Matthias Zachert „Wir werden nicht stillstehen“: Lanxess-Chef treibt Expansion mit Zukäufen voran

Der Lanxess-Chef setzt voll auf Wachstum
Düsseldorf In einer der ersten Vorstandssitzungen des Jahres hatte Lanxess-Chef Matthias Zachert die neue Marschrichtung ausgegeben: 2021 werde für den Kölner Spezialchemiekonzern ein Jahr der Expansion – trotz Pandemie und globaler Krise. Am Dienstag verkündete der CEO nun die nächste milliardenschwere Übernahme. Lanxess kauft für 1,1 Milliarden Euro vom US-Konzern IFF das Geschäft mit antimikrobiellen Schutzprodukten.
„Die Zukäufe in diesem Jahr zeigen deutlich, mit welcher Stärke Lanxess nach der heftigsten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte unterwegs ist“, sagte Zachert dem Handelsblatt. Die Pandemie hat den Kölnern nur kurz zugesetzt, die gesamte Chemiebranche brummt seit Monaten. Lanxess hat kürzlich seine Gewinnprognose weiter angehoben.
Es ist bereits der vierte Zukauf der Kölner in diesem Jahr. Gerade erst hat Lanxess die im Februar verkündete Übernahme des US-Konzerns Emerald Kalama im Volumen von 900 Millionen Euro abgeschlossen, dazu kommen zwei kleinere Transaktionen in Frankreich. Bei allen Deals dreht es sich um Inhalts-, Schutz- und Hygienestoffe, etwa für Getränke und Nahrungsmittel sowie Reinigungs- und Kosmetikprodukte.
Mehr als zwei Milliarden Euro hat der Konzern seit Januar für externe Verstärkungen ausgegeben – ein Volumen, das einem Drittel des 2020 erzielten Umsatzes entspricht. Damit ist Lanxess in der europäischen Spezialchemie zu einer wahren M&A-Maschine geworden. Konkurrenten wie BASF verzichten aktuell auf größere Zukäufe, andere wie Evonik verstärken sich in kleinerem Maßstab.
Jetzt wollen die Kölner die Übernahmen aber erst mal verdauen. „In den kommenden zwölf Monaten liegt der Fokus auf einer handwerklich sauberen Integration der aktuellen Zukäufe“, sagte Zachert.
Allerdings hat der Konzern schon mehrfach bewiesen, dass er zu überraschenden Vorstößen bereit ist. „Klar ist auch: Lanxess wird nicht stillstehen“, erklärte Zachert. „Die Transformation auf ein höheres Niveau wird weitergehen, und wir werden die Neuordnung in der Chemieindustrie in den nächsten Jahren weiter mitgestalten.“
Höheres Niveau – das bedeutet für den Chemiekonzern, dass er lukrative Nischen im globalen Maßstab besetzen will. Massengeschäfte, bei denen es um Großanlagen und reines Kostenmanagement geht, sind schon länger tabu.
Zachert stärkt die Sparte Consumer Protection
Lanxess hatte da schlechte Erfahrungen gemacht, als der Konzern vor gut zehn Jahren massiv ins Kautschukgeschäft investierte. Der spätere Preiskampf und der Margenverfall in diesem großvolumigen Geschäft hatten den Konzern 2013 in eine Krise gestürzt. „Unsere Stoßrichtung lautet klar: Klasse statt Masse“, erläutert Zachert.
Mit der Übernahme vom Dienstag stärkt der Konzern seine Sparte Consumer Protection, die sich auf verbrauchernahe chemische Schutzprodukte konzentriert. Die Stoffe, die IFF herstellt, kommen in Konservierungs- und Desinfektionsmitteln zum Einsatz, aber auch in Haushaltsprodukten und der industriellen Wasserbehandlung.
Durch die Zukäufe von Emerald Kalama und der IFF-Sparte wird das erst im vergangenen Jahr gegründete Segment das volumenstärkste im Portfolio von Lanxess. Hier vereint der Konzern Aroma- und Duftstoffe, Konservierungsmittel, Desinfektionsprodukte sowie Wirkstoffe für Arzneien und Agrarprodukte. Zachert strebt hier eine globale Führungsrolle an.
