Klimaneutralität Milliarden für energetische Sanierung verpufft – nun übernimmt der Expertenrat für Klimafragen

Bestandsgebäude rücken bei der energetischen Sanierung in den Fokus.
Berlin Die Bundesregierung lässt sich die Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden durchaus etwas kosten. Allein 2020 wandte die staatliche Förderbank KfW zweistellige Milliardenbeträge auf, um Privatleute bei der energetischen Sanierung zu unterstützen.
Doch das alles reicht nicht aus, um die Klimaschutzziele zu erreichen, die im Klimaschutzgesetz jahres- und sektorenscharf definiert sind. Bundesinnenministerium und Bundeswirtschaftsministerium, die gemeinsam für das Thema energetische Sanierung zuständig sind, hatten deshalb Mitte Juli ein 5,8 Milliarden Euro schweres Sofortprogramm vorgelegt.
Mit diesem Programm sollen die Rückstände aus dem Jahr 2020 in den kommenden Jahren aufgeholt werden. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet die jeweils zuständigen Ministerien, solche Reparaturmaßnahmen zu erarbeiten, wenn in einzelnen Sektoren mehr Emissionen ausgestoßen werden, als es das Klimaschutzgesetz erlaubt.
Doch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat das Sofortprogramm bereits als unzureichend abgelehnt. Nun ist der von der Bundesregierung im vergangenen Jahr berufene Expertenrat für Klimafragen am Zug. Der Expertenrat ist eines der zentralen Instrumente zur Umsetzung der Ziele des Klimaschutzgesetzes. Er berät die Bundesregierung, prüft ihre Klimaschutzprogramme und wacht über die Zielerreichung.
Dem Expertenrat liegt das Sofortprogramm der beiden Ministerien zur Bewertung vor. Man vermute, dass der Rat seine Bewertung „in der kommenden Woche“ veröffentliche, teilte das Bundesumweltministerium (BMU) auf Nachfrage am Freitag mit.
Staatssekretär Jochen Flasbarth habe die Ministerien bereits gebeten, ein Programm vorzulegen, „das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Gebäudesektors für die folgenden Jahre sicherstellt“. Aus Sicht des BMU sollte der Beschluss dieses Sofortprogramms durch die Bundesregierung „noch in diesem oder im nächsten Monat erfolgen“.
Zweifel an der Wirkung des Sofortprogramms
Insider berichten, auch der Expertenrat habe Zweifel an der Wirkung des von den Ressorts Innen und Wirtschaft entwickelten Sofortprogramms. Eine Anfrage an die Geschäftsstelle des Expertenrats blieb am Freitag unbeantwortet.
Auch die Grünen kritisieren das Sofortprogramm. Zusätzliches Geld für die Gebäudesanierung allein mache keinen Klimaschutz, sagte Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. „Entscheidend ist, wo genau die Fördermittel eingesetzt werden. Statt konsequent die Sanierung des riesigen Gebäudebestands anzugehen, verpulvert die Bundesregierung mit ihrem Gebäudesanierungsprogramm einen Großteil der Steuermittel für die Förderung eines Neubau-Standards, der ohnehin längst Stand der Technik ist und nicht einmal für die Pariser Klimaziele ausreicht“, sagte Verlinden.
Dagegen gehe die Sanierung von Altbauten viel zu langsam voran. Nach Angaben Verlindens flossen 2020 von insgesamt rund 19 Milliarden Euro für das KfW-Programm „Energieeffizient Bauen“ 14,7 Milliarden Euro in die Förderung des KfW-55-Standards für Neubauten.
Der Gebäudebestand rückt in den Fokus
Auch die Unternehmen, die sich mit dem Thema befassen, sprechen sich dafür aus, die Klimaschutzbemühungen stärker auf den Gebäudebestand zu fokussieren. „Die Bundesregierung sollte sich an den Vorstellungen der EU-Kommission orientieren und eine Strategie für die Sanierung der energetisch schlechtesten Gebäude im Bestand mit den höchsten Energieverbräuchen entwickeln. Dazu gehören dann auch von Förderangeboten begleitete Mindeststandards, die erreicht werden müssen“, sagte Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff).
In der Deneff haben sich Unternehmen der Energieeffizienz-Branche zusammengeschlossen, darunter Bosch, Buderus, Danfoss, Rockwool, Knauf, Ista, Schüco und Getec.
Das käme dann einer Sanierungspflicht im Gebäudebestand nahe – ein Schritt, vor dem die Große Koalition zurückschreckt. Doch Noll hält diesen Schritt für unumgänglich: „Für den Gebäudebestand sind durch Förderung flankierte energetische Mindeststandards unerlässlich. Man muss diese Standards mit zeitlichen Vorgaben versehen, die den einzelnen Eigentümer nicht überfordern und über individuelle Sanierungsfahrpläne eine flexible Umsetzung ermöglichen“, sagte er.
Ein schrittweises Vorgehen mit klarem Zeitplan für den Gebäudebestand bringe für alle Akteure – von Eigentümern über Handwerker bis zu Planern und Herstellern von Gebäudeausrüstung und Baustoffen – Verlässlichkeit und mache eine langfristige Planung der Kapazitäten möglich.
Mehr: Problemfall Altbau – was Mieter und Vermieter bei der energetischen Sanierung erwartet
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Liebe Frau Silke Kersting und Klaus Stratmann,
danke für den Artikel und das sehr klare Bild:
Viele Häuser werden saniert dadurch, dass man Styropor aufklebt. Oft wird das Styropor nicht richtig verpresst, so dass sich zwischen den Lücken Staunässe bildet. Im Winter gefriert die Staunässe und der Putz reißt, was sehr unschön aussieht.
Zudem diffundiert diese Nässe, in der sich anaerobe Bakterien und Pilze bilden können durch die Wände in den Innenraum - ständiges Lüften ist angesagt.
Ergebnis: Es bringt NICHTS, kostet viel, die Umwelt wird mit Styropor verschandelt, bei der Renovierung entsteht Sondermüll.
@ Ralf Müller
"Statt die Höhe der Förderung von erreichten Effizienzstandard abhängig zu machen, sollte sich die Höhe der Förderung an der Menge des eingesparten CO2s orientieren."
SEHR RICHTIG!
Im Moment ist das vor allem ein Umsatzprogramm für die (überlastete!) Dämmstoffindustrie und die KOmpressoren-(Wärmepumpen_)Hersteller.
Und die Handwerker, die sich über den Auftragsstau einen ASt freuen, weil die Bauherren jeden Preis akzeptieren (müssen), wenn es bloß gemacht wird.
Die Klempnerinnung residiert demnächst auch "An der Goldgrube"! ;-)
Das bestehende Förderprogramm richtet sich auf die weitere Verbesserung bereits effizienter Gebäude. Dabei besteht der größte Bedarf bei der Sanierung von Altbauten, bei denen es völlig unmöglich oder unrentabel ist, sie auf einen modernen Standard zu bringen. Statt die Höhe der Förderung von erreichten Effizienzstandard abhängig zu machen, sollte sich die Höhe der Förderung an der Menge des eingesparten CO2s orientieren.
Wenn ich die Emissionen eines sehr ineffizienten Hauses, um die Hälfte reduziere, hilft das der CO2-Bilanz viel mehr, als wenn ich ein bereits halbwegs effizientes noch weiter verbessere. Dennoch bekommt man für die Sanierung des ineffizienten Hauses kaum Förderung, für die Verbesserung des halbwegs effizienten aber schon.