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Energie

Handelsblatt Energiegipfel Innenstädte ohne Autos – Ein Elektroauto macht noch keine Verkehrswende

Immer mehr Autos verstopfen deutsche Städte. Für eine Verkehrswende muss sich das ändern. E-Auto-Experte Günther Schuh hat eine eigene Vision von der Mobilität der Zukunft.
20.01.2020 - 21:23 Uhr Kommentieren
E-Mobilität: Ein Elektroauto macht noch keine Verkehrswende Quelle: Wolfgang Borrs, Euroforum
Diskussion zur E-Mobilität

Marc Oliver Bettzüge, Professor an der Uni Köln, Dieter Steinkamp, Vorstandschef von Rhein-Energie, Günther Schuh, CEO der Ego Mobile AG, und Benjamin Pfeifer von der Deutschen-Bahn-Tochter Ioki diskutieren mit Handelsblatt-Redakteur Klaus Stratmann.

(Foto: Wolfgang Borrs, Euroforum)

Berlin Verstopfte Städte, stundenlanges Stehen im morgendlichen Stau und drohende Fahrverbote – Deutschlands Metropolen ächzen unter immer mehr Menschen und Fahrzeugen. Das wird auch das Elektroauto nicht ändern. Umweltschützer mahnen schon lange, dass es nicht nur eine Antriebs-, sondern eine wirkliche Verkehrswende brauche, damit der Mobilitätssektor wirklich grüner wird.

Ideen gibt es viele: weniger Parkplätze, mehr Carsharing-Dienste, aber vor allem billigere und bessere öffentliche Verkehrsmittel. Luxemburg etwa geht hier voran: Ab März ist das kleine Großherzogtum das erste Land der Welt, in dem man für Busse und Bahnen keine Fahrkarten mehr braucht.

Dabei müsse es doch noch nicht einmal umsonst sein, betont Günther Schuh, Chef des E-Auto-Herstellers Ego beim Handelsblatt Energiegipfel in Berlin. „Aber wenn es teurer ist, mit dem Bus in die Stadt zu fahren, als mit dem Auto dort zu parken, dann läuft irgendwas verkehrt“, mahnt der Aachener Professor und Unternehmer.

Die Idee der autogerechten Stadt aus den 1960er- und 1970er-Jahren, mit breiten Straßen, Stadtautobahnen und viel kostengünstigem Parkraum sind schon lange überholt. Das Ergebnis der Planung von damals sind unzählige Staus, Parkplatzmangel und schmutzige Luft.

Deswegen diskutieren Experten schon seit Jahren über mögliche neue und alternative Konzepte. Angebote wie Ridesharing, also Fahrdienste wie Uber, Moia oder Clevershuttle, die gleich mehrere Personen von A nach B bringen, aber auch der Umstieg vom eigenen Auto auf Carsharing-Anbieter wie DriveNow oder individualisierter öffentlicher Busverkehr, wie es in manchen Städten auch hierzulande schon ausprobiert wird, finden immer mehr Beachtung.

„Es gibt drei Trends für die Mobilität der Zukunft: die Entwicklung hin zum autonomen Fahren, der Wandel zur Elektromobilität und die geteilte Mobilität, also Shared Mobility“, erklärte Christoph Wolff, Leiter Mobilitätsinitiative des World Economic Forum auf dem Handelsblatt Energiegipfel in Berlin, der live aus Davos zugeschaltet war. Dort hat am Montag zeitgleich das Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums begonnen.

Wolff sieht in diesen drei Trends gleichzeitig die Lösung für die drängendsten Probleme. „Verschmutzung, Verstopfung und Unfälle sind drei negative Folgen unseres Mobilitätsverhaltens. Die Verkehrsautonomie bringt Sicherheit, die Elektromobilität löst das Problem der Verschmutzung, und Car- oder Ridesharing löst die Verstopfung der Innenstädte“, ist Wolff überzeugt. Eine ziemlich ideale Vision von einer Mobilität der Zukunft. Die Realität sieht aber oft noch anders aus.

Deutschlands Liebe zum eigenen Auto ist bislang ungebrochen. Fast 50 Millionen Pkws rollen über die Straßen – so viele wie noch nie. Besonders zu spüren ist das dort, wo viele Menschen auf engem Raum leben. In deutschen Großstädten kommen im Schnitt 450 Autos auf 1.000 Anwohner. Das hat eine Studie des Bundesumweltamts ergeben. Als erstrebenswert gelten gerade mal 150 Autos.

