Die Massen strömen, das Bier auch: Oktoberfest. Aus aller Welt reisen Menschen nach München, um das größte Volksfest der Welt zu erleben. Am nächsten Samstag (20. September) startet die Wiesn mit dem Anzapfen des ersten Bierfasses und Böllerschüssen.
Es geht nicht um mehrere und schon gar nicht um grüne Wiesen. Sondern um eine einzige: die Theresienwiese. Von saftigem Gras ist maximal an den Rändern etwas zu sehen - das 34,5 Hektar große Festareal ist kiesig und von Teerstraßen durchzogen. Sie bekommen zum Fest Namen: Wirtsbudenstraße, Schaustellerstraße und Matthias-Pschorr-Straße - andere Straßen sind einfach nummeriert, etwa Straße 3 Ost.
Im Jahr 1810 feierten Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I., und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ihre Hochzeit als großes Volksfest. Es sollte vier Jahre nach der Proklamation des Königreichs das Gemeinschaftsgefühl fördern und die Ausrichtung auf die Residenzstadt München sowie die Wittelsbacher unterstreichen. Ein Höhepunkt war ein Pferderennen auf der damals tatsächlich noch grünen Wiese.
Das ist eine mehr als 60 Jahre alte Geschichte. Sie begann mit Oberbürgermeister Thomas Wimmer 1950. Angeblich fuhr er auf dem Wagen der Wirte-Familie Schottenhamel mit - und der Wirt ließ ihn spontan anzapfen. Es gibt eine andere Version, nach der das Anzapfen sehr wohl geplant war - setzte Wimmer doch damit ein Zeichen für Volksnähe und Neuanfang.
Seitdem ist die Eröffnung des Festes Privileg des Stadtoberhauptes. Die Zahl der Schläge ist durchaus relevant für dessen Ansehen - ein speziell münchnerischer Maßstab für Potenz und Können. Brauchte Wimmer beim ersten Mal 19 Schläge, so perfektionierte Christian Ude das Anzapfen und schaffte es als erster OB mit nur zwei Schlägen. Dafür übte er mit seinem Trainer, dem Brauer Helmut Huber.
Erst mal: Die Maß. Mit kurzem a. Sie umfasst selbst schlecht eingeschenkt wenigstens 0,9 Liter. Das ist eine ganze Menge, denn das Wiesn-Bier hat zwischen 5,8 und 6,4 Prozent Alkohol, normales Bier nur etwa 5 Prozent. Das Bier wird von sechs Brauereien speziell für die Wiesn gebraut. Beim ersten Oktoberfest kostete das Bier übrigens drei Kreuzer und drei Pfennige. Inzwischen liegt der Preis bei bis zu 10,10 Euro.
Am Besten: Unter der Woche tagsüber. Da geht eigentlich immer etwas. Ansonsten: Einladen lassen. Denn selbst Monate vorher ist es praktisch aussichtslos, einen der begehrten Tische zu reservieren. Die Stammgäste haben bei den Wirten meist Vorrang - und damit sind die Reservierungen auch schon ausgeschöpft. Es gibt komplexe Regeln, nach denen stets Teile des Zeltes unreserviert bleiben müssen.
Manche Gäste stecken der Bedienung ein paar Scheine zu, damit sie Plätze frei räumt. Wird sie vom Wirt dabei erwischt, fliegt sie raus - die Gäste unter Umständen gleich mit. Wer einmal im Zelt ist, sollte es nicht leichtfertig verlassen - und dabei gar Klamotten liegen lassen, um den Platz zu reservieren. Die Zelte werden regelmäßig wegen Überfüllung geschlossen. Und dann gibt es keinen Weg zurück.
Da sind die Münchner locker. Für sie gilt: Leben und leben lassen. Wer glaubt, mit den rund um die Wiesn erhältlichen Dirndl und Lederhosen trage er richtig Tracht, der liegt daneben. Eine echte Lederhose sollte aus Hirschleder sein. Mit dem traditionellen Zubehör vom Gamsbart zum Charivari - eine Art Bauchschmuck aus Silber für den Herrn - sind vierstellige Beträge weg. Für ein echtes Trachtendirndl auch.
Billige Klamotten outen den Träger leicht als „Zuagroasten“ (Zugereisten). Das gern verkaufte karierte Hemd etwa passt zum Bergsteigen oder Holzhacken - aber nicht zur Lederhose. Zu der gehört ein weißes Leinenhemd. Unter Einheimischen verpönt: zu kurze Dirndl - also alles, was oberhalb des Knies endet. No go: Frau in Lederhose. T-Shirts mit „Leistungstrinker“ müssen auch nicht unbedingt sein.
Tatsächlich: Trägt sie die Schleife der Schürze links, ist sie frei - es darf also ein Versuch gewagt werden. Ist die Schürzenschleife rechts gebunden, bedeutet das: Verheiratet oder jedenfalls in festen Händen. Schleife in der Mitte: Jungfrau. Schleife hinten: Verwitwet, Kellnerin - oder keine Einheimische, so bindet man eben auch die gemeine Küchenschürze.
Weil so viele Damen das Dirndl ohne Gebrauchsanweisung gerade erst an der Bude auf dem Weg zur Wiesn gekauft haben, geraten die Schleifenregeln durcheinander - und stiften so genau das Unheil und die Verwirrung, die sie ursprünglich verhindern sollten.