Klimaschutz „Für mich gibt es noch keine CO2-neutrale Technologie“: Wie ein Unternehmer an seine Grenze gerät

Das Unternehmen stellt Stärke für Lebensmittel und Klebstoffe her.
Brüssel, Berlin Den weißen Flocken, die Götz Kröner in Ibbenbüren produziert, ist nicht anzusehen, wie viel Energie ihre Herstellung gekostet hat. Kröner stellt aus Getreide Stärke her. Seine Firma verbraucht viel Strom, der ist bereits auf Ökostrom umgestellt. Sie verbraucht aber auch viel Wärme.
Denn die Stärke kommt in Wasser gelöst aus der Maschine und muss dann getrocknet werden. Kröner betreibt dazu ein eigenes Kohlekraftwerk, in das er vor zwölf Jahren gut zehn Millionen Euro investiert hat. Damals war Kohle billig und galt als krisensicher, jetzt wird sie zur Belastung in der Bilanz.
Das Beispiel zeigt, wie die Vorgaben der Politik Unternehmen an ihre Grenzen bringen können – nicht erst in ein paar Jahren, wenn die Klimagesetze der EU in Kraft treten, sondern jetzt. Viele Unternehmen, die ihre eigene Wärme produzieren, stehen vor den gleichen Fragen wie Kröner-Stärke.
Kröner findet es grundsätzlich richtig, dass die Preise steigen. „Der CO2-Preis soll Druck machen, dass fossile Energie eingespart wird“, sagt er. „Und dem kann man kaum widersprechen. Das hat eine Lenkungswirkung.“ Seit vielen Jahren investiert er immer wieder, um seine Produktion effizienter zu machen.
Derzeit baut seine Firma ein neues Gaskraftwerk, obwohl das Kohlekraftwerk noch gut 15 oder 20 Jahre halten könnte. Spätestens wenn Kohle ab dem 1. Januar 2023 voll besteuert wird, will er ausgestiegen sein. „Wir sind gezwungen, in eine Übergangstechnologie zu investieren“, sagt Kröner. Auch Gas verbrennt ja nicht klimaneutral.
Aber was kommt danach? Das Gaskraftwerk ist die Wette auf eine Zukunft, in der irgendwann klimaneutral hergestellter Wasserstoff durch die Leitung kommt. Ob das je der Fall sein wird, ist unklar. Die letzte Alternative wäre, mit Strom zu heizen, was sich bisher nur lohnen würde, wenn der Strom so billig wäre wie in Frankreich, wo einige von Kröners Wettbewerbern sitzen. Für die Firma würde das eine weitere Großinvestition bedeuten.

Die Stärkeproduktion benötigt Energie in Form von Wärme.
„Klimaschutz muss auch machbar sein. Die Politik kann nicht einfach sagen: Wir erhöhen den CO2-Preis, dann wird denen schon etwas einfallen“, sagt Kröner. „Für mich gibt es noch keine verfügbare Technologie zur CO2-neutralen Wärmegewinnung.“ Darum würden Kröner auch keine neuen Förderinstrumente wie Klimaschutzverträge helfen, über die der Staat Investitionen in klimaneutrale Technik finanziert.
EU will Subventionen zurückfahren
Seinen Strom hat Kröner schon auf Ökostrom umgestellt. Auch hier erwarten ihn bald neue Belastungen. Zum 1. Januar 2022 will die EU-Kommission Subventionen streichen, die den Klimazielen zuwiderlaufen. Eine dieser Subventionen ist die Besondere Ausgleichsregelung, kurz BesAR. Sie besagt, dass Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, weniger EEG-Umlage zahlen müssen. Die EEG-Umlage ist ein Aufschlag auf den Strompreis, der zur Finanzierung erneuerbarer Energien genutzt wird. Durch die BesAR sparen die Unternehmen in Deutschland jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro.
Damit sich die EU-Staaten nicht gegenseitig mit Subventionen überbieten, setzt die EU-Kommission Grenzen. Von der BesAR können darum nur solche Branchen profitieren, bei denen der Strompreis besonders ins Gewicht fällt und die ihre Waren auch ins Ausland verkaufen. Diese Kriterien werden verschärft. Eine entsprechende Änderung der Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien hat die EU-Kommission aktuell in Arbeit.
Nach den Plänen der EU-Kommission dürfen bald nur noch solche Branchen profitieren, die mehr als 20 Prozent ihrer Produktion ins außereuropäische Ausland verkaufen. Bislang lag der Wert bei zehn Prozent. Die Stärkehersteller exportieren laut EU-Daten im Branchenschnitt 18,5 Prozent, würden also herausfallen. Durch diese und andere Schwellenwerte soll die Liste der förderfähigen Branchen viel kürzer werden. Statt 220 sollen nur noch 51 Sektoren von der BesAR profitieren dürfen.
Die Kröner-Stärke GmbH exportiert 25 Prozent ihrer Produktion ins außereuropäische Ausland und würde damit auch den neuen Schwellenwert übersteigen. Doch das spielt keine Rolle. Wenn die Branche nicht mehr förderfähig ist, fällt auch für die Firma in Ibbenbüren die Subvention weg. Für sie würde das Mehrausgaben von 2,6 Prozent ihres Umsatzes ausmachen. Ein Viertel des Gewinns wäre weg.
Entscheidung kann jederzeit fallen
Die Pläne der EU-Kommission gehen noch weiter. So sollen den Unternehmen, die weiterhin profitieren, nur noch 75 Prozent der EEG-Umlage erstattet werden statt wie bisher 85 Prozent. Dieses Geld sollen die Unternehmen dann zum größten Teil in Klimaschutz investieren.
Viele der Klimaschutzmaßnahmen durchlaufen einen langen Weg über das Europaparlament und den Rat, in dem die EU-Mitgliedstaaten vertreten sind. Nicht so bei der Richtlinie für Subventionen: Obwohl es hier um viele Milliarden geht, entscheidet die EU-Kommission allein, nachdem sie die Verbände angehört hat. Am 1. Januar 2022 muss die neue Regelung in Kraft treten. Noch ist sie nicht veröffentlicht.
Die Bundesregierung versucht, die Pläne der Kommission noch zu beeinflussen. Man sehe beim aktuellen Entwurf der EU-Kommission „noch Verbesserungs- und Klärungsbedarf“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. „Damit der Green Deal eine Wachstumsstrategie ist, müssen insbesondere auch energieintensive Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und ein Abwandern in weniger regulierte Gebiete verhindert werden“, heißt es im Wirtschaftsressort. Zudem sei es ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, eine unangemessene Bürokratie, etwa durch strenge Nachweiserfordernisse, zu vermeiden.
Auch der Europaparlamentarier Markus Pieper (CDU) setzt sich für die betroffenen Unternehmen ein: „Gerade für Branchen des stromintensiven Mittelstands kann eine solch weitreichende Kürzung der Liste gravierende Folgen haben“, schrieb er an die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.
Die Grünen werben dagegen um Verständnis: „Noch immer sollen Milliarden an Steuergeldern in fossile Technologien und Klimakiller wie Braunkohle fließen. Dem müssen klare Grenzen gesetzt werden“, sagt der Europaabgeordnete Michael Bloss. „Gleichzeitig brauchen wir neue Beihilfen, um den Übergang zur Klimaneutralität zu schaffen.“
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