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Frieze-Messen in LondonHändler fliehen in die idyllische Kunst

Auf der „Frieze“ und der „Frieze Masters“ in London dominieren etablierte Künstlernamen. Zwanzig Jahre nach dem anspruchsvollen Debüt gehen die meisten Galeristen heute auf Nummer Sicher.Stephanie Dieckvoss 12.10.2023 - 12:04 Uhr Artikel anhören

Ayoung Kims Einkanal-Video „Delivery Dancer’s Sphere“ ist auf der Kunstmesse Frieze in der Section „Artist to Artist“ zu finden.

Foto: Gallery Hyundai

London. Zwischen den Palästinensern im Gaza-Streifen und Israel ist ein blutiger Krieg entbrannt. Davon ist die Kunstszene in London (fast) unberührt. Die Stadt feiert seit Wochen das 20-jährige Jubiläum der „Frieze“-Messe und das zeitgleiche Wachstum des Londoner Kunstmarkts mit vielen Museumsausstellungen, neuen Galerieräumen und einer seit Corona seltenen gewordenen Energie.

Leider hat sich die positive Energie der letzten Wochen nur bedingt auf die eigentlichen Messen übertragen. Schwung kam am Eröffnungstag der Frieze erst langsam auf. Wurde schon vorher zu viel gefeiert? Liegt es an der strikten Einlasspolitik für die Eröffnung dieses Jahr? Fahren doch viele Sammler „nur“ nach Paris? Oder reagiert man doch auf die weltpolitische Lage?

Die Galerien bemühen sich, Besucherinnen und Besuchern eine heile Welt vorzuspielen. Direkt am Messeeingang wirbt Damien Hirst mit von KI inspirierten „geheimen Gärten“, in denen es allerdings quietsch bunt und reichlich kitschig zugeht. Die Einzelpräsentation bei Gagosian kommt aber an. Fünfzehn Minuten nach Messereröffnung war der Stand mit zwölf Bildern bereits ausverkauft. Und das bei Preisen zwischen 450.000 und 1 Million Pfund.

Aber auch bei den jungen Galerien in der Fokus-Sektion, wo man mutige Kunst erwartet, geht es brav zu. Verträumt pastellig kommen die großformatigen Bilder von Tara Walter bei Kristina Kite aus Los Angeles daher. Attraktiv sind diese vor allem durch die Technik. Die Künstlerin verwendet Meerwasser zum Malen, so dass beim Trocknen das Salz eine staubig fragile Oberfläche hinterlässt. Hier liegen die Preise zwischen 25.000 bis 35.000 Dollar.

Bei Eigen + Art aus Berlin und Leipzig verzuckert Martin Eder den ganzen Stand mit Bildern von Katzen, Früchten und weiblichem Fleisch. Kitsch pur!

Die Großgalerien gehen ganz auf Nummer sicher. Die Kosten sind hoch, da soll für jeden Geschmack etwas dabei sein. David Zwirner, Thaddaeus Ropac, Lisson, Pace, Perrotin und viele andere zeigen wie in einem Gemischtwarenladen einen Mix von großformatigen Bildern.

Das 1,80 Meter breite Ölgemälde „Live forever. One thousand years of life“ von Zadie Xa hängt auf dem Stand der Galerie Ropac.

Foto: Galerie Thaddaeus Ropac, London • Paris • Salzburg • Seoul

Natürlich ist gute Kunst dabei. Bei Sprüth Magers etwa mit einer gigantischen neuen Leinwand von Barbara Kruger und einem drei Meter hohen Bild von Andreas Schulze. Aber das meiste soll sich einfach gut verkaufen. Das macht die Messe vor allem eines: langweilig. Vor 20 Jahren warb sie mit dem Motto, eine „Messe mit Unterschied“ zu sein.

Skulptur und Rauminstallationen muss man lange suchen. Sogar die schottische Galerie The Modern Institute, die immer skulpturale Stände hat, ist seltsam zweidimensional.

Konzeptuell überzeugt der Stand von Clearing aus New York und Brüssel. Die Skulpturenlandschaft mit kinetischen Objekten der Französin Marguerite Humeau ist die Kleinversion einer Installation in der Wüste von Colorado. Die aus Baumelementen erwachsenden Windräder laden ein, mit ihnen zu agieren. Auf der Messe dreht ein kleines Kind am Windrad einer Skulptur, und wenn es still wäre, könnte man die Kunst sich drehen hören. Die Preise für Humeaus Skulpturen liegen zwischen 60.000 und 180.000 Pfund.

