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23. Bamberger Kunst- und AntiquitätenwochenBamberg ist Deutschlands Boomtown für Antiquitäten

In Bamberg konzentriert sich der deutsche Antiquitätenhandel. Dahinter steht ein Oberbürgermeister, der weiß, warum Kultur für die Wirtschaft wichtig ist.Christiane Fricke 26.07.2018 - 20:26 Uhr Artikel anhören

Unter anderem mit der Bronze „Tamborinspieler“ und einem Paar vergoldeten Bronzegirandolen um 1815 (Franke), „Philipp Melanchthon“ von Lucas Cranach d. Ä. und der Thronmadonna um 1400 (Senger), einer Jugendstilvase (Pusch), einer dänischen Silberterrine (Heiss) und einer Stutzuhr um 1786 (Wenzel).

Foto: Kunstauktionshaus Schlosser/Oliver Giel

Bamberg. Mögen Wien, Paris, München oder Berlin in den Sommerferien auf Stand-by umschalten, in Bamberg nimmt das Leben ausgerechnet in der heißesten Zeit des Jahres Fahrt auf.

Das soll nicht heißen, dass sich nicht auch zu anderen Jahreszeiten die Touristen in der malerischen Altstadt auf die Füße treten. Doch im späten Juli, nämlich genau dann, wenn sich auch die Musikbegeisterten aus Übersee auf den Weg ins benachbarte Bayreuth zu den Wagner-Festspielen machen, liefert die alte Kaiserstadt mit ihren „Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen“ (bis 23.8.) viele Gründe für einen Zwischenstopp.

Nach Bamberg reist, wer sich einmal wieder außer leiblichen Genüssen etwas gönnen möchte. Zum Beispiel einen filigranen Kronleuchter aus Rankpflanzen im Fachgeschäft für historisches Glas von Christina Pusch für 4.000 Euro oder ein elegantes, im Markt bekanntes Schreibpult von Abraham Roentgen aus der Zeit um 1765.

Allerdings spielt dieses auf schlanken Pferdebeinen stehende Möbel in einer höheren Preisliga. Christian Eduard Franke veranschlagt 360.000 Euro, eine Summe, die in Relation zu den zurzeit marktüblichen Preisen die Qualitäten des luxuriös dekorierten und organisch gestalteten Schreibtisches reflektiert.

Den geflügelten Himmelsboten schnitzte ein süddeutscher Künstler um 1600. Er hat noch seine originale Farbfassung.

Foto: Kunsthandel Wenzel

Hinreißend ist der schwebende Renaissance-Engel, der in seinem körperbetonten goldenen Kleidchen die Arme zur liebenswürdigen Begrüßung ausbreitet. Angeboten wird der aus Lindenholz geschnitzte Himmelsbote bei Wenzel für 11.000 Euro.

Man muss kein spezialisierter Sammler sein, um so einen Engel schön und vielleicht auch ein wenig tröstlich zu finden in diesen rauen Zeiten. Doch die alten Dinge spenden mehr als nur Trost oder die relative Gewissheit einer beständigen Werthaltigkeit. Sie berühren auch mit Charme und Humor; selbst wenn es tendenziell deftig zugeht wie bei der in Sandstein gehauenen Orgie („Bachanal“) zweier Minderjähriger aus der Zeit um 1774.

Ein bocksbeiniger kleiner Faun zwingt dem fast unter ihm liegenden, schon vom Wein trunkenen Putto Weintrauben in den vollen Mund, eine Szene, in der Gewalttätigkeit und Eros eine heiter grundierte Melange eingehen. Kostenpunkt: 38.500 Euro bei Christian Eduard Franke.

Hinter den 1995 gegründeten Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen stehen in diesem Jahr acht Kunsthändler, ein Antiquar und ein stolzer Oberbürgermeister. „Aus Überzeugung“, antwortet Schirmherr Andreas Starke (SPD) spontan auf die Frage, aus welchen Gründen die Stadt die von einem spartenübergreifenden kulturellen Rahmenprogramm flankierte Händlerinitiative finanziell unterstützt.

„Wir haben mit den Antiquitätenwochen ein Alleinstellungsmerkmal“, unterstreicht der Oberbürgermeister die Bedeutung der Händler für die Kommune. Außerdem trage der hier ansässige Kunsthandel seinen Teil zum Status Bambergs als Unesco-Welterbe bei.

