Click & Meet: Teure Illusion statt Rettung des Handels
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Einkaufen mit TerminClick & Meet: Die vermeintliche Rettung des Handels erweist sich als teure Illusion
Das Shopping mit individueller Terminvergabe ist für viele Händler teurer als die Schließung. Doch langfristig könnte es trotzdem eine gute Idee sein.
München, Düsseldorf Für das Traditionskaufhaus Schäffer in Osnabrück war es nur ein kurzes Vergnügen. Mit viel Aufwand hatte der Händler die Möglichkeit für Terminbuchungen über alle Kanäle geschaffen: per Online-Anmeldung auf der Homepage, per E-Mail, per Telefon in allen Fachabteilungen, per WhatsApp und am Ladeneingang. Personal war aus der Kurzarbeit zurückgeholt, die Schutzmaßnahmen vor Ort waren auf den neuesten Stand gebracht worden.
Doch nach einer Woche war es wieder vorbei. Da die Sieben-Tage-Inzidenz in Osnabrück deutlich über 100 gestiegen war, griff die „Notbremse“, die in den Bund-Länder-Beschlüssen vereinbart worden war. Die Geschäfte mussten wieder komplett schließen. „Das war sehr aufwendig und kurz“, stellte der geschäftsführende Gesellschafter Tobias Schonebeck enttäuscht fest.
Click & Meet, also das individuelle Shopping mit Terminvereinbarung, war dem Handel von der Politik als Perspektive aus der Existenzangst präsentiert worden, als erster Schritt einer Lockerung des Lockdowns. Doch diese Hoffnung trügt. Nach einer guten Woche zeigt sich in der Praxis: Ein Rettungsanker ist Click & Meet für den Handel nicht – und selbst für Geschäfte, die es weiter anbieten dürfen, rechnet es sich finanziell meist nicht.
„Die zaghaften Öffnungsperspektiven bieten Händlern keinen Ausweg aus ihrer Existenznot. Sie sind ein Verlustgeschäft“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. Nach einer Händlerumfrage lagen die Umsätze im Innenstadthandel in der vergangenen Woche trotz Click & Meet rund 30 Prozent unter der Vorjahreswoche. Und im März 2020 hatte der Umsatz pandemiebedingt auch schon unter dem normalen Niveau gelegen.
Das Problem: Das Terminshopping gut zu organisieren ist nicht nur viel Arbeit, es fallen in der Regel auf einen Schlag wieder die vollen Kosten an. Die können aber nur zum kleinen Teil durch Umsätze ausgeglichen werden.
„Click & Meet ist für uns nicht wirtschaftlich“, sagt Martin Kerner vom Outdoor-Shop Basislager in Karlsruhe. „Der Aufwand, im Vorfeld alles zu planen, sich Gedanken dazu zu machen und einzurichten, war erheblich, und zusätzlich auch mit Kosten verbunden.“
Kunden sind eher zurückhaltend
Die Resonanz sei eher bescheiden. In der ersten Woche seien meist mehr Verkäufer im Laden gewesen als Kunden.
Das deckt sich mit Umfrageergebnissen. So haben in einer YouGov-Umfrage in der vergangenen Woche 58 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich aktuell nicht vorstellen können, mit vorher vereinbartem Termin einkaufen zu gehen.
Dazu kommt: Viele Kunden verstehen nicht mehr, wann welches Geschäft unter welchen Umständen geöffnet hat – und bleiben deshalb gleich zu Hause.
Sieben-Punkte-Plan des Handels
Der Handel schlägt in seinem Konzept vor, die Kundenzahl pro Quadratmeter zu begrenzen. Diese Beschränkung soll durch Zugangskontrollen und bei Bedarf die Verweigerung des Eintritts streng kontrolliert werden.
Die Händler verpflichten sich, Desinfektionsmittel bereitzustellen und die Flächen immer wieder zu reinigen. An den Kassen wird wie im Lebensmittelhandel ein Spuckschutz installiert. Außerdem sollen die Geschäftsräume regelmäßig gelüftet werden.
Gut erkennbare Kundenleitsysteme im Eingangs- und Kassenbereich sollen die Besucher lenken, um Begegnungen und Engstellen zu vermeiden. Außerdem verpflichten sich die Unternehmen, die Wahrung der Abstände zu kontrollieren.
Selbstverständlich ist die unbedingte Verpflichtung zum Tragen von Masken, sowohl bei Mitarbeitern als bei Kunden. Um das zu unterstützen, sollen auch Masken für Kunden bereitgestellt werden. Als wichtiges Element sehen die Händler auch, das kontaktlose Zahlen weiter zu forcieren.
Wichtig ist, dass es keine gemeinsamen Pausen der Mitarbeiter gibt und Schichten streng getrennt werden. Die meisten Händler erfassen jetzt schon alle Neuinfektionen, verfolgen die Kontakte systematisch nach. Das soll Standard werden.
Um all diese Maßnahmen verlässlich durchsetzen zu können, kommt es sehr stark auf die Mitarbeiter an. Deshalb soll das Personal entsprechend geschult werden. Außerdem werden alle Maßnahmen transparent an die Kunden kommuniziert, um Vertrauen und Aufmerksamkeit zu schaffen.
