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Anlagenbauer Siempelkamp Die Firma, die die Welt vermöbelt

Der Krefelder Anlagenbauer Siempelkamp stellt für die großen Möbelkonzerne Spanplatten her – und Castoren für Atommüll. Doch nun muss die Firma in der Heimat drastisch Jobs abbauen, um sich anderswo neu zu erfinden.
28.07.2016 - 15:31 Uhr Kommentieren
Große Gussteile sind eine Spezialität des Anlagenbauers. Quelle: PR
Verladung im Krefelder Werk von Siempelkamp

Große Gussteile sind eine Spezialität des Anlagenbauers.

(Foto: PR)

Krefeld Spanplatten und ihre Verarbeitung versetzen Bundesbürger eher selten in Erregung. Hans Fechner verfügt da über ein anderes Naturell. Der 62-Jährige gerät hemmungslos ins Schwärmen, wenn er zum Beispiel von seiner neuen Conti-Roll spricht, der jüngsten Generation von Anlagen zur Herstellung der Holzplatten. Da geht es um Feinheiten wie eine neue Streutechnologie, die nun mal wichtig ist für Fechners Kunden, die größten Möbelproduzenten der Welt.

Diesen Enthusiasmus muss man wohl mitbringen, wenn man wie Fechner 14 Jahre an der Spitze des Krefelder Familienkonzerns Siempelkamp stehen will. Und auch wenn er sich als Sprecher der Geschäftsführung mehr um strategische Fragen zu kümmern hat – Fechner scheint jedes Schräubchen seiner Maschinen zu kennen, mit denen er dann quasi die Welt vermöbelt.

Auch als Chef eines Unternehmens mit immerhin 570 Millionen Umsatz und weltweit 3.000 Mitarbeitern hält er den Kontakt zur Basis. Mit seinen Ingenieuren diskutiert Fechner gern auf Augenhöhe. „Es gibt Bereiche, in denen ist man tiefer drin als in anderen“, sagt er mit leichtem Understatement, „aber man kann ja nicht alles wissen.“

Der ehemalige Babcock-Manager, der 2002 zu Siempelkamp nach Krefeld kam, hat den Guss- und Pressenspezialisten zu dem gemacht, was er heute ist: ein Weltmarktführer, der neben dem Spanplatten-Business auch in der High Tech zu Hause ist. Siempelkamp liefert auch riesige Spezialpressen für Auto- und Flugzeugkomponenten und ist obendrein Hersteller der Castoren für den Transport und die sichere Aufbewahrung von Atommüll. „Leadership in technology“ nennt Fechner das, und genau darin sieht er die Nische für das mittelständische Familienunternehmen vom Niederrhein. „Wir bewegen uns in fortschrittlichen Technologien und versuchen dabei immer, eine Spitzenstellung zu erreichen.“

So wird Siempelkamp bis Anfang 2017 den Zerkleinerungsspezialisten Pallmann aus Rheinland-Pfalz komplett übernehmen – eigentlich als Ergänzung für die wichtigste Sparte des Konzerns, die für Holzwerkstoffe. Aber Fechner denkt weiter: Pallmann ist auch führend in der Zerkleinerung und Aufarbeitung alter Autoreifen – eine Technologie, die sich auf den kompletten Recyclingbereich ausweiten lässt. 

Neue Chancen erkennen und sich wandeln – das gehört für ihn zum täglichen Geschäft. „Wir sind schnell, und wir sind flexibel“, sagt er. „Wenn sich etwas nicht mehr trägt, suchen wir etwas anderes.“ Nur komplex muss es sein und technologisch anspruchsvoll, denn mit Allerweltsprodukten kann sich das Unternehmen mit seinen starken deutschen Wurzeln langfristig nicht gegen die Konkurrenz insbesondere aus Südostasien behaupten. Und die wird immer stärker.

Die Hälfte der Jobs fallen im Stammhaus weg

Deshalb baut der promovierte Elektro- und Nukleartechniker die Firma derzeit kräftig um. Wieder einmal. Es sind die politischen Krisen der Welt, die eine Verschiebung der Nachfrage ausgelöst haben und auf die Siempelkamp reagieren muss.

Russland sei als wichtiger Markt quasi über Nacht ausgefallen, die Türkei dränge sich ins politische Abseits, was nicht ohne Folgen fürs Geschäft bleiben wird, orakelt Fechner. Und die Folgen des Ausstiegs der Briten aus der EU seien noch gar nicht absehbar. „Das ist eine Zäsur für viele Mittelständler und damit auch für uns“, stellt er nüchtern fest. 

