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Christie'sPaul Allen: Die wertvollste je versteigerte Kunstsammlung

Christie’s konnte mit der Auktion der Kunstsammlung von Paul Allen 1,62 Milliarden Dollar einnehmen. Auch damit hat der Microsoft-Mitgründer Geschichte geschrieben.Barbara Kutscher 11.11.2022 - 08:58 Uhr Artikel anhören

Das pointilistische Gemälde wechselte mit Aufgeld für 149,2 Millionen Dollar die Hände. Quelle: Christie’s

Foto: Handelsblatt

New York. Die Wahlen in den USA sind noch nicht ausgezählt, der Krieg in der Ukraine noch nicht beendet, rasante Preissteigerungen beunruhigen die Menschen. Doch Kunst in der höchsten Qualitätsstufe ist gefragt und fährt reihenweise Rekorde ein. Das hat das Auktionshaus Christie’s mit der Versteigerung der Kunstsammlung des Microsoft-Mitgründers Paul Allen bewiesen.

In nur zwei Auktionen nahm das Haus in New York 1,62 Milliarden Dollar für 155 Meisterwerke aus fünf Jahrhunderten ein. Ein rundherum spektakulärer Erfolg für Christie’s. Sowohl beim New Yorker Publikum, das nur zum Schauen kam. Und auch bei Sammlern aus 32 Ländern, die in der sehr gut gemanagten Auktion am Abend des 9. November und am folgenden Morgen um das Angebot kämpften.

Ihn habe die Tiefe des Bieterinteresses überrascht, so Alex Rotter, Chairman 20/21 Art Departments, nach einer Auktion der Superlative am Mittwochabend, „und das in diesen Zeiten“. Ehe der Hammer zum ersten Mal niedersauste, wurden mindestens 76 Lose durch sogenannte „unwiderrufliche Gebote“ vorverkauft, aber nur sehr selten fielen Werke an ihre Garantoren. Die Sammlung wurde zu 100 Prozent und durchweg sehr starken Preisen abgesetzt für zuvor niemals erreichte 1,62 Milliarden Dollar.

Allein am Abend fielen 20 Rekorde für wichtige Namen, am nächsten Morgen kamen noch einmal sieben dazu. Auf Wunsch des 2018 verstorbenen Microsoft-Mitgründers Allen wird der Gesamterlös wohltätigen Zwecken zufließen.

Damit stellte Christie’s spielend das bisher höchste Versteigerungsergebnis für eine Sammlung in den Schatten, nämlich die von Linda und Harry Macklowe, die bei Sotheby’s für zeitgenössische Blue Chip-Werke 922,2 Millionen Dollar einspielte. Christie’s konnte bisher die umfangreiche Haushaltsauflösung von Peggy und David Rockefeller vorweisen, die im Frühjahr 2018 835,1 Millionen Dollar erzielte.

Die Skulptur konnten die 20.000 Besucher schon draußen vor dem Eintritt in Christie’s Headquarter in New York besichtigen. Quelle: Christie’s

Foto: Handelsblatt

Aber noch nie kam eine Sammlung von derartiger Qualität und Rarität auf den Markt, wie sie Paul Allen seit etwa 1992 in über 30 Jahren des Suchens und Verfeinerns zusammentrug. Die Auswahl bei Christie’s bot in einem sehr breiten Spektrum für jeden etwas, vor allem Gemälde von der Renaissance bis in die 2010er-Jahre, aber auch Skulpturen, einige Zeichnungen, Fotografien und sogar zwei moderne chinesische Hängerollen mit getuschten Naturdarstellungen. Marktbeobachter beurteilten die Schätzpreise als sehr präzise und akkurate Reflexion des Marktes, die nicht, wie so oft, nur Interesse stimulieren sollten.

„Diese intellektuellen Werke zogen einen ganz bestimmten Sammlertyp an, keine Spekulanten. Die Bietaktivität am Mittwochabend reflektierte das, war sehr fokussiert, gar nicht fieberhaft“, so die New Yorker Kunstberaterin Megan Fox Kelly.

Erfindergeist reflektiert in Kunst

„Die Provenienz sprach viele Sammlerinnen und Sammler an: Paul Allen war ein herausragendes Beispiel für den American Dream. Sein Lebenswerk begeistert auch die nächste Generation von Sammlern, und das auf globalem Niveau, vom Silicon Valley bis in aufstrebende Regionen in Asien,“ sagt Dirk Boll, Stellvertretender Vorsitzender der Abteilung Kunst im 20. und 21. Jahrhundert bei Christie’s.

Allein vier Werke von Stützen der europäischen Moderne - Georges Seurat, Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Paul Gauguin - traten mit unveröffentlichten Erwartungen von 100 beziehungsweise 90 Millionen Dollar an. Inklusive Aufgeld wurden am 9. November fünf Werke mit über 100 Millionen Dollar bewertet. Toplos wurde, wie erwartet, Seurats kleines aber überaus bedeutendes pointillistisches Gemälde „Les Poseuses, Ensemble (Petite version)“ mit illustrem Vorbesitz, das Allen 1999 erwarb. Hier setzte sich Xin Li, Chairman Christie’s Asia, für ihren Kunden bei 149,2 Millionen Dollar durch.