Der Oberbürgermeister von Bamberg sieht Zusammenhänge zwischen Kulturerbe, kultureller Bildung, Kunsthandel und Wirtschaftsleben.

Foto: picture alliance/dpa

Von der Stadt Bamberg werden die Antiquitätenwochen sehr bewusst als profilschärfender Standortfaktor gewürdigt und gefördert, und zwar in Verbindung mit dem reichen Kulturerbe und -angebot der Stadt. Als „eine Boomtown“ bezeichnet sie OB Starke mit einem Bevölkerungszuwachs von 7000 Einwohnen binnen der letzten zehn Jahre. Das sind bei knapp 77.000 Einwohnern fast zehn Prozent.

Wirtschaftlich liegt ein starker Fokus auf der Autozulieferindustrie. Es gibt die Firma Bosch mit 8.000 Beschäftigten, Brose Fahrzeugteile hat in Bamberg ihr Verwaltungszentrum und die Firma Michelin ein Logistikzentrum nahe der Stadt.

Um die Abhängigkeit von der Autozulieferindustrie zu reduzieren, setzt Bamberg zusätzlich auf die Digitalisierung, investiert in die universitäre Bildung und fördert Start-ups. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der weiche Standortfaktor Kultur seine unverzichtbare Bedeutung. Man will attraktiv sein für Fachkräfte.

„Der wirtschaftliche Erfolg der Kunsthändler spiegelt sich auch in ihrer Investitionsfreude und Sanierungsbereitschaft“, ergänzt Starke. Alle residieren in denkmalgeschützten Altbauten.

Thomas Herzog, Geschäftsführer von Senger, hat inzwischen das dem Stammsitz gegenüberliegende Haus fertig renoviert und laut OB Starke ein „Kleinod“ geschaffen, in dem sich „nicht der eigene Geschmack durchgesetzt“ habe, sondern eine denkmalgerechte „Liebe zum Detail“. Antiquitätenhändler Franke erwarb zusätzlich ein paar Häuser weiter eine Immobilie.

Blick in die Ausstellung „The Golden Ear – Eine Hommage an Wagner“ mit Gemälden des Künstlers Ratnadeep Gopal Adivrekar und mittelalterlichen Skulpturen von Senger Kunsthandel. Rechts im Vordergrund die geschnitzte Figur des Hl. Petrus aus dem Umkreis von Veit Stoss.

Foto: Senger Kunsthandel

Was Thomas Herzog in seinen neuen Geschäftsräumen präsentiert, ist ein atemberaubender Mix aus mittelalterlichen sakralen Skulpturen und den figurenreichen, plakativen Gemälden des indischen Künstlers Ratnadeep Gopal Adivrekar. Die Bilderserie – eine Hommage an den Komponisten Richard Wagner – stammt aus der Sammlung des Geschäftsmanns Ismail Mukadam.

Nur die Skulpturen sind verkäuflich, wie etwa der aus Lindenholz geschnitzte Hl. Petrus aus dem Umkreis von Veit Stoß (270.000 Euro), dessen schwungvoll bewegtes Gewand mit dem Stil des indischen Künstlers korrespondiert.

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Drei Händler sind in diesem Jahr nicht mehr dabei. Renate Ströhlein genießt mit 72 Jahren inzwischen den Ruhestand. Julian Schmitz-Avila, Spross des rheinischen „Möbelpapstes“ Thomas Schmitz-Avila, machte seinen mehrfach angekündigten Abgang nun wahr und stürzt sich mit Volldampf in seine Rolle als Händler und Sachverständiger der Trödelshow „Bares für Rares“ (ZDF).

Und abgetaucht ist schließlich Gregor Freiherr von Seckendorff, den es aus privaten Gründen nach Berlin zog – sehr bedauerlich für die Bamberger Händlerriege.

Den Abgängen zum Trotz hat sich Bamberg immer mehr zu einem führenden Zentrum des deutschen Antiquitätenhandels entwickelt; demgegenüber gibt es in München nicht erst seit der Schließung von Bernheimer einen Aderlass zu beklagen. Doch auf der Brienner Straße ist der Antiquitätenhandel so gut wie nicht mehr sichtbar. Bamberg setzt jedoch auf die Devise: Wo schon so viele erfolgreich sind, belebt die Konkurrenz das Geschäft. Das hat viele Jahre funktioniert, und damit wird auch für die Zukunft fest gerechnet.

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