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Deutsches FotoinstitutGründungskommission lässt viele Fragen offen

Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat in Düsseldorf das Gründungsteam des Deutschen Fotoinstituts vorgestellt. Im Zentrum stehen Vorstellungen über eine Einrichtung, in der die Fotografie als Kunst die Akzente setzt.Christiane Fricke 19.09.2023 - 18:47 Uhr Artikel anhören

Von li.: Moritz Wegwerth, Fotograf und Vorsitzender des Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V., Christian Scheidemann, Restaurator New York, Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Felix Krämer, Direktor des Kunstpalasts, Düsseldorf, und Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang, Essen

Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf/Michael Gstettenbauer

Düsseldorf. Manche hatten es nach vierjährigem Standortstreit schon abgeschrieben. Nun soll das „Deutsche Fotozentrum“ kommen. Es kann zwar weder inhaltliche Leitlinien vorweisen noch herrscht Klarheit über seine Aufgabenschwerpunkte oder ob das Geld reicht. Aber immerhin gibt es nun eine Gründungskommission, die sich damit zu befassen hat. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) stellte das siebenköpfige Gremium am Montag in Düsseldorf vor.

Schauplatz war die der Gegenwartskunst gewidmete Dependence der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im Ständehaus. Das ist durchaus programmatisch zu verstehen, denn, so Roth: „Das Institut sendet eine klare Botschaft: Fotografie ist Kunst.“

Die Fotografie in der ganzen Bandbreite ihrer Anwendungen und ihre kulturhistorische Bedeutung kann die Staatskulturministerin damit wohl nicht gemeint haben. Mit dieser Stoßrichtung waren die beiden Gutachten angetreten, die noch ihre Vorgängerin im Amt, Monika Grütters, beauftragt hatte. Ihr schwebte „eine zentrale Einrichtung zur Bewahrung unseres visuellen Gedächtnisses“ vor.

Dass die bildende Kunst nur einen sehr kleinen Teil der fotografischen Mediengeschichte ausmacht, konstatierte jüngst der Fotohistoriker Rolf Sachsse in der Zeitschrift Photonews. „Und ob er der wichtigste Teil ist, wird höchstens eine archäologisch zu erfassende Zukunft bestimmen, nicht aber diejenigen, die als Künstler Werke produzieren.“

Das war natürlich ein Seitenhieb auf die in Düsseldorf in Künstlerkreisen um Andreas Gursky schon länger verfolgten Interessen an einem hier anzusiedelnden Fotoinstitut. So kam es im Herbst 2019, wenige Monate nach dem Vorstoß von Monika Grütters zur Gründung des „Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V.“.

Damit zur Zusammensetzung der von Roth eingesetzten Gründungskommission: Mit dabei ist Moritz Wegwerth, Fotograf und Vorsitzender des Vereins, in dem man sich nun über die Früchte einer unermüdlichen und geschickt auch die Landes- und Bundespolitik umgarnenden Lobbyarbeit freuen dürfte. Auch der Direktor des Kunstpalastes Düsseldorf, Felix Krämer, der 2018 noch mit einem 8 Millionen Euro teuren Ankauf den Fotobestand seines Hauses aufpolsterte, und Susanne Gaensheimer, Leiterin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, gehören der Kommission an.

Es spricht Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung NRW und Mitglied der Gründungskommission für das Deutsche Fotoinstitut. Zu ihrer Linken Staatskulturministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und ganz links Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (CDU)

Foto: Henning Kaiser/dpa

Komplettiert wird das Gremium von den beiden Restauratoren Christian Scheidemann aus New York und Katrin Pietsch von der Universität Amsterdam sowie von der Kuratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover, Inka Schube, und dem Direktor des Essener Museum Folkwang, Peter Gorschlüter.

Was aber fehlt, ist die Kompetenz aus den Bereichen Archive und Wissenschaft, auch aus dem Osten Deutschlands. Immerhin gibt es in Dresden mit der „Deutschen Fotothek“ unter dem Dach der Sächsischen Landesbibliothek eines der größten deutschen Archive für Fotografennachlässe und an der Folkwang Universität der Künste einen Lehrstuhl für die Geschichte der Fotografie.

Rückschlüsse auf die Ausrichtung des geplanten Instituts erlauben die Kurzvorträge der drei Gründungsmitglieder, die am Montag stellvertretend für alle sieben sprechen durften. Alle drei sind in der Gegenwartskunst zu verorten.

