Galerien und Initiativen in Köln: Fotoszene Köln – Entführung in die Vergangenheit

Die romanische Kirche Groß Sankt Martin, vor dem Krieg (li.) und in stark zerstörtem Zustand 1946.
Köln. Karl-Hugo Schmölz hatte vielfaches Glück. Er überlebte den Zweiten Weltkrieg und kehrte aus der Kriegsgefangenschaft nach Köln zurück. Da die „Fotowerkstätte Schmölz“ weitgehend intakt geblieben war, konnte er schnell an seine Tätigkeit als Architekturfotograf anknüpfen und erhielt einen interessanten Auftrag.
Schmölz (1917–1986) sollte das Vorkriegs-Köln mit dem kriegszerstörten vergleichen. Dafür war er prädestiniert, auch weil er auf das erhalten gebliebene Glasplatten-Negativarchiv seines Vaters Hugo (1879–1938) zurückgreifen konnte.
Da Vater Schmölz in Aufnahmebüchern Uhrzeit, Brennweite und Lichtverhältnisse notiert hatte, konnte Karl-Hugo an denselben Stellen unter fast gleichen technischen Bedingungen erneut fotografieren. 75 Jahre später sorgt Galerist Franz van der Grinten für eine Wiederbegegnung mit 24 Bildpaaren. Er eröffnet am 24. Februar, genau ein Jahr nach Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine (bis 22.4.). Die Bauchschmerzen sind programmiert. Die Bilder gleichen sich.
1947 war das zu 90 Prozent zerstörte Köln ein einziger Schutthaufen. Der Dom stand noch. Ansonsten Trümmerberge soweit das Auge reichte, und die Reste von Gebäuden reckten sich wie Skelette in den Himmel. Nur die Straßen waren frei geräumt.
Nun galt es, die Politik von der Notwendigkeit eines raschen Wiederaufbaus zu überzeugen. Die Idee, dafür die Fotografie in Dienst zu nehmen, hatte der Chef des Nachrichtenamts. Pate dürfte Hermann Claasens 1947 erschienener Bildband „Der Gesang im Feuerofen“ gestanden haben, ein Fotobuch, mit dem Konrad Adenauer jahrelang erfolgreich Politik machte.

Hugo Schmölz fotografierte genussvolles Treiben vor dem Krieg, Sohn Karl-Hugo die Ödnis nach dem Krieg (seitlich stark beschnitten).
Das systematische Vorgehen und die paarweise Anordnung – ursprünglich für eine Montierung in Alben – verleihen den Schmölz-Bildern im Vergleich zu Claasens Bildproduktion die größere Sachlichkeit. Am Ende jedoch sollten sie wirken und wurden – anders als Claasens Aufnahmen – dafür auch gezielt gemacht.
Kein Wunder, dass Schmölz vor allem repräsentative und erinnerungsträchtige Gebäude fotografierte. Etwa die Kirche Groß St. Martin, die Außengastromonie am Flughafen Butzweiler Hof oder das Uferpanorama mit Dom und der im Rhein versunkenen Hohenzollernbrücke. 8000 Euro veranschlagt van der Grinten für ein zeitnah zur Aufnahme entstandenes Bildpaar, 4000 Euro für je eines der zusätzlich ausgestellten 20 Einzelbilder.
Nahtlos ließe sich die Zeitreise mit der Chargesheimer-Schau bei Julian Sander auf der Bonner Straße fortsetzen (bis 6.4.). Hier hat der Urenkel August Sanders sein Quartier in einer ehemaligen Spielhalle bezogen. Die aber ist außen wie innen nicht wiederzuerkennen.