Die Paul Allen-Auktion bot die „once in a lifetime chance“ solch ein museales Meisterwerk zu kaufen. Quelle: Christie’s

Foto: Handelsblatt

Einem weiteren Interessenten konnte sie van Goghs Landschaft „Verger avec cyprès“ gegen wenig Konkurrenz bereits bei 117,2 Millionen Dollar sichern. Insgesamt griffen asiatische Sammler am Mittwochabend bei 12 Prozent der Losen zu, nach Wert summierten sich ihre Käufe aber auf 25 Prozent. 50 Prozent des Angebots fiel an US-Sammler und 38 Prozent an den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika.

Ins 100-Millionen-Quintett reihte sich auch einer der erklärten Favoriten Allens ein, Gustav Klimts „Birkenwald“ (1903) mit Vorbesitz Adele und Ferdinand Bloch-Bauer. Allen kaufte das Bild im November 2006 bei Christie’s zum damaligen Rekord von 40,3 Millionen Dollar brutto. Nun sorgte Elaine Holt, Christie’s Asia-Pacific Deputy Chairman und International Director, bei 104,6 Millionen Dollar für den neuen Bestpreis des Künstlers.

Auch Paul Cézannes ikonische Ansicht „La Montagne Sainte-Victoire“ aus den Jahren1888 bis 1990 setzte bei 137,8 Millionen Dollar einen neuen Rekord. Sie stieß 2001 über Phillips de Pury & Luxembourg in New York zur Allen-Sammlung, kostete den Unternehmer damals nur die untere Taxe von 38,5 Millionen Dollar.

Gut informierter Superreicher

In über 30 Jahren sammelte Paul Allen leidenschaftlich, aber diskret, nur das Beste. Er kaufte bei berühmten und auch kaum bekannten Galerien, manchmal auch direkt von anderen Sammlern. Auf Auktionen in London und New York zahlte er nicht selten Rekordpreise. „Marktteilnehmer aller Sparten erinnern, wie Paul Allen selbst seine Hausaufgaben machte, um Ankaufsentscheidungen zu treffen,“ berichtet Dirk Boll dem Handelsblatt. „Mit einer großen ‚geschmacklichen‘ Offenheit und seinen finanziellen Möglichkeiten hat diese Sorgfalt zu einem doch sehr konsistenten Qualitätsniveau der Sammlung geführt.“

Als roter Faden ziehen sich vor allem Meilensteine und wichtige Wegmarken aus 500 Jahren Kunstgeschichte durch seine Sammlung. Man kann ihr auch die vielfältigen Interessen des Unternehmers ablesen, das beweisen Schwerpunkte auf Landschaften oder analytische Arbeiten. Aber er bewunderte auch einfach schöne Venedig-Ansichten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, allein sieben wurden am Mittwochabend feilgeboten.

Das faszinierte vor allem das für Edouard Manet ungewöhnliche Sujet „Le Grand Canal à Venise“ (1874), das zum unteren Schätzpreis von 51,9 Millionen Dollar ein neues Heim fand. Canalettos Postkartenblick auf den Canale Grande nach Südosten interessierte zwei Bieter bis zu starken 11,8 Millionen Dollar, die von der New Yorker Kunstberaterin Nancy Whyte bewilligt wurden. Es waren höchstens 3,5 Millionen Dollar netto erwartet worden.

OB bei den Besuchern der Vorbesichtigung oder bei den Bietern - der Andrang war riesig. Quelle: Christie's

Foto: Handelsblatt

Lebhaft wurde um das Skulpturensegment gefochten, sei es um das reizende, nur 16,5 Zentimeter hohe Stabile Alexander Calders „Untitled“, das am Donnerstag vom Ausruf bei 200.000 Dollar auf 1,8 Millionen Dollar brutto sprang, oder Max Ernsts mehrfigurige Bronze „Le roi jouant avec la reine“, die den Rekordpreis von 24,4 Millionen Dollar setzte.

Zu den jüngsten Erwerbungen Allens gehörten drei umworbene Gemälde Georgia O’Keefes. „White Rose with Larkspur No.1“ von 1927, obwohl erst 2013 einer Sammlung in Las Vegas abgekauft, brachte es auf 26,7 Millionen Dollar. Die Taxe hatte bei 6 bis 8 Millionen Dollar gelegen. Hier griff die New Yorker Kunstberaterin Deborah Schmidt Robinson von der Firma Art Market Advisory zu, die sich noch weitere fünf Lose des Abends sicherte.

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Noch im Jahr 2018 hatte Paul Allen bei der New Yorker Galerie Lelong eine der stark farbigen, pulsierenden Abstraktionen der Schwarzen Künstlerin Mildred Thompson gekauft. „String Theory 4“ von 1999 war in der Tagauktion auf bis zu 20.000 Dollar geschätzt worden, kletterte jedoch triumphierend auf 138.600 Dollar, Thompsons neuen Künstlerrekord.

Der im Jahr 2018 verstorbene Paul Allen hat mit Bill Gates Technik- und Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Mit Christie's Auktion geht er auch in die Annalen der Kunstmarktgeschichte ein.
Mitarbeit: Susanne Schreiber

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