Konsum Rekordfinanzierung für Onlineshop Motatos: Start-up sammelt 35 Millionen Euro ein

Motatos hat knapp 100.000 Kunden, die Rabatte von teils mehr als 50 Prozent einstreichen.
Düsseldorf Ein falsches Abtropfgewicht, geringe Haltbarkeit, Druckfehler auf der Verpackung: Der Onlineshop Motatos verkauft Lebensmittel, die Supermärkte aus formalen Gründen ablehnen. Für ihr Wachstum in Deutschland und die internationale Expansion hat die Firma nun ihre bislang größte Finanzierungsrunde abgeschlossen, wie das Handelsblatt exklusiv erfuhr. Gullspang Refood Invest und SEB Private Equity aus Stockholm investieren insgesamt 35 Millionen Euro in das Start-up.
In Deutschland ist Motatos, ein Ableger des 2014 gegründeten schwedischen Mutterkonzerns Matsmart, seit etwa neun Monaten auf dem Markt. Die bisherigen Ergebnisse hätten alle Erwartungen übertroffen und einen großen Anteil daran gehabt, die Investoren zu überzeugen, sagt Motatos-Deutschlandchef Alexander Holzknecht. „Wenn’s in Deutschland funktioniert, hast du die Feuertaufe bestanden.“
Das Potenzial ist so riesig wie das Ausmaß der Verschwendung: In Deutschland landen jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll – einen Bruchteil davon kann Motatos retten. Der Onlinehandel, über den die Firma die Produkte ausschließlich vertreibt, ist im Lebensmittelbereich noch ausbaufähig. Nach einer Prognose des Instituts für Handelsforschung werden bis 2025 bis zu 3,6 Prozent der Umsätze im Lebensmittelhandel online gemacht werden. Seine Wachstumsprognose hatte Holzknecht zuletzt mehrfach angehoben. Für das laufende Jahr erwartet er mehr als 20 Millionen Euro Umsatz, nach vier Millionen Euro im zweiten Halbjahr 2020.
Motatos hat knapp 100.000 Kunden, die Rabatte von teils mehr als 50 Prozent einstreichen. „Manchmal kommt eine ganze Charge eingelegter Früchte, die noch mehr als ein Jahr haltbar sind, nicht in den Supermarkt, weil im Abfüllungsprozess die Maschine einen Fehler gemacht hat“, sagt Holzknecht. Dann fehle pro Glas etwa eine Beere. Die Folge: Eigentlich müsste das Etikett mit einem neuen Abtropfgewicht neu beschriftet werden. „Das können die Supermärkte nicht gebrauchen, wir aber schon.“ Die Marge verrät Holzknecht nicht, sie hänge „sehr von der Warengruppe, der Menge und den Fehlern ab, die das Produkt hat“.
Sonja Pannenbecker von der Verbraucherzentrale Bremen sagt, Beispiele wie Motatos zeigten, „was direkt in der Industrie weggeworfen wird und überhaupt nicht in den Handel gekommen wäre“. Den überwiegenden Teil der von der Industrie direkt weggeworfenen Lebensmittel stuft Pannenbecker als vermeidbar ein. Damit sind Lebensmittel gemeint, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch genießbar sind oder die bei rechtzeitigem Verzehr genießbar gewesen wären.
Start-ups gegen Lebensmittelverschwendung: Hohe Akquisekosten
Mit dem Geschäftsmodell ist Motatos aber nicht allein: Start-ups wie Too Good To Go (TGTG) setzen sich gegen Lebensmittelverschwendung ein und nutzen den Überfluss an Waren, um damit Geld zu verdienen. Über eine App können sich Kunden beim Bäcker, Restaurant oder Supermarkt in der Umgebung eine sogenannte Magic Bag kaufen: eine Wundertüte mit Essen, das die Läden sonst wegwerfen würden. Im Januar sammelte das dänische Unternehmen 31 Millionen US-Dollar für die Expansion in den USA ein.
„Die Hoffnung ist, dass durch die Start-ups die Aufmerksamkeit für das Problem der Lebensmittelverschwendung gesteigert wird“, sagt Pannenbecker. Profitabel in Deutschland sind nach eigenen Angaben aber weder TGTG noch Motatos. Holzknecht rechnet für Motatos frühestens 2023 damit.
Den Grund dafür kennt Alexander Pöhl, Handelsexperte bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman: „Die Akquisekosten sind aktuell sehr hoch“, denn es finde ein Verdrängungskampf auf dem Markt statt. Am Ende werde sich der Anbieter durchsetzen, der die meisten Kunden habe – wie bei den Lieferdiensten. Diese Phase werde noch einige Jahre andauern, meint Pöhl. „Grundsätzlich sind das aber Konzepte, die sich tragen können.“
Motatos ist neben Deutschland und Schweden auch in Finnland und Dänemark aktiv. Mit dem frischen Geld der Investoren solle Motatos vor allem die Entwicklung in Deutschland vorantreiben, erklärt Manager Holzknecht. Schon bald würden aber auch weitere Länder hinzukommen. Welche, das will er noch nicht verraten.
Mehr: Das Start-up Too Good To Go will Essen retten und Gewinn machen.
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Lieber Herr Goldkorn,
vielen Dank für den Hinweis, wir haben das korrigiert!
Viele Grüße aus der Redaktion
Zwei kurze Anmerkungen:
1. 18 Millionen Tonnen sind es jährlich alleine in Deutschland, weltweit sind es 1,3 Milliarden Tonnen (Quelle WWF 2017; hier die Themenseite: https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/lebensmittelverschwendung/das-grosse-wegschmeissen).
2. Gibt es auch Unternehmen, die sich diesen gesellschaftlichen Herausforderungen ohne Investorengelder stellen und wir freuen uns, wenn Sie auch über uns berichten :)
www.querfeld.bio