Als Ensemble gehängt: die abstrakte Lichtgrafik Chaos II von 1948 (li.) und das Profilbildnis des Jazztrompeters Chet Baker von 1961 in der Galerie Julian Sander.
Elegant und einfallsreich hängte er Chargesheimers (1924–1971) kühne, eigenwillige Bildproduktion. Kaum zu glauben, dass diese heute gesuchten Bilder in den 1970er-Jahren nur wenige Liebhaber fanden. Fotogalerist Gerd Sander, aus dessen Bestand Sohn Julian sich bedienen konnte, wusste es besser.
Die abstrakten Lichtgrafiken und surreale, mit Licht und Chemikalien auf Fotopapier „gemalte“ sogenannte „Chemigramme“ leuchten dem Eintretenden auf schwarzen Wänden entgegen. Eine kinetische, aus blinkenden transparenten Plastikteilen zusammengesetzte „Gebetsmühle“ fesselt die Aufmerksamkeit und erinnert daran, dass Chargesheimer sich als Künstler begriff, nicht als Fotograf und schon gar nicht als innungsgebundener oder an Konventionen gebundener Fotograf.
Kante an Kante hängte Julian Sander die kleiner abgezogenen Straßenszenen Kölns (ab 2400 Euro), ergänzt um Porträts illustrer Jazzmusiker und Zeitgenossen (bis 7000 Euro). Unter ihnen der Abzug des markanten Konrad-Adenauer-Porträts, den das Magazin „Der Spiegel“ orderte und am 11. September 1957 auf dem Titel abdruckte, angeblich in der Hoffnung, von der Wiederwahl des über 80-jährigen Politikers abschrecken zu können. 12.000 Euro soll dieses geschichtsträchtige, rückseitig mit Druckanweisungen Chargesheimers ausgestattete Bildnis kosten.
Deutlich preiswerter liegt mit 7000 Euro der Jazztrompeter Chet Baker im Profil. Ein Bildnis, das in seinem harten Schwarz-Weiß-Kontrast nur so zu vibrieren scheint wie die gleichsam explodierenden Lichtflecken auf der daneben gehängten Lichtgrafik (10.000 Euro).
An der Schönhauser Straße schließlich lenkt die Galerie Thomas Zander den Blick über den Tellerrand Kölns hinaus. Unten gastiert die aus Peru stammende Konzeptkünstlerin Tarrah Krajnak, oben der Südafrikaner Santu Mofokeng (1956–2020) mit seiner Serie der „Billboards“ (beide bis 24.3.). Seine in großen Formaten abgezogenen Schwarz-Weiß-Bilder zeigen aufgeständerte Plakatwände an Durchgangsstraßen.
Auf ahnungslose Betrachter mag die Werbung von Omo wie eine bizarre zeitgenössische Skulptur wirken. Tatsächlich aber offenbart sie eklatante Missverhältnisse. Denn die Armut, aus der sie sich heraus in die Lüfte erhebt, hat Mofokeng bei genauerem Hinsehen mit erfasst. Den staubigen, vermüllten Rand der Straße etwa, auf der sich Bewohner aus den nahen Townships aufhalten, für die Omos Waschversprechen ein schlechter Witz sein musste. Wer von ihnen hatte wohl eine Waschmaschine?
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Über den unausgesprochenen Zynismus soll sich Mofokeng immer wieder aufgeregt haben. Seine über viele Jahre immer weiter komplettierte Bildserie hat denn auch in erster Linie eine politische Botschaft, die hierzulande durch anders sozialisierte Seherfahrungen verzögert wahrgenommen wird. Zwischen 16.500 bis 35.000 Euro liegen die in Fünferabzügen geprinteten Bildtafeln – je nach Format.
Die Arbeiten Tarrah Krajnaks wirken nur auf den ersten Blick gefälliger. Die südamerikanische Künstlerin verbindet ein konzeptuelles, aus Performance-Handlungen abgeleitetes Vorgehen mit einem Rekurs sowohl auf das fotohistorische Vorbild Edward Weston als auch auf alte peruanische Rituale.
Das Ergebnis ist etwas völlig Neues von starker sinnlich-ästhetischer Ausstrahlung. Ein selbstbewusster Versuch, die vom männlichen Blick geprägte Geschichte einer erotisch-sinnlichen Fotografie zu dekonstruieren und fortzuschreiben. Kostenpunkt: 6800 Euro für einzelne Schwarz-Weiß-Diptychen, 36.000 Euro für den fünfteiligen Satz und zwischen 6500 und 47.500 Euro für die blauen Cyanotypien.

