Jahressteuergesetz 2024: Regierung in Berlin versucht, das Unheil abzuwenden
Düsseldorf. Der Kunsthandel war in steuerlichen Angelegenheiten Kummer gewöhnt. 2014 erst wurde die Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent angehoben. Dann wurde – anders als in Frankreich – die Chance vertan, die von Deutschland mühsam hineinverhandelte Kann-Vorschrift der EU umzusetzen, die Mehrwertsteuer bei Kunstobjekten wieder auf einen reduzierten Satz zurückzuführen.
Mit dem geplanten Jahressteuergesetz 2024 würde laut Referentenentwurf neues Ungemach drohen. Die Anwendung der Differenzbesteuerung soll nämlich fallen, wenn aus Drittländern eingeführt oder vom Künstler erworben wurde. Soeben wurde jedoch bekannt gegeben, dass die Regierung wieder zurück zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent will.
Die „Katastrophe für den gesamten deutschen Kulturguthandel – für Händler, Auktionshäuser und Galerien“, wie die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf aus dem Finanzministerium formuliert hatte, bleibt damit aus. Bliebe es beim Regelsteuersatz von 19 Prozent, wäre der deutsche Kulturgutmarkt von den wichtigsten Kunst- und Kulturguthandelszentren der Welt abgeschnitten, fürchtete der Dachverband der sechs größten deutschen Kunsthandelsverbände.
Mit der Differenzbesteuerung konnten Auktionshäuser, Händler und Galeristen die Mehrbelastung für Käuferinnen und Käufer halbwegs abfedern. Sie brauchten die 19-prozentige Steuer nämlich nur auf ihre Marge zu erheben. Galeristen besteuerten mit den 19 Prozent also die Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis, Auktionshäuser nur das Aufgeld.
Insbesondere milderte die Differenzbesteuerung die Benachteiligung Deutschlands im Wettbewerb mit den wichtigsten außereuropäischen Kunsthandelsplätzen. Sie konnte nämlich bei Einlieferungen aus den Nicht-EU-Staaten Schweiz, den USA und Großbritannien angewendet werden. So ließen sich die Aufschläge auf den Zuschlagspreis auf rund 41 Prozent drücken.
Die Beispielrechnung für die bisherige Regelung weist bei einem 1000-Euro-Zuschlag einen Aufschlag von 320 Euro aus (19 Prozent Mehrwertsteuer auf 27 Prozent Aufgeld). Die Einfuhrumsatzsteuer von sieben Prozent schlägt bei summierten 1320 Euro mit 92,40 Euro zu Buche. Macht unter dem Strich 1412,40 Euro. Das entspricht einem Aufschlag von rund 41 Prozent.
Aufschläge von 41 Prozent würden nach den noch im Referentenentwurf skizzierten Vorstellungen jedoch der Vergangenheit angehören. Denn die 19-prozentige Umsatzsteuer würde auf den Hammerpreis plus Aufgeld fällig. Macht bei einem Werk, das für 1000 Euro zugeschlagen wurde, in der Summe 1511,30 Euro, also ein Aufschlag von über 50 Prozent. Das Folgerecht ist hier noch nicht mit eingerechnet.
„Je geringer die Transaktionskosten, umso attraktiver der Standort“, erläutert Rupert Keim, Chef des Auktionshauses Karl & Faber und Präsident des Bundesverbands Deutscher Kunstversteigerer, auf Nachfrage des Handelsblatts. Ausländische Anbieter hätten es deshalb interessant gefunden, in Deutschland einzuliefern. Sie konnten mit entsprechendem Zuspruch rechnen.
„Wenn Käufer jedoch so hohe Aufschläge zu zahlen hätten, würden sie auch weniger bieten“, ergänzt der Auktionator insbesondere mit Blick auf den Markt für Expressionismus. Der habe sich von New York inzwischen nach Deutschland verlagert. Steuertechnisch würde diese Entwicklung durch die neue Gesetzgebung „konterkariert“.
„Irgendwann kippt es“, fürchtet Keim. Denn Paris dürfte profitieren. Und die französische Regierung tut alles, um ihren Standort attraktiv zu machen. So senkte Frankreich den Umsatzsteuersatz auf Kulturgüter bereits ab Januar 2024 auf 5,5 Prozent.
Das Jahressteuergesetz hätte auch gravierende Folgen für Galerien. Die Anwendung der Differenzbesteuerung erlaubte bislang eine Kompensation für den Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer. Bei der ins Auge gefassten Neuregelung würden generell 19 Prozent Mehrwertsteuer auf den gesamten Verkaufspreis fällig, nicht mehr nur auf die Marge, also auf die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis.
Die Angst aber, dass Sammler zunehmend an die Künstlerinnen und Künstler herantreten, da sie bei ihnen nur sieben Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen hätten, ist mit der Rückkehr zur sieben Prozent-Besteuerung nun vom Tisch.
Den Verbänden wurde für eine Stellungnahme zum Referentenentwurf gerade einmal ein Tag Zeit gegeben. Bereits heute wurde er im Bundeskabinett beraten und – zur Überraschung vieler Beteiligter – die Regierung schrieb die Absenkung der Umsatzsteuer auf sieben Prozent hinein. Nun ist der Bundestag am Zuge.