Das erste Wort hatte die Hausherrin des Ständehauses. Susanne Gaensheimer erinnerte daran, dass die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eines der ersten Häuser war, das in den 1990er-Jahren zeitgenössische Fotokunst sammelte und zeigte. Anschließend verglich Restaurator Christian Scheidemann unter dem Aspekt der Empfindlichkeit fotografische Arbeiten mit Aquarellmalerei, Minimal Art und der vergänglichen Fluxus-Kunst.

Bundesinstitut für Fotografie

Der Streit um das deutsche Fotozentrum ist neu entbrannt

„Ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ Mit diesem Satz begann Peter Gorschlüter sein Statement und ließ wie Humphrey Bogart im Film „Casablanca“ offen, ob er „als Zeichen der Versöhnung“ oder als „purer Pragmatismus“ zu verstehen sei.

Gorschlüter ist der einzige Vertreter aus Essen. Die Stadt, in der neben der Lehre auch große historisch gewachsene Sammlungen und Archive angesiedelt sind, hatte sich lange Hoffnungen auf die Ansiedlung des Fotoinstituts gemacht. Beide von Monika Grütters beauftragte Gutachten hatten vor diesem Hintergrund eine Präferenz für Essen ausgesprochen. Eine Empfehlung, der der Haushaltsausschuss Ende 2019 zuvorkam, als er hinter dem Rücken der Kulturstaatsministerin 41,5 Millionen Euro für ein Deutsches Fotoinstitut – mit Präferenz für Düsseldorf – in Aussicht stellte.

>>Lesen Sie auch: Düsseldorf bekommt nun doch sein Fotoinstitut

Erstaunlich, wie sich die Dinge biegen lassen, wenn man nur lange genug daran arbeitet. Auf der Strecke bleiben der gesunde Menschenverstand und das Vertrauen in die Kultur politischer Entscheidungsprozesse. Der Bundestag hatte seinerzeit die Entscheidung getroffen, ohne dass das Anliegen zuvor im Kulturausschuss behandelt wurde.

Da half auch nicht, dass der Bund der Steuerzahler die fehlende Begründung monierte und die Stadt Essen das intransparente Procedere einer verfassungsrechtlichen Begutachtung unterziehen ließ. Ob Essen die darin festgestellten „nicht unerheblichen juristischen Bedenken“ weiterverfolgt, ließ Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen auf Nachfrage des Handelsblatts tunlichst offen. Allerdings: „Aus meiner Sicht wird sich die Gründungskommission nochmals mit den Ergebnissen der damaligen Expertenkommission beschäftigen müssen“.

Zurück zu dem, was das Fotoinstitut zukünftig leisten sollte. „Wenn Bilder verschwinden, verschwindet ein Stück kollektiven Gedächtnis“, mahnte Peter Gorschlüter bei der Vorstellung der Gründungskommission. Museen und Archiven attestierte er zwar, dass sie diese Verantwortung ernst nehmen. Was jedoch in Deutschland fehle, sei eine Instanz, die übergreifende Perspektiven entwickele.

Die Fotothek unter dem Dach der Sächsischen Landesbibliothek ist eines der größten deutschen Archive für Fotografennachlässe.

Foto: Deutsche Fotothek/Henrik Ahlers
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Aber was heißt das? Fehlt ihnen, die seit vielen Jahrzehnten profilierte Sammlungen aufbauten, die Perspektive zu beurteilen, was für ihr Haus gut und sinnvoll ist? Und was bedeutet es, wenn der Essener Museumsdirektor davon spricht, dass er sich die Funktion des Fotoinstituts als Erweiterung, Unterstützung und sich nur „vielleicht“ auch eine koordinierende Tätigkeit vorstellt?

Genau diese Koordination würde aber doch zu den zentralen Aufgaben eines nationalen Fotoinstituts gehören, wenn es um Grundsatzfragen der Fotografie-Forschung und -Archivierung geht. Vor allem wenn man es sich – wie Rolf Sachsse vor Monaten anregte – als Schirm denkt, unter den sich „die vielen guten Institutionen in Deutschland“ stellen können.

Mehr: Fotozentrum: Wie Deutschland sein visuelles Erbe entdeckt

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