Freeports und Geldwäsche: Wo die Superreichen ihre Kunst bunkern

Der portugiesische Künstler Alexandre Farto alias Vhils hat in der Lobby des Freeports Luxemburg überlebensgroße Porträts in eine Betonwand gemeißelt.
Luxemburg. Erst vor wenigen Monaten hatte Yves Bouvier stolz verkündet: Hier in Luxemburg, in seinem jüngsten Freeport, seien „neue Standards gesetzt worden“. Der Schweizer Kunstspediteur, der in der vergangenen Woche wegen Betrugsverdachts in Monaco festgenommen wurde, gegen Kaution aber wieder auf freiem Fuß ist, betreibt Zollfreilager in Genf, Singapur – und seit Ende 2014 auch im kleinen Großherzogtum.
Mitten in der EU, unmittelbar neben dem Luxemburger Flughafen, ist ein riesiger Hochsicherheitstrakt entstanden, in dem Superreiche aus aller Welt Kunstwerke, Oldtimer, Wein, Edelmetalle und Juwelen lagern können. Nicht nur anonym, sondern auch steuerfrei. Und zwar so lange steuerfrei, bis die Wertgegenstände das Gebäude endgültig verlassen und in ihr Bestimmungsland ausgeliefert werden.
Die Betonbunker – Bouvier plant in Peking bereits den nächsten – erfreuen sich bei der erlesenen Klientel, Milliardären aus Europa, Russland, Asien und dem Nahen Osten, immer größerer Beliebtheit. Doch es ist längst auch Kritik an ihnen laut geworden.
Superreiche haben die Lager für sich entdeckt
Da den Kunden der Freeports Geheimhaltung versprochen wird, entsprächen sie nicht den internationalen Transparenz-Standards, sagt die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bereits vor einem Jahr hatte sie den Bau in Luxemburg skeptisch bewertet. Die Experten befürchteten, dass die Zollfreilager für Geldwäsche benutzt werden könnten. Und bei den Kunden den Willen fördern, Gegenstände am Fiskus und den Behörden vorbeizuschleusen.
Freihandelsgebiete gibt es schon so lange, wie es Handel gibt. Doch hatten sie ursprünglich eine andere Bedeutung: Sie sollten kurzfristig Rohstoffe beherbergen, die ihren Zielort noch nicht erreicht haben. Deshalb liegen die meisten in der Nähe von See- und Flughäfen.
Doch schon lange haben die Superreichen die Lager für sich entdeckt, um darin Gemälde, Skulpturen und Goldbarren zu verwahren. Sie nutzen den Betonbunker, weil die Versicherung ihnen dazu rät – oder weil sie aus Angst vor dem Fiskus lieber in Sachwerte investieren: Denn seit dem vergangenen Jahr muss jeder EU-Mitgliedstaat die Zinseinkommen ausländischer Bankkunden an die Finanzämter der EU-Länder melden.
Weder Zoll noch Mehrwertsteuer fallen in Freeports an
Sammler aus aller Welt reizt aber noch etwas. Denn erst wenn ein Gegenstand das Gebäude endgültig verlässt, fallen Zollgebühren an. Ein Beispiel: Ein deutscher Kunstsammler kauft sich in China ein teures Bild, das er später noch teurer weiterverkaufen möchte. Würde er es mit dem Flugzeug nach Deutschland in sein Haus transportieren lassen, müsste er am Flughafen Zollgebühren entrichten — so wie für orientalische Teppiche oder auch Zigaretten. Bringt er das Bild hingegen in einen Freeport, entfällt die Zollgebühr, solange das Kunstwerk dort gelagert wird.
Das gilt auch für den Handel innerhalb des Freeports. Der Sammler kann sein Kunstwerk innerhalb des Freihafens sogar an einen anderen Liebhaber verkaufen, ohne dass eine Zollgebühr fällig wird. Das ist, als würde man im Flugzeug zollfrei Zigaretten kaufen und sie dann mit Gewinn an den Sitznachbarn veräußern. Dasselbe bei der Mehrwertsteuer. Sie wird in jedem EU-Land fällig, sobald ein Gegenstand den Besitzer wechselt oder eine Dienstleistung erbracht wird. Außer in den Freeports.
David Arendt, seit der Eröffnung Geschäftsführer des Lagers in Luxemburg, erklärt das so: „Zoll und Steuern sind bei uns aufgeschoben. Nicht aufgehoben.“
Der Betonbunker, in dem die Kunstwerke lagern, ist gesichert wie ein Gefängnis. Wer es schafft, bis in die Lobby vorzudringen, der hat insgesamt sechs Sicherheitsschleusen passiert. Ein Mitarbeiter sammelt, kaum sichtbar hinter einer Milchglasscheibe, die Personalausweise aller Besucher ein. Sämtliche Taschen werden gescannt. Es gibt unzählige schwere Eisentüren, die dicken Wände verschlucken die Trittgeräusche, das grelle Licht blendet. Es gibt kaum Fenster, jeder Flur sieht gleich aus. „Falls hier jemand einbrechen sollte – was fast unmöglich ist“, sagt der Chef, „dann haben wir dafür gesorgt, dass er es möglichst schwer haben soll, etwas zu finden.“
Der Luxemburger Freeport ist zudem direkt mit dem Flughafen verbunden. Wertgegenstände müssen nicht einmal den Flugzeugcontainer verlassen, um in das Zollfreilager zu gelangen. Wer kontrolliert, dass es sich beispielsweise nicht um Waffen oder andere illegale Dinge handelt? „Der Zoll kann jederzeit darum bitten, die Kartons zu öffnen“, sagt Geschäftsführer Arendt. Schräg über einem riesigen Röntgenscanner befindet sich ein Fenster, im Büro dahinter sitzen drei Zollbeamte. Sie überwachen jede Ankunft und schauen sich bei Bedarf genau an, was in den Kisten steckt. Eine Gebühr kassieren sie erst, wie im Beispiel oben beschrieben, wenn der Gegenstand das Gebäude wieder verlässt.
Große Nachfrage nach Lagerplätzen






Die Lagerräume werden in Luxemburg von Speditionsunternehmen gemietet. Man muss erklären, wieso das so sein muss: Arendts direkte Kundschaft, allesamt Logistiker, die sich auf den Transport von Vermögenswerten spezialisiert haben, besitzen eine spezielle Lizenz vom Luxemburger Zoll. Die Unternehmen tragen Namen wie „Brandl Fine Art Service“, „Mana Contemporary“ oder auch „Fine Art Logistics NLC“ – Letzteres gehört Bouvier. Die Spediteure mieten einen Raum, ein Weinregal oder eine Autogarage, für mindestens fünf Jahre. Kunstsammler und andere Vermögende können dann wiederum über die Logistiker einen Platz für ihren Picasso im Freeport buchen.
Bouvier und zwei weitere private Investoren haben 50 Millionen Euro in den Bau gesteckt. Gut drei Monate nach Inbetriebnahme ist das Lager zu zwei Dritteln ausgebucht. In spätestens drei Jahren soll es schwarze Zahlen schreiben.
Kritiker sehen sich nun durch die aktuelle Affäre um Bouvier bestätigt. David Arendt hingegen, Chef des Luxemburger Zollfreilagers, schweigt: Er wollte die Vorwürfe gegen seinen Chef auf Anfrage nicht kommentieren.






