Kunstmesse: Messechef Noah Horowitz: Die Marke Art Basel braucht Wachstum
Der CEO der Marke „Art Basel“ muss für Wachstum sorgen bei den Messen in Basel, Miami Beach, Hongkong und Paris.
Foto: Getty ImagesLondon. Genau 30 Minuten hat der neue CEO der „Art Basel“, Noah Horowitz, für das Gespräch mit dem Handelsblatt. Das ist knapp bemessen, aber der 44-jährige Amerikaner hat wenig Zeit. Da bleibt kein Spielraum mehr für persönliche Fragen: Wie ist es, nach einer Pause wieder zur Art Basel zurückzukehren? Warum er nicht bei Sotheby’s geblieben ist, wo er – nachdem er seine Stelle als Amerikachef der Art Basel nach sechs Jahren aufgab – erst im September 2021 einstieg, um die Beziehungen des Auktionshauses zu kommerziellen Galerien auszubauen? Wie ist es für einen Amerikaner, eine im Ursprung Schweizer Messe zu leiten? Spricht er schon Deutsch?
Horowitz, der sich zu dem Gespräch aus Berlin online dazuschaltet, hat vielleicht auch kaum Zeit zu reflektieren, hat er doch einen vollen Reisekalender. Gerade erst flog er von der Art Basel Hongkong zurück, wo die erste große Präsenzmesse nach der Coronapandemie mit Erfolg endete.
Horowitz gibt sich optimistisch über die Situation in Hongkong. Er beschreibt die Energie in der Stadt und die vielen neugierigen Messebesucher dort. „Die überwältigende Mehrheit unserer Besucher kam aus Asien. Eine große, große Menge kam vom Festland aus China.“ Und die politische Situation? „Hongkong ist definitiv das Tor zu Asien. Und wenn man bei den Werten der Kunst in die Höhe geht, ist das ganz besonders der Fall. Klar ist die Situation eine Herausforderung, aber im Hinblick auf Inhalte hatten wir nie Zensur auf der Messe oder ähnliche Probleme.“
Asien ist dabei das Schlüsselwort. Es geht vor allem um chinesische Kunden, deren Kaufkraft weiterhin für den asiatischen Markt ausschlaggebend ist. Und an die kommt man vor allem über Hongkong heran. Aufgrund der guten geographischen Lage und der weit entwickelten Infrastruktur stellt die Stadt einen wichtigen Knotenpunkt dar. Wie lange das so weitergehen kann, muss derzeit noch offen bleiben.
Der von der UBS mit der Art Basel diese Woche publizierte, jährliche Kunstmarktreport sieht den Kunstmarkt in China allerdings als wacklig an. Während die USA ihre Spitzenposition weltweit ausbauen konnten, ist China auf den dritten Platz abgesunken – hinter Großbritannien – und das trotz der Brexit-Auswirkungen. Chinas Transaktionen mit Kunst inklusive Hongkong sanken 2022 um 14 Prozent, der allgemeine Reichtum in China um 17 Prozent, rechnet der Report vor.
Der Schauplatz hat Raum für Aussteller-Kojen und für sperrige Installationen wie Liu Weis „Nudita“ in der Halle der „Art Unlimited“.
Foto: White CubeAttraktiv an Hongkong und auch an der Schweiz bleiben die vielen Ultrareichen und die günstigen Steuerkonditionen. Das Hochpreissegment ist fast der einzige Marktteil, dem der neue Report solides Wachstum bescheinigt. Das betrifft auch Kunstmessen.
„Der größte Anteil an Messeverkäufen kommt von den größten Händlern, von denen, die mehr als zehn Millionen US-Dollar Jahresumsatz verzeichnen. Sie realisieren die meisten Verkäufe auf internationalen Messen“, heißt es dort. Es überrascht nicht, dass die Messe am Standort Basel Schweiz festhält, trotz des Pariser Flairs, das die neue Herbstmesse „Paris + by Art Basel“ mit sich bringt und auf das die luxusgewöhnten Besucher enthusiastisch reagierten.
„Die Art Basel und die Schweiz sind immer noch der Gipfel in unserer Industrie, ohne jeden Zweifel. Hier ist es, wo die teuersten Kunstwerke angeboten werden, hier ist es, wo die besten Sammler hinkommen. Und es ist unsere Heimat“, unterstreicht Horowitz.
Aber Großmessen wie die Art Basel, die vier Messen mit jeweils mehr als 150 Ausstellern betreibt und deren Besucherzahlen sich in Zehntausenden bewegen – die Art Basel Hongkong verzeichnete soeben 86.000 Besucher – darf es nicht nur den Großgalerien und Großsammlern recht machen.
