Zugriff auf E-Mails App-Entwickler lesen massenweise Gmail-Postfächer

Google erlaubt Entwicklern den Zugriff auf E-Mails von Gmail-Nutzern. (Foto: dpa)
Berlin Google erlaubt Entwicklern den Zugriff auf Millionen von E-Mails von Gmail-Nutzern. Wenn die Entwickler sich eine entsprechende Erlaubnis bei den Nutzern einholen, können sie routinemäßig die Inbox durchforsten und auf diesem Wege die E-Mails lesen, berichtet das Wall Street Journal. Manche der Drittfirmen werten die Nachrichten vollautomatisch aus, andere lassen ihre Mitarbeiter von Hand in E-Mails schauen, etwa um die eigene Software zu trainieren.
Damit die Drittentwickler Zugriff auf die Mail erhalten, muss der Nutzer ihnen eine entsprechende Erlaubnis gewähren. Das geschieht in der Regel für die Nutzung von kostenlosen Mail-Diensten wie automatischen Reiseplanern oder Preisvergleichs-Portalen. Das Wall Street Journal nennt unter anderem die Firma Return Path, die auf diese Weise bis zu 100 Millionen E-Mails pro Tag analysieren soll.
Return Path ermittelt für Versender von Werbe-Mails, wie oft sie gelesen wurden. Dafür muss das System zunächst zwischen privaten und kommerziellen E-Mails trennen. Dies entscheidet es auf Grundlage der E-Mail-Adressen und bestimmter Schlüsselwörter wie etwa „Oma“. 2016 habe Return Path allerdings festgestellt, dass der Algorithmus „Millionen“ privater E-Mails versehentlich als kommerziell eingestuft habe, schrieb die Zeitung unter Berufung auf eine informierte Person. Um die Software zu verbessern, hätten daher zwei Datenanalysten 8000 E-Mails gelesen und per Hand markiert.
Aber auch alternative Gmail-Clients sichern sich Leserechte für das E-Mail-Konto des Anwenders. Der Firmenchef des Entwicklungsstudios hinter der Mail-App Edison hat gegenüber dem Wall Street Journal zugegeben, dass seine Entwickler die Mails Hunderter Nutzer seines Gmail-Clients gelesen haben. Edison bietet vom Computer formulierte automatische Antworten auf E-Mails an.
Zunächst hätten die Mitarbeiter den Algorithmus mit den Daten aus ihren eigenen Postfächern angelernt, sagte Firmenchef Michael Berner. Die Datenmenge sei jedoch nicht ausreichend gewesen. Deshalb seien zwei Mitarbeiter abgestellt worden, sich persönliche E-Mail-Nachrichten „hunderter“ Nutzer anzusehen und zu prüfen, ob die automatischen Antworten passten.
Als Sicherheitsvorkehrung seien die Computer so eingerichtet worden, dass sie nichts herunterladen konnten - und die Daten zu den Nutzern seien unkenntlich gemacht worden. Zudem hätten die beiden Experten für künstliche Intelligenz eine Verpflichtung unterzeichnet, keine Inhalte aus den E-Mails preiszugeben.
Insgesamt hat das Wall Street Journal mehr als zwei Dutzend Entwickler befragt, die ein solches Vorgehen bei ihren aktuellen oder früheren Arbeitgebern bestätigen. Google hat die Praxis inzwischen verteidigt. Die Nutzer würden stets gefragt, ob sie einer App den Zugang zu ihrem Google-Mail-Konto gewähren wollen – und die Entwickler würden von dem Internet-Konzern geprüft, erklärte das Unternehmen in einem Blogeintrag.
Die Standard-Anfrage, die Nutzer zu sehen bekommen, wenn sie einer App Zugang zu ihrem Gmail-Konto gewähren, erbittet die Zustimmung, E-Mails zu lesen, versenden, löschen und zu verwalten. Während das Vorgehen der Entwickler von dieser Formulierungen tatsächlich abgedeckt sein könnte, dürfte es vielen Nutzern von Maildiensten zumindest unklar sein, dass auch Menschen und nicht nur Maschinen die Texte zu lesen bekommen können.
Google betont, dass die Anbieter von Apps mit Zugang zum Gmail-Konto eine mehrstufige Überprüfung durchlaufen. Der Internet-Konzern selbst hörte im vergangenen Jahr damit auf, den Inhalt der Werbung von Software auszuwerten, um die bei GMail angezeigte Werbung zu personalisieren. Bei Google selbst bekämen Menschen die E-Mails von Nutzern nur in seltenen Ausnahmefällen zu lesen, etwa wenn es um Missbrauch oder technische Probleme gehe – dann frage Google die Nutzer aber gesondert um Erlaubnis.
Eine Übersicht über Dienste und Apps mit Zugriffen auf das eigene Konto erhalten Google-Nutzer unter https://myaccount.google.com/permissions nach Eingabe der Anmeldedaten. An dieser Stelle können einzelnen Angeboten ihre Zugriffsrechte auch wieder entzogen werden, falls man es sich anders überlegt hat oder einen Dienst nicht mehr benötigt.
Mit Material von dpa.
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