Aber lamentieren hilft nicht: „Wir müssen mit diesen Rückschlägen leben und das Unternehmen an die neuen Rahmenbedingungen anpassen.“ Um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, muss er bis Ende 2017 350 seiner rund 2.000 Jobs in Deutschland abbauen. Im Gegenzug wird an den bereits existierenden Standorten in China und Tschechien das Personal kräftig aufgestockt.

Vor allem der Standort Krefeld ist von den Personalmaßnahmen betroffen – rund die Hälfte der wegfallenden Jobs betrifft das Stammhaus, insbesondere die Gießerei. Fechner konzentriert die Sparte auf spezielle Gussteile, für die noch auskömmliche Preise bezahlt werden – auch für einen Produzenten an einem Hochlohnstandort. Experten wie Max Schumacher, Hauptgeschäftsführer vom Branchenverband BDG, sind von der Strategie angetan: „Siempelkamp bewegt sich technisch hier auf einem außerordentlich hohen Niveau.“ Zudem baut Fechner die Position der Firma auf dem wichtigen Markt in China aus – auch um den Firmen aus dem Reich der Mitte mehr Konkurrenz zu machen. „Wir werden dort produzieren, wo unsere Kunden sind“, sagt er dazu. Der Servicebereich wird ausgeweitet, die lange Zeit erfolgreiche Nukleartochter konzentriert sich nach dem deutschen Atomausstiegsbeschluss auf die Herstellung der Spezialbehälter, das Ersatzgeschäft und den Rückbau von Atomkraftwerken, vornehmlich in den USA. Dort hat Siempelkamp bereits erfolgreich zwei Reaktor-Druckbehälter im Kernkraftwerk Zion im US-Bundesstaat Illinois demontiert.

Rückhalt bei den Gesellschaftern

„Dafür braucht man schon ein spezielles Know-how“, heißt es in der deutschen Atomwirtschaft. Es bedürfe der Kombination aus etablierter Technik und dem präzisen Wissen, wie man solche Lösungen im Umfeld von Atomanlagen einsetzt. So stellt der Anlagenbauer aus Krefeld die Software zur Berechnung der Kosten, übernimmt die Planung von Personalkapazitäten, Terminen und Maschineneinsatz und überwacht mit seinen Experten den mitunter mehrere Jahre dauernden Rückbau eines Atomkraftwerks.

Nächstes Jahr soll Siempelkamps Neuausrichtung abgeschlossen sein. Fechner kann bereits erste Erfolge vorweisen. So macht der Schwerguss am Stammsitz Krefeld mit verringertem Personal und einer um ein Drittel gekappten Kapazität den gleichen Umsatz wie zuvor und arbeitet nach dem Umbau der Sparte wieder profitabel.

Vier Jahre wird Fechner das Familienunternehmen nach heutigem Stand noch führen. Er könne auch länger arbeiten, wenn er denn wollte. „Es würde mich wahrscheinlich niemand daran hindern“, kokettiert er. Denn Fechner genießt den Rückhalt der 24 Gesellschafter aus der Familie und des vierköpfigen Beirats, in dem ebenfalls zwei Familienmitglieder sitzen. „Ich bin dankbar, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem Werte und Ethik noch immer eine wichtige Rolle spielen“, sagt er.

 In seiner Karriere hat er auch schon  andere Zeiten erlebt: als er noch in Diensten des Oberhausener Babcock-Konzerns stand und zuletzt Vorstandsvorsitzender von dessen Tochter Balcke-Dürr war. Umbrüche, Aufspaltungen, Liquiditätsmangel waren dort an der Tagesordnung. Doch bei aller Wertschätzung des Arbeitsumfelds bei Siempelkamp, ein Romantiker ist Fechner nicht: „Am Ende müssen wir Geld verdienen, um unsere Unabhängigkeit zu sichern.“

Dafür will er noch bis zum Jahr 2020 sorgen. Dann soll aber wahrscheinlich Schluss sein. Schrittweise auszuscheiden, etwa über so etwas wie Altersteilzeit, sei in einem mittelständischen Unternehmen schwierig, sagt er. „Mit dann 66 Jahren werde ich mir etwas anderes überlegen müssen.“ Ideen dazu hat der bekennende Italienfan reichlich: „Ich habe eine ganze Liste von Dingen, die ich mit meiner Frau gern unternehmen möchte.“ 

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