All diese Maßnahmen nützen nichts, wenn die Händler nicht bereit sind, im Zweifel auf Umsatz zu verzichten, wenn Kunden sich nicht an die Regeln halten wollen. Deshalb verpflichten sich die Unternehmen, streng zu kontrollieren und Kunden bei Verstößen auch aus den Läden zu verweisen.
Das Personal entsprechend zu reduzieren ist jedoch für die meisten Händler keine Option. „Da wir für verschiedene Warengruppen spezialisierte Verkäufer haben, müssen eben auch einige da sein, um alles abzudecken“, sagt Kerner.
Auch Planbarkeit gibt es nicht. 40 Prozent aller Termine würden spontan an der Tür vereinbart. Das Problem: Allein dafür sei ein Mitarbeiter nötig, der bezahlt werden muss.
Große Unterschiede bei nachgefragten Produkten
„Wir brauchen eine starke personelle Besetzung, um zügig beraten und kassieren zu können und Wartezeiten im Ladengeschäft bestmöglich zu minimieren“, bekräftigt auch Unternehmer Schonebeck vom Kaufhaus Schäffer, das sich auf edles Geschirr und Gläser, Küchenutensilien und Spielzeug spezialisiert hat.
Beim renommierten Fachgeschäft Sporthaus Schuster in München vereinbaren pro Tag rund 1.000 Kunden einen Termin. Das klingt auf den ersten Blick nach einem großen Erfolg. Doch in normalen Zeiten drängen sich pro Tag rund 5000 Kunden auf den 3000 Quadratmetern Verkaufsfläche.
„Die Kunden im Haus sind entspannt und sehr froh, wieder beraten zu werden“, sagt Geschäftsführer Konstantin Rentrop. Doch eine längerfristige Lösung ist es für ihn nicht. „Die laufenden Kosten wie Strom und Personal müssen von uns nahezu zu 100 Prozent getragen werden, die Umsätze sind aber bei nicht mal 50 Prozent.“
Rentrop hat auch die Sorge, dass „die Umsätze der ersten Woche zu positiv waren, weil es aufgestauter Konsum war“. Außerdem sieht er sehr große Unterschiede beim Sortiment, viele Artikel bleiben trotz Terminshopping liegen. „Die Umsätze werden in nur ganz wenigen Warenbereichen wie Running, Bike und Bergschuhe gemacht, viele andere Bereiche wie Reise, Trekking oder Klettern sind verwaist“, sagt der Sport-Schuster-Geschäftsführer.
Höherer Umsatz pro Einkauf
Auch Fachleute sind skeptisch. „Aus meiner Sicht stellt das seitens der Politik als Heilsbringer für den Handel gepriesene Click & Meet generell keine Erleichterung dar“, sagt Matthias Schu, Handelsexperte an der Hochschule Luzern. Es rechne sich höchstens für Händler mit beratungsintensiven Sortimenten mit hohen Gewinnmargen, wie beispielsweise Juweliere, Anbieter von Designermode, Fahrradhändler oder Optiker. „Alle anderen zahlen eher drauf.“
„Die Variante, mit einer Handvoll Leuten das Onlinegeschäft zu machen, und der Rest ist in Kurzarbeit, wäre wirtschaftlich besser für uns“, bestätigt Outdoor-Händler Kerner. Er traue sich aber auch nicht, den Laden einfach zuzulassen. „Wir fürchten, die Botschaft wäre für viele, die haben es wohl nicht nötig“, beschreibt er das Dilemma vieler Händler.
Auch wenn das Shopping mit Termin damit keine Alternative zur vollständigen Öffnung ist, können die meisten Experten jedoch langfristig dem Einsatz von Click & Meet als Zusatzservice zum normalen Geschäft einiges abgewinnen. Handelsexperte Werner Reinartz von der Universität Köln empfiehlt, das Terminshopping gezielt den Topkunden anzubieten. „Das wird dort tatsächlich zum Mehrwert für den Kunden und rentiert sich durch entsprechende Warenkörbe“, sagt er.
Click & Meet als Anstoß für neue Lösungen
Diese Erfahrung hat Heinrich Quast, Inhaber eines Modehauses in Harsefeld in Niedersachsen, bereits in der vergangenen Woche gemacht. „Das Personal Shopping hat uns einen überdurchschnittlichen Umsatz pro Kunde gebracht“, berichtet er. Auch sei der Anteil der Kunden, die tatsächlich etwas gekauft haben, viel höher. Wer extra einen Termin gemacht hat, verlässt schließlich ungern ohne einen Einkauf das Geschäft.
Um Click & Meet langfristig zu etablieren, müssten Händler aber ihr Geschäftsmodell anpassen, mahnt Sven Kramer, Geschäftsführer der Digitalisierungsberatung Liquam. Einfach das alte Konzept mit Click & Meet anzubieten werde vielen Händlern wenig helfen.
„Es könnte aber ein Anstoß sein, um neue Lösungen für das sich ohnehin verändernde Kundenverhalten zu finden“, rät er. Dann könne beispielsweise das Geschäft zum Showroom werden, und die eigentliche Leistung des Händlers liege in der Personalisierung des Angebots und in einer hohen Beratungs- und Servicequalität.
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