Auktionen in London: Sinkendes Vertrauen in den Auktionsmarkt

Die brasilianische Malerin Marina Perez Simão gehört zu den Newcomern, auf die Phillips mit Erfolg gesetzt hatte. Das abgebildete Gemälde „Untitled“ (2020) kam auf taxgerechte 95.250 Pfund.
London. Die Londoner Herbstauktionen für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts kamen mit einem blauen Auge davon. Sie zeigen aber, wie instabil der Kunstmarkt ist. Der Schatten der weltpolitischen Lage lässt sich bei den Auktionen, die öffentlich Angebot und Nachfrage widerspiegeln, nicht umgehen.
14 Arbeiten wurden vor den Auktionen bei Sotheby’s, Phillips und Christie’s zurückgezogen. Das ist das deutlichste Zeichen des mangelnden Vertrauens in den Auktionsmechanismus. Darunter befanden sich millionenschwere Lose bei Sotheby’s und Phillips, wie etwa ein Schnittbild des populären Lucio Fontana zum Schätzwert von 1.4 bis 1.8 Millionen Pfund.
Sieht man sich die Gesamtergebnisse der drei Häuser an, sehen die Zahlen jedoch gar nicht so schlecht aus. Im Groben liegen sie gleichauf mit letztem Jahr. Aber sie hätten höher ausfallen sollen. Viele Objekte wurden mit revidierten Reserven zu niedrigen Preisen abgegeben.
Den Stress merkte man vor allem bei Sotheby’s, wo beide Abendauktionen nacheinander mit Verspätung begannen. Das Haus erzielte für beide 45.6 Millionen Pfund. Damit liegt Sotheby’s fast gleichauf mit der Abendauktion von Christie’s.
Christie’s konnte sein Gesamtergebnis aber Dank der einzigartigen Sammlerauktion mit Werken des 2015 verstorbenen Sam Josefowitz mehr als verdoppeln. 96.5 Millionen Pfund kamen zusammen. Phillips spielte respektable 18.3 Millionen Pfund ein.
Sotheby’s war der Pechvogel der Woche. Das Spitzenlos der Auktion, Gerhard Richters großformatiges „Abstraktes Bild“ von 1986, blieb unverkauft. Sicher war die Schätzung von 16 bis 24 Millionen Pfund hoch; aber im Zeitalter von Garantien war es ein Fehler, ohne einen festen Käufer in die Auktion zu gehen.

Aristide Maillols Porträt der Mademoiselle Jeanne Faraill aus der Sammlung Josefowitz gehörte zu den begehrten Losen, die drei oder mehr Bieter begeistern konnten (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Die Galerie Skarstedt allerdings profitierte von dem sich anschließenden Schock im Saal. Direktor Martin Klosterfelde konnte eine Skulptur Martin Kippenbergers für „nur“ 495.000 Pfundkaufen. Die Taxe belief sich auf 600.000 bis 800.000 Pfund. Dem Handelsblatt gegenüber sagt der Händler: „Aus der Perspektive von Skarstedt war die Frieze-Woche erfolgreich. Bei den Auktionen gab es eine Preiskorrektur, aber das ist ja auch gut so. Es erlaubt einem, Sachen günstig zu kaufen, wenn man sich auskennt.“
Schnäppchen gab es genug für die Kunden. Die Preiskorrektur nach unten wird da besonders deutlich, wo die Einlieferer klar Verluste machten. Eine Kupferschale von Anish Kapoor von 2012 erzielte 825.000 Pfund bei Phillips. Der Kaufpreis 2014 bei Sotheby’s New York betrug noch umgerechnet 1.1 Millionen Pfund.
Moderat geschätzte deutsche und europäische Kunst hielt sich jedoch. Phillips verkaufte eine marktfrische Kirchenansicht von Luc Tuymans, Rom (2007), für 1.5 Millionen Pfund. Erwartet wurden 1.2 bis 1.8 Millionen Pfund.
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Cheyenne Westphal, Global Chairman, äußerte sich im Telefonat mit dem Handelsblatt: „Wir waren mit dem Resultat sehr zufrieden. Natürlich waren einige Sammler aufgrund der weltpolitischen Lage nicht in der Lage, sich auf Kunst zu konzentrieren. Vor allem das Ergebnis für den Luc Tuymans, auf den zwei europäische Bieter sehr erpicht waren, hat mich gefreut. Aber auch das jüngere Sortiment war sehr stark.“
Es gab bei allen Häusern neue junge Künstlernamen, in die im Laufe der Woche immer mehr investiert wurde, wie Mohammed Sami, Stefanie Heinze, Francesca Mollett und Raghav Babbar. Für sie gab es Auktionsdebüts und Weltrekorde, wie man sie vor kurzem noch mit Jadé Fadojutimi assoziiert hat. Aber deren Moment im Rampenlicht ist schon wieder vorbei. Die schlechten Ergebnisse führten den Einlieferer einer Arbeit bei Christie’s dazu, diese zurückzuziehen.

Jiang Chengs Gemälde „U-96 (Michael)“ verkaufte sich auf Sotheby's „Now“-Auktion innerhalb der Taxe für 31.750 Pfund (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Christie’s verkaufte mit der ersten Tranche der Sam Josefowitz Kollektion die einzige Privatsammlung der Woche. Es folgen noch sechs Auktionen in den nächsten Monaten. Keith Gill von Christie’s gab sich vor der Auktion optimistisch. „Trotz der Weltlage wissen unsere Kunden, dass sie nicht mehr viele andere Möglichkeiten haben, solche Arbeiten zu kaufen“.
Und so war es auch. Obwohl sich nicht alle Arbeiten absetzen ließen, waren die interessanten Lose von Franzosen wie Paul Gaugin, Félix Vallotton und Aristide Maillol sehr begehrt. Diese Arbeiten konnten drei oder mehr Bieter begeistern. Die buddhistischen Skulpturen, die zum Aufruf kamen, waren ebenso attraktiv wie Albrecht Dürers Grafik eines Rhinozeros und Möbel von Diego Giacometti.
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Kees van Dongens dekoratives Bild „La Quiétude“ (1920) erhitzte die Gemüter. Es wurde mit 10.8 Millionen Pfund zum teuersten Los der Woche (Taxe 3 bis 5 Millionen Pfund). Nach der Auktion konnte man Nina Josefowitz, eine der angereisten Erben, hören, die mit einer Bekannten sprach: „Was soll ich sagen, es war großartig.“
Das Auf und Ab der Woche heißt für Einlieferer, dass man sich sehr bewusst sein muss, was man für wie viel Geld abgeben will. Die Spirale nach oben ist vorbei. Für Käufer gibt es attraktive Schnäppchen. Europäische Bieter sind wieder aktiv. Und wenn die leere Spekulation auf junge Kunst etwas aus dem Markt verschwinden würde, täte das allen gut.
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