Schneechaos in Österreich: Die Lawinengefahr in den Alpen wächst
Eine Straßensperre mit dem Schild „Lawinengefahr“ auf einer österreichischen Bundesstraße.
Foto: dapdMünchen/Düsseldorf. Nach den heftigen Schneefällen der vergangenen Tage und angesagtem Tauwetter wächst die Sorge vor Lawinen in den Alpen. Die Lawinengefahr wurde heute mit der Stufe drei, also „erheblich“ von den Warmdiensten bewertet. Milderes Tauwetter in der kommenden Nacht erhöht die Gefahr, dass sich große Schneemassen von allein lösen sogar noch, da die „Störanfälligkeit der Schneedecke“ wieder wachse, heißt es bei den Wetter- und Warndiensten.
Bereits einzelne Skifahrer könnten demnach Lawinen auslösen. Viele Straßen und Pisten sind daher gesperrt. Wie lange noch, wird von Experten entschieden, die sich, sobald es das Wetter erlaubt, aus der Luft von einem Helikopter ein Bild von der Lage machen und das Sprengen von möglichen Lawinen anordnen können. Gerade in Galtür (Bundesland Tirol) blickt man besonders angespannt auf die Wetterlage. Dort kostete 1999 eine Lawine 31 Menschen das Leben.
Die österreichische Landeswarnzentrale rät daher vom Skifahren abseits gesicherter Pisten ab. Besonders in höheren Lagen bleibe die Situation für Wintersportler in den nächsten Tagen noch heikel.
Das gilt auch für die Region weiter östlich: „Ein Viertel unserer Pisten im oberen Bereich sind gesperrt – wegen der Lawinengefahr“, sagt Thomas Wirnsperger vom Tourismusverband Großarltal in Gespräch mit Handelsblatt Online.
Die Schneemengen – derzeit zwei Meter auf dem Berg – seien im Vergleich zu den vorangegangenen Wintern erheblich. Einzelne, nicht bewohnte Gebiete und Spazierwege seien wegen der Lawinengefahr derzeit gesperrt. Am Nachmittag werde die Lawinenwarmkommission die Wetter- und Schneelage bewerten und entweder Pisten freigeben oder sperren. Mit Einbußen für die Tourismusbranche rechnet er nicht.
Doch das Schneechaos ging nicht für alle glimpflich aus: Eine 36-jährige Polin ist auf einer Skipiste in Auffach in der Nähe von Kufstein von einem umstürzenden Baum getroffen und am Bein verletzt worden, im Bezirk Schwaz haben zwei deutsche Autofahrer einen Unfall ausgelöst, in den sieben Autos involviert waren.
Im Skigebiet Axamer-Lizum (Tirol) haben Helferteams mit Lawinenhunden außerdem die Suche nach einem 15 Jahre alten Snowboarder aus Deutschland fortgesetzt, der seit Samstag vermisst wird. Die Junge war allein unterwegs gewesen, aber bei einem vereinbarten Treffpunkt mit seinen Eltern nicht aufgetaucht. Durch die Peilung seines Handys konnte das Gebiet, indem er vermutet wird, auf einen Radius von zwei Kilometern eingegrenzt werden, bislang waren die Retter allerdings erfolglos.
In weiten Teilen des bayerischen Alpenraumes besteht ebenfalls erhöhte Lawinengefahr. Vom Allgäu bis ins Werdenfelser Land sowie im Berchtesgadener Land galt am Dienstag unterhalb von 1800 Metern die Gefahrenstufe Vier und damit die um eine höhere als in Österreich und zweithöchste Stufe, wie der Lawinenwarndienst Bayern in München mitteilte. Oberhalb von 1800 Metern und im übrigen bayerischen Alpenraum galt die Gefahrenstufe drei.
In den höheren Lagen des bayerischen Alpenraumes fielen seit Montag verbreitet 20 Zentimeter, örtlich sogar bis zu 40 Zentimeter Neuschnee. Im Tagesverlauf sind laut Warndienst Abgänge von kleinen bis mittleren, vereinzelt auch von großen Lawinen möglich. Stellenweise könnten auch an Hängen gelegene Straßen und Wanderwege betroffen sein.
Wegen der Lawinengefahr blieben nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am Dienstag zwei Grenzübergänge nach Österreich gesperrt. Das betraf die Bundesstraße B 2 bei Scharnitz und die Bundesstraße zwischen Lenggries und Achenpass.
Auf den Straßen in Österreich entspannt sich die Lage nur langsam: Vier Meter Neuschnee und heftiger Wind, der für doppelt so hohe Verwehungen sorgte, hatten die Region zuvor lahmgelegt. Wegen der Lawinengefahr mussten am Montag alle Straßen von Tirol nach Vorarlberg gesperrt werden, auch die Bahnstrecke war nicht befahrbar.
In Vorarlberg sind am Dienstag zwar alle Orte wieder erreichbar, die Zugstrecke zwischen Bludenz und Landeck bleibt aber weiter gesperrt, ebenso wie einige Tiroler Straßen. Auf den Straßen, die offen sind, gilt Schneekettenpflicht. Die bekannten Skiorte Ischgl und Galtür in Tirol sind am Dienstag mindestens bis Mittag nach Berichten der Nachrichtenagentur APA wegen der Gefahr abrutschender Schneemassen dagegen weiterhin nicht erreichbar.
In Vorarlberg, Salzburg und in Tirol waren bis gestern Mittag ganze Gemeinden von der Außenwelt abgeschnitten gewesen, mehrere tausend Touristen waren in den Skiorten eingeschneit. Allein in Lech und Zürs etwa 13.000, Einheimische und Tourismusangestellte mitgezählt.
Mithilfe von Black-Hawk-Hubschraubern sei es den Einsatzkräften gelungen, die Arlbergschnellstraße wieder befahrbar zu machen, meldete am Montag der Österreichische Rundfunk. Die Helikopter hätten vor allem Schnee von den Bäumen geblasen. Wegen umgestürzter Bäume waren am Montag außerdem noch immer mehrere tausend Haushalte in Tirol ohne Strom.
Die Versorgung der Eingeschneiten, die zum Teil seit Freitag festsitzen, ist laut der betroffenen Gemeinden gut. Obwohl Einheimische und Urlauber die Lage noch gelassen nehmen und heftige Schneefälle, die einzelne Orte hin und wieder kurzzeitig von der Außenwelt abschneiden, hin und wieder gewohnt sind, spricht selbst der Bürgermeister von Lech am Arlberg von einer „ungewöhnlichen Situation“.
Laut der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Innsbruck sei an einigen Wetterstationen seit 30 Jahren in einem Januar nicht mehr so viel Schnee gemessen worden wie in diesem Jahr.
Zum Ende der Woche wird es wieder kälter, neue Schneefälle drohen. Betroffen sollen vor allem wieder die Nordalpen sein.