Corporate Collection Drama und Befreiungsschlag: Die Auflösung der SØR Rusche Collection

Der Sammler erlag dem Reiz eines Kunstdialogs zwischen den Epochen. Van Ham versteigerte seine rund 4000 Werke große Sammlung und von den Altmeistern das, was bei Sotheby's in London zurückgereicht wurde. Es blieb nur wenig übrig.
Düsseldorf „Bilder sind wie Frauen und haben Beine, die dahin rennen, wo sie geliebt werden.“ Nun haben ihn seine Bilder verlassen, und der Textilunternehmer Thomas Rusche hält statt Tausender von Werken zeitgenössischer Künstler und den von den Vätern ererbten niederländischen Altmeistern nur noch Geld in seinen Händen.
7,5 Millionen Euro mit Aufgeld setzte das Kölner Auktionshaus Van Ham in den letzten zwei Jahren mit der SØR Rusche Collection um. Einnahmen, die nach Abzug von Auf- und Abgeld dem Mönchengladbacher Modehändler van Laack zufließen soll, der im Januar 25 SØR-Filialen übernommen hat. Sie sind - so Rusche – „der harte Kern“ der ursprünglich 60 Filialen seines Unternehmens, das er vor anderthalb Jahren noch zurück in die Gewinnzone führen wollte. Dann kam Corona, und im vergangenen Jahr die „Planinsolvenz in Eigenverwaltung“.
Im Prinzip ist das alles eine Katastrophe. Doch Rusche versucht, Haltung zu zeigen. In dem letzten der 19 YouTube-Videos, die Van Ham mit ihm drehte, erklärt er tapfer: „Gute Kunst muss man, wenn das Schicksal zuschlägt, auch wieder verkaufen.“
Der Kölner Versteigerer hat diesen Part des Dramas zur Zufriedenheit der meisten Beteiligten sehr gut gemeistert. Es hat in sechs Präsenz- und 17 Online Only-Auktionen rund 99 Prozent der angebotenen 3249 Losnummern versteigert und nach Wert insgesamt etwas über 400 Prozent im Verhältnis zu dem mit dem Sammler vereinbarten Limit erzielt; bei den Online-Auktionen 150 Prozent.
Für einige Künstler wie Alicia Kwade oder Nicola Samorì setzte das Kölner Auktionshaus Rekordpreise, und rund 30 weniger im Rampenlicht stehenden Künstlern ermöglichte es den Einstieg in den Sekundärmarkt, etwa dem Künstlerpaar Secret Stars** oder Johannes Rochhausen. Ein Auktionsdebüt wurde auch Titus Schade, Markus Matthias Krüger und Ruprecht von Kaufmann zuteil.

Das Gemälde „Sein – Fleisch – fühlt – sich – wie –Eisen – an – Vanguard“ von 2012 erzielte 19.350 Euro und setzte einen internationalen Auktionsrekord für diesen Künstler.
Zu schätzen wussten das nur wenige Künstler. Auch dass sich Rusche wie wenige Sammler für ihre öffentliche Präsentation eingesetzt hat. Aber viele sahen jetzt nur noch die niedrigen, oft deutlich unter den Galeriepreisen angesetzten Taxen, und ihre Werke angesichts wohlfeiler Zuschläge „verschleudert“.
„Es gab viel Geschrei“, merkt Van Hams Geschäftsführer Markus Eisenbeis nach der letzten Online Only-Auktion an. Doch ein Künstler, der nachhaltig erfolgreich sein wolle, müsse auf dem Sekundärmarkt präsent sein. „Einen besseren Markteinstieg können sie nicht haben – in diesem Kontext, mit so hoher Aufmerksamkeit.“
Marketing auch mit YouTube-Videos
Ca. 6500 Bieter verfolgten die 23 Auktionen, und die meisten blieben dabei, angefixt vom Erfolg der ersten Live-Auktionen noch vor Ausbruch der Pandemie. So kam Van Ham gut durch die Coronakrise, auch dank der forciert und rechtzeitig ausgebauten digitalen Infrastruktur.
Mit „Last Chance“, einer Art Kehraus, endete am Abend des 15. April der Auktionsreigen. Denn aufgerufen wurde Online only das, was in den vorangegangenen Rusche-Auktionen zurückgereicht worden war.
Was ihm am Herzen lag, hatte Thomas Rusche zuvor im Video präsentiert; darunter die beiden aus der Nahsicht gemalten Bildnisse von Miriam Vlaming aus der Serie „Human Nature“: das Gesicht einer weißhäutigen und einer schwarzhäutigen Person. Geschätzt auf 400 bis 800 Euro kam das ästhetisch interessantere schwarze Bildnis auf 3000, das psychologisch interessantere weiße auf 1900 Euro ohne Aufgeld.

Die Skulptur "Kohle", entstanden 2006 aus 76 in Bronze gegossenen und 24 Karat vergoldeten Kohlebriketts kam auf ein Ergebnis von 59.500 Euro.
„Wie kann der Mensch das, was er will auch tun?“ fragt Thomas Rusche mit Blick auf Benedikt Hipps Profilbildnis eines Mannes mit verbundenen und verkrüppelten Händen. Nur noch 950 bis 1800 Euro wurden für dieses interessante, in Gelbtönen gehaltene Ölgemälde geschätzt, nachdem es Anfang Oktober 2020 bei 3000 bis 4000 Euro zurückgereicht worden war. Jetzt aber fiel der Hammer doch bei 3300 Euro.
Wer das Angebot der letzten zwei Jahre Revue passieren lässt, stößt natürlich auch auf angesagte Positionen wie Neo Rauch, George Condo oder David Schnell, für die dann auch sechsstellige Ergebnisse notiert wurden. Aber vor allem überrascht der Mut und die Inbrunst, mit der sich Rusche auf das Abenteuer jüngster Malerei eingelassen hat.
Man kann sich förmlich vorstellen, wie diese Begegnung, nicht selten in Berliner Galerien, aber auch direkt bei Künstlern Käufe provozierten; immer wieder in größeren Stückzahlen oder Konvoluten. Sogar in Peking wurde Rusche fündig. Bei White Space verführte ihn eine kleine, kopfüber abtauchende Schildkröte von Shi Zhiying, vielleicht, weil sie den Betrachter so direkt anschaut. Ihr heutiger Besitzer erhielt den Zuschlag für das einer Tuschezeichnung ähnelnde Ölbildnis bei taxgerechten 700 Euro.
Rusches Faible für den Gesichtsausdruck, einem der zentralen visuellen Bezugspunkte des Menschen, dürfte auch im Spiel gewesen sein, als er mit seinem Vater Gemälde und Studien des vergessenen „Düsseldorfer Malerfürsten“ Eduard von Gebhardt (1838-1925) erwarb. 40 Arbeiten bildeten den Schwerpunkt einer eigenen Online Only-Auktion in diesem Februar. Die Zuschläge lagen zwischen 180 und 4300 Euro.
Ob der Erlös den finanziellen Einsatz 15 Jahre langen Sammelns zumindest aufwiegt? Leise Zweifel kommen angesichts der großen Zahl dreistellig vermittelter Arbeiten. Doch Markus Eisenbeis glaubt an ein „Plus minus Null“, zumindest für die Hauptauktionen. Thomas Rusche antwortet weise, wie es sich für einen habilitierten Philosophen gehört: „Letztlich geht das auf.“
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