Es geht aber nicht um schiere Größe, wie der CEO betont: „Mit den jüngsten Zukäufen verstärken wir Kernbereiche, in denen technische Kompetenz unabdingbar ist und man sich vom Wettbewerb differenzieren kann.“
Dem Manager ist klar: Im kapitalintensiven Chemiegeschäft, in dem es um Produktions- und Kostenführerschaft geht, kann ein Konzern wie Lanxess im globalen Wettbewerb mit Konkurrenten aus dem Nahen Osten und China nicht mithalten – wohl aber, wenn es um Patente, Wirkstoffe, Formulierungen und Daten geht.
Verbrauchernahe Chemieprodukte sind einer strikten gesetzlichen Regulierung ausgesetzt, und dies dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen. Die verschärften Standards dürften dazu beigetragen haben, dass Firmen wie IFF in ihrem Portfolio aufräumen und Anbieter wie Lanxess nun davon profitieren.
Dies liefert neben den strategischen Zielen den zweiten Grund für den aktuellen Übernahmekurs des Kölner Konzerns: Lanxess wollte die Gunst der Stunde nutzen, denn in kurzer Zeit sind mehrere attraktive Verkaufskandidaten in der verbrauchernahen Chemie auf den Markt gekommen.
IFF konzentriert sich künftig ganz auf Aroma-, Duft- und Pharmawirkstoffe und folgt dem Schweizer Konkurrenten Lonza, der seine Spezialchemiesparte bereits abgestoßen hat und sich auf den Gesundheitsbereich fokussiert. Für die Lonza-Geschäfte hatte sich auch Lanxess interessiert, doch sie gingen im Februar für 3,9 Milliarden Euro an Finanzinvestoren.
Lanxess hofft auf hohe Synergien
Günstig sind die Kaufpreise im aktuellen Boom der Spezialchemie nicht. Lanxess zahlt für die IFF-Sparte brutto rund das 13-Fache des bereinigten Gewinns (Ebitda), was im oberen Bereich vergleichbarer Deals liegt. Die Einheit kam 2020 auf einen Umsatz von 450 Millionen Dollar und ein Ebitda von 100 Millionen Dollar.
Lanxess setzt aber auf hohe Synergien, die ein zusätzliches Ebitda von 35 Millionen Dollar bringen sollen. Dies eingerechnet sinkt der Kaufpreis auf das 9,6-Fache des Gewinns. Bei der Marge übertreffen die IFF-Geschäfte mit 22 Prozent bereits die Zielvorgaben des Vorstands: Die jetzt bei Lanxess verstärkten Einheiten sollen insgesamt mehr als 20 Prozent Rendite erwirtschaften.
Finanziell bereitet der Übernahmekurs Lanxess keine Probleme. Die ersten drei Zukäufe in diesem Jahr konnte der Konzern aus bestehenden Reserven bezahlen. Die IFF-Sparte wird mit Fremdkapital finanziert, der Konzern wird dazu in den kommenden Monaten Anleihen platzieren. Das Investmentgrade-Rating soll beibehalten werden.

Der Konzern wird vom aktuellen Boom in der Chemieindustrie getragen.
Der Vorstand hat laut Zachert sehr genau abgewogen, wie herausfordernd die Übernahmen für das Unternehmen werden. Er sei zuversichtlich, dass die Integration gut gelingen wird, denn die internen Teams seien darin durch die Zukäufe der vergangenen Jahre erfahren.
Dazu kommt: „Die Komplexität ist überschaubar.“ Bei Emerald Kalama muss Lanxess letztlich nur drei Werke integrieren, die operative Zusammenführung soll dieses Jahr abgeschlossen sein. Bei IFF sind es nur zwei Werke mit 270 Mitarbeitern. Deren Integration steht erst ab Frühjahr 2022 an, wenn die Amerikaner die Geschäftseinheit ausgegliedert haben.
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