall für das Handwerk: „Eine Heizung kann eben nicht in einer Telefonkonferenz und ein Auto auch nicht im Home-Office repariert werden.“
Eventuelle Arbeitsausfälle dürften die Einkommen der Beschäftigten im Handwerk nicht gefährden, fordert Kutzner. Neben den richtigen politischen Schritten zur Erleichterung des Erhalts von Kurzarbeitergeld und Entlastung der Betriebe benötigten Handwerker auch unbürokratische Finanzierungsmöglichkeiten, um kurzfristig entstehenden Liquiditätsbedarf zu decken.
„Es ist zudem von zentraler Bedeutung, dass Entgeltverluste beim Erhalt von Kurzarbeitergeld minimiert werden, hier erwarten wir schnelle Nachsteuerung.“ Für ausgefallene Arbeitsstunden ersetzt das staatliche Kurzarbeitergeld nur 60 Prozent des entgangenen Nettolohns, bei Beschäftigten mit Kindern sind es 67 Prozent.
Auf der anderen Seite gibt es auch Gewerke, für die Corona Mehrarbeit bedeutet, etwa die Textilreiniger. „Gerade Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen werden in den kommenden Wochen dringend auf eine ausreichende Versorgung mit desinfizierten Textilien angewiesen sein, um die Ausbreitung des Virus gerade in den Risikogruppen zu verlangsamen“, betont Handwerkspräsident Wollseifer. Wichtig sei, dass ihnen wie auch den Gebäudereinigern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen genügend Desinfektions- und Reinigungsmittel zur Verfügung stünden.
Welche Schäden die Corona-Epidemie am Ende für das Handwerk bedeute, lasse sich aber noch nicht abschätzen, meint Wollseifer. Zuverlässige Zahlen zu derzeitigen Umsatzeinbußen würden frühestens in zwei bis drei Monaten vorliegen. In dem Maße, in dem Auftragsstornierungen, Produktionsunterbrechungen und Quarantänemaßnahmen in größerem Umfang um sich greifen, in dem Maße werde das auch Spuren im Handwerk hinterlassen.
Mehr: Die aktuellen Entwicklungen zur Coronakrise im Newsblog.
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