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KettererDeutschlands teuerste Leinwand des Jahres

Sammler waren bei Ketterer in Kauflaune und zahlten für Werke der Klassischen Moderne wie das „Weib mit Inder auf Teppich“ von Hermann Max Pechstein Höchstpreise. Bei den Zeitgenossen verteuerte sich Horst Antes.Sabine Spindler 17.12.2011 - 09:58 Uhr Quelle: Handelsblatt ePaperArtikel anhören

Robert Ketterer, der Chef des Auktionshauses Ketterer, hält die Vorderseite des Gemäldes „Weib mit Inder auf Teppich“ von Hermann Max Pechstein in den Händen.

Foto: dpa

München. Nach einem Jahr der Rekorde und Höchstzuschläge krönte der Münchener Auktionator Robert Ketterer in der letzten Auktion 2011 seine Bilanz mit dem spektakulärsten Zuschlag der letzten zwölf Monate. Inklusive Aufgeld wurde am letzten Wochenende Max Pechsteins doppelseitig bemaltes Gemälde „Weib mit Inder auf Teppich“ von 1910 für 3,5 Millionen Euro versteigert.

Das ist nicht nur ein neuer, weltweiter Rekord für den deutschen Expressionisten, dessen Preisliste bislang von 2,2 Millionen Euro für „Zirkus mit Dromedaren“ angeführt wurde. Damit avanciert die exotische Szene aus der Frühzeit des Brücke-Malers zum teuersten Gemälde, das in diesem Jahr in Deutschland versteigert wurde.

In Zeiten, wo der Wert des Geldes ins Wanken gerät, mag vielen die Kunst als eine sicherere Bank erscheinen. Doch Pechsteins frühes Werk gehört auch zu jenen Gemälden, auf die der Markt geradezu wartet. Nacktheit galt bei den Brücke-Malern als Synonym für Befreiung von inneren Zwängen. Als Paradebeispiel für den künstlerischen Aufbruch wurde die freizügige Komposition in zahlreichen Expressionismus-Ausstellungen von Berlin bis Madrid gezeigt und hatte bislang nur zwei Besitzer.

Zudem gehört der Inder zu einer Serie von fünf ähnlichen Motiven. Zwei davon gelten als verschollen, zwei befinden sich im St. Louis Art Museum. Dass solch ein exemplarisches Werk internationale Sammler animiert, zeigte das rege Interesse aus den USA, aus Griechenland, England und Frankreich. Durchgesetzt hat sich letztlich ein deutscher Sammler mit Wohnsitz im Ausland.

Zu Lebzeiten Max Pechsteins allerdings rief das damals anstößige Gemälde kaum Begehrlichkeiten hervor. Wohl wegen Unverkäuflichkeit bemalte Pechstein noch im selben Jahr die Rückseite der entspannten Nacktszene mit einem Früchtestillleben. Dieses signierte er und erklärte es damit zur Vorderseite. Auf dem Keilrahmen steht noch heute der Preis: 500 Mark.

Die Moderne-Auktion, die allein mit 17 Erlösen im sechsstelligen Bereich glänzte auf ein beachtliches Ergebnis verweisen kann, gibt einmal mehr Robert Ketterers Behauptung recht: „Deutsche Kunst verkauft sich am besten in Deutschland.“
Dafür sprechen nicht nur die 250.100 Euro für Karl Hofers "Mädchen mit Laute" von 1937. Das Gemälde, das direkt aus den USA eingeliefert wurde, konnte seine Taxe fast verdoppeln. Auch andere Ergebnisse untermauern diese Marktsicht.

Selbst nach Überschreiten des Schätzpreises von 250.000 Euro engagierten sich weiterhin mehrere Bieter für die traumwandlerische und ebenso poetische Leinwand „Herbst in Klotzsche“ von Conrad Felixmüller. Wie kaum ein anderes Los dieser Auktion besaß die expressive Darstellung eines Paares im nächtlichen Dresden von 1920 malerische Magie. Der Einsatz eines süddeutschen Sammlers in Höhe von 610.000 Euro sorgte denn auch für den zweithöchsten Preis der Auktion.

