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Kunstmesse und Galerien in WienGegen die Weltflucht angetreten

Die Kunstmesse Viennacontemporary und das kuratierte Ausstellungsprogramm der Wiener Galerien stellen sich den multiplen Krisen der Gegenwart.Stefan Kobel 08.09.2023 - 06:20 Uhr Artikel anhören

Wien. Nie wieder in den Keller müssen! Für Teilnehmer und Besucher der Kunstmesse Viennacontemporary (VC) ist das jetzt Realität. Die kurz vor der Pandemie heimatlos gewordene VC war letztes Jahr im sehr beengten Kursalon Hübner im Wiener Stadtpark untergekommen und hatte aus Raumnot die „Zone1“ für ganz junge Kunst in den etwas klaustrophobischen Keller verbannt. Das hatte den Veranstaltern viel Kritik eingebracht.

Wie zur Wiedergutmachung ist diese von Francesca Gavin kuratierte Sektion nun luftig im Obergeschoss untergebracht. Die aufsehenerregendste Präsentation ist eine Badezimmer-Installation von Christiane Peschek mit Bällebad, meditativer Soundarbeit und durchgefärbte abstrakte Selbstporträts einer digitalen Identität auf Seide (Alba Gallery).

Im Erdgeschoss drängen sich nach wie vor die Kojen; der Wegfall des Untergeschosses wird durch ein Zelt im Stadtpark mehr als wettgemacht. 19 Kojen haben dort ausreichend Platz, unter anderem die von Anita Beckers aus Frankfurt, die mit Annegret Soltau und Peter Weibel historische Positionen mitgebracht hat. Besonders augenfällig ist die Verpflichtung einiger der wichtigen Wiener Galerien, die zum Teil nach langer Pause auf der Messe präsent sind, zusätzlich zu ihrer Teilnahme am Galeriefestival Curated by.

„Neutral“ zu sein will sich in der Zeit multipler Krisen wohl kaum jemand leisten. Der Begriff bildet das Oberthema von Curated by mit 24 teilnehmenden Galerien. Dabei geht es nicht unbedingt darum, Position zu beziehen, sondern darum, gesellschaftlichen, persönlichen oder künstlerischen Phänomenen nachzuspüren, sie sichtbar zu machen und zu befragen.

Einen sehr weiten Bogen schlägt Kurator Nick Irvin bei Layr, indem er unter dem Titel „Dowsing“ so unterschiedliche Künstler wie die 2016 jung verstorbene US-Amerikanerin Julie Becker, den 2021 gestorbenen jamaikanischen Musiker Lee „Scratch“ Perry, den gerade zu einer späten Markt- und Ausstellungskarriere ansetzenden Kölner Matthias Groebel oder den 1990 geborenen New Yorker SoiL Thornton. Ihm widmet die Secession gerade eine Ausstellung.

Die Papiercollage findet sich auf der Viennacontemporary auf dem Stand von Layr.

Foto: Layr

Allen Positionen ist die Weigerung gemein, sich unkritisch in Eskapismus zu flüchten. Sie gehen den Dingen auf den Grund und suchen nach Sinn oder Antworten. Vergleichbare Motive ziehen sich tatsächlich durch viele der Ausstellungen, die demografisch, ethnisch und geschlechtlich divers aufgestellt sind und zumeist von einer jüngeren Kuratorenriege gestaltet werden, die sehr nah am Puls der Zeit ist. Dabei bezieht sie jedoch nicht nur die eigenen Altersgenossen in ihre Praxis ein, sondern weitet den Blick.

Die Galerie Alba lässt mit ihrer bewegenden Ausstellung „Female Recollection“ die beiden Pionierinnen weiblicher zeitgenössischer Kunst, Barbara Hammer und Maria Lassnig, mit der 1991 geborenen Bosnierin Selma Selman und der Wienerin Florine Imo in einen Dialog über weibliches Erleben treten. Dass die Galerie zum wiederholten Male nicht Teil des offiziellen Festivals ist, dürfte genauso den Eigenheiten des Wiener Soziotops geschuldet sein wie die offensichtliche Feindseligkeit eines Teils der örtlichen Presse gegenüber der Viennacontemporary. Die Galerienszene scheint sich nach Jahren der Uneinigkeit immerhin mit der VC arrangiert zu haben.

Wien braucht eine internationale Kunstmesse

Der VC-Geschäftsführer Markus Huber erklärt, der Galerienverband habe sich dazu bekannt, dass Wien eine internationale Kunstmesse brauche, und das sei eben die Viennacontemporary. Sie werde ab dem nächsten Jahr in der denkmalgeschützten Halle D des Messegeländes stattfinden. Geplant seien maximal 100 teilnehmende Galerien. Alle seien sich laut Huber einig, dass jetzt die letzte Gelegenheit sei, in Wien eine internationale Messe zu positionieren.

Gleichwohl sollen nicht mehr als rund 35 einheimische Galerien dabei sein; die Zahl bleibe gleich, aber ihr Anteil am Ausstellerfeld sinke, die Messe werde also im Angebot internationaler.

Der Künstlerische Messedirektor Boris Ondreička erklärt: „Uns ist bewusst, dass Wien kein Blue Chip-Markt ist. Wir müssen uns also sehr genau überlegen, wie wir uns positionieren und wie wir uns für die Avantgarde-Galerien und -sammler attraktiv machen.“ Man müsse aber auch die Veränderungen im Markt berücksichtigen und das Format Kunstmesse weiterentwickeln, ergänzt Huber, weil junge Menschen durch den klassischen Marktplatz weniger anzusprechen seien.

Außerdem sei Österreich nicht nur Wien, fügt Ondreička hinzu. Dieses Potenzial wolle man heben. Klassische Moderne wolle man nicht ausschließen, um Zusammenhänge herzustellen. Aber das müsse in Zusammenarbeit mit den Shareholdern und dem Verband entwickelt werden.

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Rosige Aussichten für Wien also, nicht zuletzt, weil auch im nächsten Jahr beide Veranstaltungen wieder parallel um den 12. September starten sollen. Wäre da nicht die Konkurrenzmesse Spark, die nach zwei vielversprechenden Ausgaben für dieses Jahr abgesagt, von einigen einheimischen Galeristen jedoch noch nicht aufgegeben wurde. Aus Wiener Sicht wären zwei Messen für zeitgenössische Kunst in Frühjahr und Herbst möglicherweise wünschenswert. Auswärtige dürften das eher skeptisch sehen.

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