Die Messen setzen sich aus verschiedenen Lokalitäten und Mentalitäten zusammen, wollen auch junge Galerien fördern und sind ein wirtschaftlich wichtiges Standbein für eigentümergeführte Kleinunternehmen. Da wird sich Horowitz einiges einfallen lassen müssen, damit diese weiterhin dabeibleiben und auch etwas von dem Umsatz abbekommen.
Die Marke Art Basel ist mittlerweile ein Großunternehmen mit einem für das 21. Jahrhundert altmodisch erscheinenden hierarchischen Apparat. Horowitz“ Stelle als CEO ist neu und wurde für ihn geschaffen. Sie kommt zu einer Zeit, in der der Personalaufwand schon unglaublich hoch ist. Etwa 120 Mitarbeitende betreuen Galerien, Kommunikation, Sponsoren, Marketing und Besucher; dazu kommen noch um die 25 bis 30 VIP-Betreuer, sagt Horowitz. Teil davon sind auch die Messeleiter.
Eine Großmesse darf es nicht nur Großsammlern und Megagalerien Recht machen.
Foto: Art BaselJede Art Basel hat – oder soll – einen eigenen Messechef erhalten. Doch die Positionen für die Standorte Basel und Miami sind noch unbesetzt. Man kann nur hoffen, dass bei der Besetzung endlich Frauen berücksichtigt werden, denn die Muttergesellschaft MCH ist in der Führungsetage fest in Männerhand. Im Führungsteam der MCH sind neun von elf Mitgliedern Männer, und bei der Art Basel sind es im Exekutivkomitee zwei Drittel.
Vincenzo de Bellis ist als globaler Messeleiter für alle vier Messen zuständig, nicht CEO Noah Horowitz. De Bellis ist ehemaliger Messechef der „Miart“ und Kurator. Auch seine Stelle wurde erst 2022 geschaffen, noch unter dem alten Messechef Marc Spiegler. Über de Bellis sitzt nur Horowitz, der auch einen Platz im Führungsteam der MCH Group innehat.
Was ist Horowitz' Aufgabe? Die Internetseite der Art Basel nennt unter seinem Namen neben den Messen „Initiativen und Aktivitäten“. Auf Nachfrage sagt Horowitz: „Meine ultimative Aufgabe ist es, für Wachstum für die Art Basel zu sorgen.“
Woher soll das Wachstum kommen?
Wachstum ist ein Wort, das der Geschäftsführer der Messe gern verwendet. Aber auch auf weitere Nachfrage wird nicht klar, woher dieses genau kommen soll. Zum einen geht es um die Mannschaft: „Meine Aufgabe ist es, ein fantastisches Team um die Messen herum zusammenzustellen, sodass die Art Basel die beste Messe weltweit bleibt.“ Darüber hinaus benennt er „interessante Chancen in den digitalen Kanälen“ und Mehrwert für Sponsoren.
Initiativen, das hört sich nach Geldausgeben, nicht nach Einnahmen an. Wertsteigerung des Produkts ist schön und gut, aber man braucht auch finanzielles Wachstum. Die Neugründung der Paris + par Art Basel war sicher nicht billig. Laut dem Branchenblatt „The Art Newspaper“ zahlte die Messe Schweiz allein 10,6 Millionen Euro für den siebenjährigen Vertrag, ohne Technikkosten. Darüber hinaus beendete sie das Geschäftsjahr 2022 mit einem Verlust um zehn Millionen Schweizer Franken.
In diesem Minus steckt auch knapp eine Million Franken, die dem Ex-Messechef Marc Spiegler, der noch bis Ende Oktober 2023 bei der MCH angestellt bleibt, im letzten Jahr als Vergütung zustanden. Kein Wunder, dass man von ihm noch nichts hört.
Für Noah Horowitz gibt es genug zu tun. Die vielen Kunden unter einen Hut zu bringen, denen es in diesen Zeiten nicht allen gut geht, ist keine einfache Aufgabe. Die Marke Art Basel kann sich nicht allein auf die Marktführerschaft der Mega-Galerien konzentrieren. Die ganze Welt mit Nebenprodukten zu bespielen, wo politische und wirtschaftliche Strukturen weit auseinanderklaffen, klappte auch nicht. Die Art Basel-Messen haben in den letzten Jahren Initiativen gestartet, von denen viele klanglos im Sand verliefen. Man denke nur an Spieglers „Art Basel Cities“.
Man kann dem neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Art Basel nur Glück wünschen, dass er auf die Fragen nach Wachstum bald genauere Maßnahmen bereithält.