Vom Bonus des süddeutschen Sujets profitierten zweifelsohne Arbeiten von Gabriele Münter. Erst bei 390.000 Euro wechselte die „Murnauer Landschaft“ von 1924 den Besitzer. Aufgerufen wurde sie für 150.000 Euro. „Neben den harten Faktoren, dass Gabriele Münter eine der wichtigsten Malerinnen aus dem Umkreis der Künstlergruppe ,Blauer Reiter' ist“, so Robert Ketterer, „kam in diesem Falle sicherlich ein hohes dekoratives Maß hinzu.“

Die Weisheit, dass nirgendwo sonst der Wert eines Gemäldes so deutlich ersichtlich ist wie auf einer Auktion, offenbarte Münters „Stillleben mit Madonna“ von 1911. Im Frühjahr gaben es die Vorbesitzer zum Untergebot von netto 225.000 Euro nicht her, jetzt ging es zum Hammerpreis von 220.000 - sprich zu einem Erlös von brutto 268.400 Euro - an einen süddeutschen Besitzer.

Ketterer verhehlte gegenüber dem Handelsblatt nicht, dass die Finanzkrise in manchen Fällen die Bieterlust beflügelt hätte. Nachprüfbar ist das jedoch nicht.
Aber 244.000 Euro für Otto Muellers dichtes Aquarell „Zwei Mädchenakte“ von 1925, 117.120 Euro für eine kleine Ölskizze vom Genfer See von Alexej von Jawlensky oder auch die 69.540 Euro Einsatz für Max Liebermanns, mit leichter Hand gezeichnetes Pastell „Blumenbeet im Wannseegarten“ von 1919, sind allesamt Ergebnisse auf sehr hohem Niveau. Eine enorme Aufwertung erfuhr zudem Ewald Matarés Bronze-Eule von 1936. Nur drei Exemplare existieren. Die für Matarés abstrahierend-organische Bildsprache gar nicht typische Tierplastik erzielte mit 183.000 Euro das Achtfache der Taxe.

Seinen Spürsinn für Kunst mit Wertsteigerungspotenzial bewies erneut Sammler George Economou, als er sich für 37.820 Euro den dynamischen, geometrisch-abstrahierten Gipskopf von 1916/17 des früh verstorbenen und bis heute nicht ganz erkundeten Avantgardekünstlers Hanns Bolz sichern ließ.

Nicht ganz so bietfreudig zeigten sich die Sammler beim Angebot der Kunst nach 1945. Etwa 60 Prozent der 175 Lose konnten verkauft werden. Star des Abends war Horst Antes. Seine „Figur Flora“ von 1960 kletterte von geschätzten 70.000 auf den Rekordpreis von 281.000 Euro, geboten von einem deutschen Sammler. Das große Interesse an dem Gemälde, das Antes' Schaffensphase zwischen Informel und ersten Kopffüßlern markiert, hat mit dem derzeitigen Aufschwung der Kunst aus den 1960er-Jahren nur wenig zu tun. Es verdeutlicht eher, dass auch im Bereich der Nachkriegskunst Schlüsselwerke und ausdrucksstarke Belege eines Œuvres gefragt sind.

Auch das teuerste Werk der Fritz-Winter-Offerte war ein Bild des Umbruchs. „Rot-Vertikal“ von 1967 - das für den Beginn seiner linienbetonten Formsprache steht - wurde mit einem Erlös von 63.440 Euro die teuerste Winter-Arbeit der Auktion.

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Große Aufmerksamkeit bekam eine charakteristische Arbeit auf Papier von Gerhard Altenbourg von 1973. Die Gouache „Auch ein Mikrophon“ des nichtgegenständlichen Außenseiters aus der DDR konnte bei einem Preis von 67.100 Euro seine Taxe mehr als verdreifachen.

Und wie ist es der einstigen Boomgeneration, etwa Jonathan Meese, Norbert Bisky und Anselm Reyle ergangen? Sie hatten nach der Lehman-Pleite 2008 starke Preiseinbrüche hinzunehmen. Fazit nach der Auktion: Sie werden weiterhin auf dem Auktionskarussell mitfahren. Vielleicht nicht mehr auf dem höchsten Ross, aber mit Resultaten zwischen 20.000 und 35.000 Euro doch immerhin fest im Sattel. Und mit einem Erlös von 82.960 Euro war Eberhard Havekosts glatte, unterkühlt-realistische „Benutzeroberfläche 5“ von 2001 sogar teurer als Arbeiten von A. R. Penk oder Stephan Balkenhol.

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