Kein Interesse an Politik

Politisch engagierte Kunst ließen die Galeristen weitgehend zu Hause. Die Galerie Hot Wheels aus Athen nimmt sich zumindest mit Heidi Berlin die amerikanische Innenpolitik vor. Jordan Strafer filmte die fiktive Nachstellung eines Gerichtsverfahrens wegen Vergewaltigung als erotischen Krimi. Elegant installiert, kostet eine der ganz wenigen großformatigen Filmarbeiten auf der Messe 25.000 Dollar in einer Auflage von Fünf.

Auf dem Stand von Experimenter aus Kalkutta nimmt Bani Abidi mit „They asked for a map so I drew them a line“ die Rückwand des Standes ein. Auf der Wandinstallation sieht man Detailfotos von den lächelnden Mündern der Politiker, die in nur 42 Tagen die Grenze zwischen Indien und Pakistan festgelegt haben. Machtspiele unter Männern, mit langfristigen Konsequenzen für die Bevölkerung – ein Ausnahmethema hier.

Auf der anderen Seite des Regent’s Parks, bei der „Frieze Masters“ geht es wie immer gesetzter zu. Sie verengt sich immer mehr auf die Kunst der Nachkriegszeit, vor allem der 1950er- bis 1980er-Jahre. Auch die Abteilung „Modern Women“ blickt auf diese Epoche. Man kann sich fragen, wo der Unterschied zur „Spotlight“-Sektion ist, in der seit Jahren vor allem die Kunst von Frauen wiederentdeckt wird. Das ist wichtig und bringt Überraschungen. Aber manchmal denkt die Flaneurin, dass es schon Gründe gab, warum manche Positionen in Vergessenheit geraten sind.

Überzeugend hingegen in ihrer materiellen und skulpturalen Einfachheit sind die Stahlgeflechte von Maren Hassinger (Jahrgang 1947), die Susan Inglett aus New York nach London bringt. Nächstes Jahr ist Hassinger im Museum im spanischen Valencia eine Ausstellung gewidmet.

Verkäufe zu moderaten Preisen

Angewandte Kunst, Klassische Moderne und alles, was die Frieze Masters eklektisch machen soll, werden immer weniger. Nur bestimmte Sparten wie Manuskripte und Bücher, antike Skulptur und Altmeisterbilder bleiben der Messe treu. Colin Crouch Rare Books aus London zeigt eine faszinierende Geschichte der Kartografie aus vier Jahrhunderten.

Und die Verkäufe? Gute Sammler waren auf den Gängen zu sehen und zu hören. Viel Italienisch und Deutsch hörte man, aber auch wichtige amerikanische Sammler und deren Berater flanierten – und kauften. Seit Frieze in Seoul eine Messe macht, sieht man erfrischend mehr asiatische Galerien und Besucher. Das Feld ist weit gespannt, und das Geld fließt noch. Nicht für alles, und wohl eher im niedrigeren und mittleren Bereich; aber eigentlich war das auch in London nie wirklich anders.

Bei Frieze Masters sind die Käufe wohl weniger spontan; viele Galerien berichten von „Gesprächen und Interesse“. Das heißt im Klartext, dass noch nichts verkauft ist. Aber man gibt sich durchweg optimistisch. Was bleibt einem auch anderes übrig? Aeneas Bastian verkaufte eine Richter-Papierarbeit für über 600.000 Euro wieder zurück nach Deutschland. Er ist damit zufrieden. Für Bastian machen Frieze Masters und London weiterhin Sinn.

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Alles in allem erinnert die Frieze 2023 kaum an die Frieze vor 20 Jahren. Aber der Kunstmarkt und die Welt haben sich auch verändert. Die Frieze ist Teil eines amerikanischen Unterhaltungskonglomerats und nicht mehr der Traum junger Verleger der Frieze-Zeitschrift.

Den Träumen jagen jetzt andere Galerien an anderen Orten nach. Wer denen nachspüren will, ist gut beraten, sich die „Nicht-Messe“ Minor Attractions anzusehen, die gleich an zwei Orten stattfindet. Da geht es um Gemeinschaft, Künstler und gegenseitige Unterstützung. Weniger ums große Geld, als um Möglichkeiten und Potenzial. So wie bei der Frieze vor 20 Jahren.

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