Die Folgen: Rekordstaus, neue Höchststände in den Unfallzahlen, Sorgen um die Luftqualität, die Umwelt und das Klima sowie Platzprobleme in den Städten. „Der ÖPNV muss so gut funktionieren, dass man keine Lust hat, morgens in sein Auto zu steigen“, fordert Ioki-Manager Stephan Pfeifer deswegen. Die Deutsche Bahn-Tochter versucht mit verschiedenen Konzepten im öffentlichen Nahverkehr, den individuellen Straßenverkehr zu entlasten. So wird die Software des Mobilitätsunternehmens beispielsweise in Krefeld genutzt, um den normalen ÖPNV-Betrieb durch Nach-Bedarf-Shuttles für mehrere Personen zu den Randzeiten zwischen 20 Uhr und vier Uhr nachts zu ergänzen.

Verkehrsplaner reden bei solchen Konzepten gern von einer Push-Pull-Strategie, um die Menschen mit Einschränkungen und Anreizen zum Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Dazu gehört beispielsweise auch die Idee des Bürgertickets zu einem Preis von jährlich 365 Euro.

„Das große Problem ist allerdings, dass solche Ideen und Pilotprojekte an der Stadtgrenze aufhören“, kritisiert Pfeifer. Zu selten schaue das Bundesland als Ganzes auf eine Situation, stattdessen mache jede Kommune ihr eigenes Ding. Das sei teilweise im Ausland schon anders. „Es gibt ein tolles Projekt in der Schweiz, wo sich drei Kantone zusammengetan haben“, erzählt Pfeifer. So etwas brauche es auch in Deutschland. Überhaupt mangele es weder an Ideen noch an Geld, es sei eher eine Frage der Umsetzung. „Der ÖPNV der Zukunft muss nicht teurer sein, er muss nur besser genutzt werden in der Auslastung“, argumentiert Pfeifer.

Dafür hat Streetscooter-Gründer Schuh schon seine ganz eigene Vision. Er schlägt die Gründung sogenannter Mobilitäts-Hubs vor. „Die Parkhäuser einer Stadt sind dann nicht mehr beim Einkaufszentrum, sondern am Innenstadt-Ring. Dann geht es gebündelt mit Ridesharing-Bussen so flott und billig weiter, dass das gar keiner mehr anders will“, schwärmt er – und ist damit nicht allein.

Eine ähnliche Vision scheint auch die schwedische Möbelhauskette Ikea zu verfolgen. In Wien plant der Konzern sein erstes Einrichtungshaus ohne Parkplatz. Das moderne Konzept des neuen Ikea-Markts richtet sich nach den aktuellen Megatrends. Dazu zählt auch eine neue Form von Mobilität – ganz ohne eigenes Auto. Dementsprechend kann man vor Ort nur kleine Teile erwerben, die zu Fuß, auf dem Fahrrad oder in der Bahn transportiert werden können.

Anders als beim Onlineshopping soll man im neuen Markt das Sortiment direkt sehen und anfassen können, aber nicht den Aufwand haben, es nach Hause transportieren zu müssen. Große Artikel werden, dem Trend der Bequemlichkeit folgend, binnen 24 Stunden von Ikea geliefert.

Wuppertal und ein paar andere Städte überlegen gar, das komplette Stadtgebiet zur autofreien Zone zu machen. Für den Weg hin zur autofreien Innenstadt gibt es einige Vorbilder: In der Innenstadt von Erfurt hat man den Verkehr konsequent auf den Anliegerverkehr beschränkt, und auch in Zürich und Wien hat man gute Erfahrungen mit autofreien Zonen gemacht. Dazu sei es aber auch notwendig ein sehr gutes Angebot im Nahverkehr vorzulegen, sagen Experten. 

Auch Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp warnt davor, den Bürgern zu viel auf einmal zu garantieren. „Wir müssen aufpassen, dass wir den Leuten nicht was versprechen, was in der Hochlaufphase überhaupt nicht leistbar ist. Wir haben von solchen Hubs überhaupt nichts, wenn die Fahrzeuge, die die Innenstadt erschließen wollen, noch gar nicht verfügbar sind oder im selben Stau stehen, den man eigentlich vermeiden wollte“, so Steinkamp.

Im Moment scheiterten zu viele Konzepte noch an den Hürden der Bürokratie, und ein neues Mobilitätskonzept brauche Zeit. Auch wenn viele Städte und Kommunen mittlerweile für Veränderungen bereit seien, dauere die Umsetzung solch ambitionierter Konzepte meist noch sehr lange. 
Mehr: Tokio präsentiert sich zu den Olympischen Spielen als Labor der Zukunft. Mit einem Feldversuch mit Robotertaxis will die Metropole Pionierarbeit leisten.

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