Die südamerikanische Künstlerin verbindet ein konzeptuelles, aus Performance-Handlungen abgeleitetes Vorgehen mit einem Rekurs sowohl auf das fotohistorische Vorbild Edward Weston als auch auf alte peruanische Rituale.
Von sich reden macht schließlich die gemeinnützige „Irene und Sigurd Greven Stiftung“ mit der Übernahme des von dem Brühler Sammler Walter G. Müller erfundenen „FotografenWiki“. Diese private, vom Verein Foto-Historie weiter betreute digitale Enzyklopädie war 2014 an den Start gegangen, wurde jedoch nach Inkrafttreten der Datenschutzverordnung vorübergehend vom Netz genommen.
Geboten werden allgemein zugängliche Biografien von inzwischen weit über 14.000 Fotografinnen und Fotografen quer durch alle Anwendungsgebiete, darunter einige Tausend Einträge, die der Fotohistoriker Rolf Sachsse nach der Gründung beisteuerte.
Angesteuert wird das FotografenWiki über das Bildportal „Greven Archiv Digital“. Hier findet sich auch ein umfangreiches Konglomerat von Bildsammlungen mit Rheinland- und NRW-Bezug gelistet, deren Digitalisate kostenlos online besichtigt, aber auch kostenpflichtig verwertet werden können. Eingeflossen sind unter anderem vereinzelte Künstlervor- und -nachlässe sowie analoge Bildbestände kooperierender Kirchen-, Wirtschafts- und Pressearchive.
250.000 Objekte, darunter auch die von den Gründern der Greven Stiftung gesammelten Karten, Alben und Kunstwerke soll der Bestand laut Verleger Damian van Melis mittlerweile umfassen. Die Greven Stiftung, die aus dem ehemaligen Adressbuch-Verlag hervorging, kann dabei von ihren Erfahrungen im Umgang mit Datenbanken und Künstlicher Intelligenz profitieren.
In erster Linie aber kommt der Greven Stiftung zugute, dass für die meisten Lebenswerke und Sammlungen eine dauerhafte Unterbringung in Museen schwer zu bewerkstelligen ist. Das gilt selbstverständlich nicht für Bestände der Sammlung Familie Bartenbach, aus der soeben über eine steuerbegünstigte Schenkung an die „Kunststiftung im Museum Ludwig“, Köln, noch einmal 40 Arbeiten in die Fotosammlung des Museums gelangten.

Das Tableau setzt sich aus zehn Cyanotypien zusammen. Mitgewirkt haben die Komponenten Dauer, Chemie und performative Handlungen, mit den Füßen, Gliedmaßen und Rumpf als Protagonisten. Insgesamt gibt es drei Varianten, jeweils Unikate innerhalb einer Auflage von 3 Exemplaren zuzüglich einem Künstlerexemplar.
Unterdessen übereignete die private ZeroFourFoundation gGmbH die Fotobibliothek von Renate und L. Fritz Gruber dem PhotoBookMuseum im Rahmen einer Schenkung. Sie soll – so wie es sich Renate Gruber noch zu Lebzeiten gewünscht hatte – wissenschaftlich erfasst, aufgearbeitet und vermittelt werden.
Maßnahmen zur Digitalisierung seien bereits getroffen worden, berichtet Christoph Siegmann auf Nachfrage des Handelsblatts. Nun könne nach dem Tod von Renate Gruber auch der Buchbestand, der auf ausdrücklichen Wunsch des Hauses Gruber zwischenzeitlich in ihrem Haus verblieb, „direkt aktiviert werden“.
Inzwischen sind Christoph Siegmann und seine Frau auch Co-Gesellschafter des PhotoBookMuseums geworden. Ein Erwerb der Gruber-Immobilie Paulistraße 10 kommt für sie jedoch nicht in Betracht.

Schade. Eigentlich wäre das ein schöner Gedanke: die Gruber-Bibliothek als Kern eines zukünftig dauerhaft installierten PhotoBookMuseums im Heim auf der Paulistraße. Seit Herbst bespielt das Museum immerhin einen Showroom auf der Körnerstraße, der sich „Box“ nennt. Nächster Programmpunkt: die Eröffnung der Ausstellung „Photo Graphic Novel Books“ am 10. März.
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