Unternehmer und Ex-„Höhle der Löwen“-Juror Was Jochen Schweizer mit seinen Pro-Sieben-Millionen vorhat
München An Unternehmergeist und Vermarktungstalent hat es Jochen Schweizer, 60, nie gemangelt. Im schwarzen Rollkragenpulli sitzt der Abenteurer in seiner Arena bei München und trinkt einen Blaubeer-Protein-Power-Shake.
Den Becher ziert sein Gesicht, als Juror hatte er bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ in das Fruchtpulver-Start-up Frooggies investiert. Seinen Gästen serviert er einen Energieriegel – „Superfood Bar“ heißt das in seiner Marketingsprache.
Das Rezept hat er selbst aus neun Früchten zusammengestellt, die handverlesenen Goji-Beeren stammen aus Tibet. Die Riegel will er in der Arena verkaufen und wohl bald auch anderswo. „Jetzt baue ich eine Superfood-Company auf“, schwärmt der Unternehmer.
An Kapital für diese und andere Ideen mangelt es ihm nicht. Das Erlebnisgutscheingeschäft hat er gerade erst an Pro Sieben Sat 1 verkauft. 80 Millionen Euro bekam er nach Informationen des Handelsblatts dafür ausgezahlt, dazu weitere 17 Millionen Euro, die er direkt wieder in eine Beteiligung an der neuen Holding investiert hat. In dieser hat der TV-Konzern die Jochen-Schweizer-Aktivitäten mit dem eigenen Gutscheinanbieter Mydays zusammengefasst.
Im Gespräch mit dem Handelsblatt erzählt der frühere Stuntman nun erstmals, was er mit dem Geld vorhat. „Ich habe mein Geld immer in die Firma investiert, und das werde ich auch jetzt wieder tun“, sagt er. Für ihn sei die Überweisung kein Profit. Er tausche ja nur einen Wert, den er in Form des Unternehmens geschaffen habe, gegen andere Werte in Form neuer Projekte und Firmen. 1.000 Geschäftsideen würden ihm jedes Jahr präsentiert, am liebsten aber investiert er in eigene Ideen.
Da ist zum einen die Jochen Schweizer Arena bei München mit stehender Surfwelle und Windkanal für das Skydiving, die ihm als Kerngeschäft verblieben ist. In den ersten neun Monaten kamen rund 300.000 Tagesbesucher, 200 Firmenveranstaltungen fanden statt.
Besonderen Spaß hat Schweizer an der Gastronomie. „Wir haben eine extrem ambitionierte Küche.“ Schweizer plant nun ein angrenzendes Tageszentrum mit zwei Hoteltürmen für insgesamt mehr als 30 Millionen Euro. Die Gesamtinvestitionen könnten sich, unterstützt von Investoren, auf 60 Millionen Euro belaufen.
Klaus Michael Machens, Berater und Präsident des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen, hat die Arena besichtigt und hält Schweizers Expansionspläne grundsätzlich für schlüssig. „Er vereint mehrere Trends sehr gut, die derzeit laufen.“
So setzten viele Parks auf Hotels, um „Übernachtung und Erlebnis zu kombinieren und das Erlebte so zu vertiefen“. Zudem sei die Ausrichtung auf Firmenevents sinnvoll. Viele Unternehmen würden Angebote wie Hochseilgarten oder Freiflug für das Teambuilding nutzen.
Das Gutscheingeschäft soll derweil bei Pro Sieben Sat 1 eine Zukunft haben. Erstmals spricht Schweizer detaillierter über den Verkaufsprozess. Ursprünglich hatte er einen Börsengang anvisiert. Doch mit externen Investoren an Bord hätte er sich längerfristig binden müssen.
„Aber der Sinn ist es ja, frei zu leben.“ Also schwenkte er um, wollte verkaufen. Das Interesse war groß, am Ende blieben drei Bewerber übrig: Pro Sieben Sat 1 mit Mydays als Nummer zwei am Markt, ein weiterer Stratege und ein Finanzinvestor. „Es gab etliche Gebote deutlich über 100 Millionen Euro und teilweise signifikant höher als die Offerte von Pro Sieben Sat 1“, sagt er.
