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BuchrezensionEin Pädagogik-Professor räumt mit Mythen über die Digitalisierung der Schule auf

Vom Corona-Schuldesaster zu nachhaltig besserem Unterricht: Der Pädagoge Klaus Zierer macht sich in seinem neuen Buch Gedanken über die Schule der Zukunft.Barbara Gillmann 19.06.2021 - 12:58 Uhr Artikel anhören

Pädagogik-Professor Klaus Zierer fordert Unterricht, der Freude macht.

Foto: dpa

Düsseldorf. In den 1960er-Jahren war das „katholische Arbeitermädchen vom Lande“ Inbegriff der Bildungsverliererin – heute wäre es der „Junge mit Migrationshintergrund aus der Großstadt“.

So schlägt Klaus Zierer gekonnt den Bogen von der Bildungskatastrophe des vergangenen Jahrhunderts zur Coronakrise – und ist mit seinem Buch „Ein Jahr zum Vergessen“ gleich mitten im Thema. Darin offenbart er wie unter dem Brennglas die Defizite des Systems – und beschreibt, warum „die Bildungsungerechtigkeit massiv zunimmt“.

Erfreulicherweise hält sich der Pädagogik-Professor jedoch nicht allzu lang bei den Defiziten auf, sondern listet pointiert auf, was passieren muss, um die Gelegenheit zur radikalen Neuorientierung zu nutzen. Immerhin ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie „in einer nie da gewesenen Art über guten Unterricht nachgedacht worden“. Zugleich räumt Zierer mit einigen Mythen auf.

Das gilt vor allem für die Digitalisierung – von den einen zum pädagogischen Wundermittel verklärt, von anderen als „Untergang der abendländischen Bildungstradition“ gefürchtet, schreibt er. Zierer zeigt anschaulich, dass Tablets allein nichts bringen, sondern schlimmstenfalls sogar schaden, wenn sie nicht pädagogisch klug eingesetzt werden. Immerhin seien nun aber „die Ausreden vom Tisch“ und klar, dass sich die Schule „der Herausforderung der Digitalisierung stellen muss“.

Das hat jedoch Grenzen: „Learning Analytics“, also Programmen, die Lernen automatisch an den Stand des Einzelnen anpassen und so Lehrer enorm entlasten könnten, kann Zierer nichts abgewinnen. Denn: „Wenn es nicht nur um Lernen geht, sondern um Bildung, dann braucht der Mensch den Menschen. So führen manche digitale Tools im Schulalltag zur Vereinzelung.“

Zugleich verwirft Zierer den Glauben, Digitalisierung erspare das Erlernen von Fakten, die heute jeder bei Alexa abfragen kann. „Damit Lernende in den Bereich des Tiefenverständnisses kommen“, also „sinnstiftendes, kreatives und problemlösendes Denken“, „müssen Fakten im Kopf sein – und nicht auf Platinen von Rechnern“, schreibt er.

Klaus Zierer: Ein Jahr zum Vergessen. Herder Freiburg 2021 128 Seiten 12 Euro Foto: Handelsblatt

Nichtsdestotrotz fordert Zierer eindrücklich, nun endlich Strukturen für individuelle Förderung zu schaffen – nicht nur gegen Corona-Lücken, sondern auf Dauer. Er setzt dazu auf Sommerschulen, Ganztagsunterricht und ein modernisiertes, mit den neuen digitalen Werkzeugen kombiniertes Schulfernsehen.

Zierer fordert Unterricht, der Freude macht – weil Lehrer dann mehr lernen. Die völlig überfrachteten Lehrpläne will Zierer um „mindestens ein Viertel“ des Fachwissens entrümpeln: „Der Mut zur Lücke muss größer werden.“ Für die frei gewordene Zeit fordert er „Epochenunterricht“: die interdisziplinäre Behandlung epochaler Themen, wie etwa Klimaschutz. So entstehe ein enger Bezug zur Welt der Schüler, die Mathe, Bio oder Chemie zugleich praktisch anwenden müssen.

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Unausgegoren dagegen wirkt seine Ablehnung umfangreicher Tests wie etwa Pisa. Ebenso wie die wiederholte Warnung vor der „Ökonomisierung des Lernens“. Humankapital ist für Zierer wie für viele seiner Zunft ein Reizwort, ohne dass er erklärt, warum bessere Bildung nicht auch der Wirtschaft dienen darf.

Mehr: Learning Analytics: KI-gesteuerte Lernprogramme können Lernen und Lehren revolutionieren

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