Marktentwicklung: Wer zuerst kommt, zahlt am wenigsten
London. Vergangenen Mittwoch trafen sich mehr als 100 Vertreterinnen und Vertreter des Kunstmarkts zur jährlichen Herbstkonferenz, organisiert von Art Market Minds, um nach der Sommerpause zu fragen, wie es im Kunstmarkt aktuell aussieht und wohin die Reise geht. Themen wie „Kunstmarkt an der Kreuzung“, „Strategien in einem schwachen Kunstmarkt“, „Die Zukunft von Museen“, aber auch „Die Zukunft der Arbeit“ waren Titel von Podiumsdiskussionen, die teils um den heißen Brei herumredeten, teils aber auch den Nagel auf den Kopf trafen.
Der neue CEO des Auktionshauses Phillips, der Jurist Martin Wilson, beschrieb zum Beispiel überzeugend die Notwendigkeit von Innovation und Erneuerung. Mit diversen Maßnahmen sollen die viel beschworene Generation Z und die Millennials von der Relevanz, Kunst zu kaufen, überzeugt werden. So will er neue digitale Informationswege beschreiten und die Preise flexibler gestalten. Seine Idee dazu ist vielleicht gar nicht so dumm: das Auktionshaus als Fluglinie – wer zuerst kommt, zahlt am wenigsten. Auch wurden die traditionellen „Gatekeeper“ hinterfragt – die Vermittler, die Kunstberaterfirmen, die global und unreguliert aus dem Boden schießen. Dass dies in einer Podiumsdiskussion geschah, in der Angestellte der Fine Art Group und von Beaumont Nathan die Bedeutung von Beratung und Vermittlung beschworen, zeigt die Vielfalt der Meinungen auf dieser Veranstaltung.
Auch das Thema KI spaltet die Gemüter. Hilft die Analyse großer Datenmengen, besseren Rat für Sammler zu geben, wie Emilia De Stasio von Artscapy betont, oder bleibt der Kunstmarkt ein „People Business“, wie es die Mehrheit glaubt? Hilft sie, effizienter zu arbeiten, oder birgt sie neue Gefahren? Ebenso strittig waren viele andere Fragen: Ist Kunst eine solide Anlageform oder nicht? Soll der Staat Kultur fördern oder muss sich die Sparte ökonomisch rechnen? Ist Kennerschaft noch relevant? Argumente riefen Gegenargumente hervor, kaum jemand hatte den Mut zu klaren Ansagen.
Der Finanzprofessor Roman Kräussl von der Bayes Business School in London war die Ausnahme. „Die jetzige Lage wird zur Normalität“, stellte der Deutsche kategorisch fest. Wachstum sah er nicht, obwohl viel Geld vorhanden sei. Er hielt es für dringlich, den Markt so zu gestalten, dass eine neue Generation daran aktiv teilnehmen will. Unterschwellig stellte sich dabei die Frage: Bleibt Kunstsammeln überhaupt relevant?
Die Zeit der Großfirmen scheint jedenfalls vorbei, statt Marktdominanz wurde nun Partnerschaft in den Vordergrund gestellt. „Wir müssen flexibel und leichtfüßig sein, um uns schnell auf neue Situationen einzustellen“, betonte Rakeb Sile, die in Addis Abeba die Galerie Addis Fine Art führt. Sie knüpft Partnerschaften, um afrikanische Künstler international zu fördern, zum Beispiel mit Esther Schipper in Berlin oder James Cohan in New York. An die Stelle von Wachstum sollten Inhalte treten, unterstützt von neuen Geschäftsmodellen. Spezifische Lösungen für spezifische Probleme seien gefragt.
Am Ende konnte man sich aber immer noch daran festhalten, dass der britische Kunstmarkt weltweit weiterhin an zweiter Stelle steht. Aber wie lange das wohl so bleibt? Die nächste Konferenz findet im Januar 2026 im derzeit boomenden Paris statt.
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