Bei Vertragsabschluss wurden das Gutscheingeschäft und die insgesamt fünf Firmen, die den Besitzer wechselten, inklusive Schulden mit 108 Millionen Euro bewertet. Bei einem operativen Gewinn (Ebitda) von etwa zehn Millionen Euro im Jahr 2016 entspricht dies einem Multiple von etwa elf, eine laut Brancheneinschätzung relativ moderate Bewertung des Geschäfts mit etwa 75 Millionen Euro Umsatz.
Was den Ausschlag gegeben habe? Die „gemeinsame Vision, wie wir durch die Verbindung des dominierenden Marktführers mit dem Follower Mydays Mehrwert und Wachstum schaffen können“, meint Schweizer. „Diese Vision fand ich überzeugend, ich freue mich, als Gesellschafter und Beirat an Bord zu sein.“
Mitten im Verkaufsprozess machten dann Spekulationen über die Solidität des Geschäfts die Runde. Ein anonymer Brief wies darauf hin, dass die Kerngesellschaft, die Jochen Schweizer GmbH, nach Handelsgesetzbuch bilanziell überschuldet sei. Das „Manager Magazin“ nannte Schweizer einen „Luftikus“.
Hintergrund der Spekulationen ist die Tatsache, dass die Anbieter ihre Vermittlungsprovision erst als Umsatz verbuchen dürfen, wenn der Gutschein eingelöst wird. Durch die langen Laufzeiten komme es zu bilanziellen Verschiebungen, argumentieren die Unternehmen.
Am Ende profitieren die Anbieter davon, dass längst nicht alle Gutscheine eingelöst werden. Würden aber alle auf einmal eingelöst, kämen viele Anbieter in Schwierigkeiten.
Angriff auf die Glaubwürdigkeit
Schweizer ärgert das Thema noch immer: „Offenbar war da jemand beleidigt, weil er bei den Verhandlungen nicht zum Zug kam. Oder er wollte die Zusammenführung der beiden stärksten Player verhindern.“
Nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen (IFRS) sei das Geschäft schon seit Jahren hochprofitabel. Man habe freiwillig seit 2010 auch die Abschlüsse von Deloitte prüfen lassen und den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erhalten. Die Spekulationen über die Solidität seines Geschäfts seien ein „Generalangriff auf meine Glaubwürdigkeit“ gewesen.
Die Übernahme durch Pro Sieben Sat 1 wertet Schweizer auch als eine Art Testat. Schließlich ist der TV-Konzern ein erfahrener Investor. Unter dem scheidenden Vorstandschef Thomas Ebeling hat sich das Unternehmen ein buntes Portfolio zugelegt, von der Online-Partnervermittlung Parship über den Parfümspezialisten Flaconi bis hin zum Verbraucherportal Verivox.
Sorge, dass der Konzern die Strategie ändern könnte, hat Schweizer nicht. „Mydays ist ja durch das Bündnis stärker geworden, und ich hätte nicht 17 Millionen Euro investiert, wenn ich nicht an die Menschen glauben würde, die das Geschäft jetzt verantworten.“ Auch bei Pro Sieben Sat 1 betonen sie, dass sich durch den Wechsel an der Spitze nichts ändere. „Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung und haben ambitionierte Ziele.“ So wolle man der europäische Marktführer für Erlebnisse werden.
Jochen Schweizer hat derweil schon viele neue Ideen. Geschäftstüchtig, erzählt er, war er schon früh. Als Zehnjähriger habe er gesehen, für welch stolzen Preis sich silberne Mistelzweige auf Weihnachtsmärkten verkaufen lassen. Also kletterte er auf Bäume, erntete Misteln und sprühte sie silbern an. „Ich habe gar nicht verstanden, warum nicht mehr Leute auf die Idee gekommen sind.“
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