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Museum BrandhorstDie Eva Felten Fotosammlung sorgt für Vielstimmigkeit

Eva Felten schenkte dem Museum Brandhorst ihre Fotosammlung. Damit verfügt das Haus erstmals über einen nennenswerten Bestand und ist auf einen Schlag divers geworden.Christiane Fricke 17.01.2024 - 17:30 Uhr

München. Bis vor nicht langer Zeit war Eva Felten nur in ausgewählten Sammler- und Händlerkreisen ein Begriff. Inzwischen hat die zurückhaltend auftretende, zierliche Frau mit einer generösen Schenkung für Aufsehen gesorgt und München um eine große Sammlung zeitgenössischer und klassischer Fotokunst reicher gemacht.

Die Beschenkte ist aber nicht die Pinakothek der Moderne, die bekanntlich über eine bestens ausgestattete Abteilung verfügt, sondern das Museum Brandhorst. Das besaß bis dato zwar keinen nennenswerten Bestand an Fotografien. Aber hinter ihm steht mit dem 85-jährigen Udo Brandhorst und seiner hochdotierten Stiftung ein nimmermüde weiter sammelnder Förderer. Im Einklang mit Museumsdirektor Achim Hochdörfer wirkte Brandhorst jedenfalls sehr erfolgreich darauf hin, dass seine Lebensgefährtin Eva Felten mit ihrer 429 Werke umfassenden Sammlung eben das Museum bereichert, das seinen Namen trägt.

Da es sich bei einem großen Teil der Schenkung um Serien handelt, summieren sich die Neuzugänge auf über 1000 Einzelfotografien von mehr als 140 Künstlerinnen und Künstlern. Die abgedeckte Zeitspanne reicht von den 1930er-Jahren bis in die Jetztzeit. Vertreten sind Klassiker wie Gordon Parks, Helen Lewitt und Robert Frank, aber auch Zeitgenossen wie Isaac Julien, Zoe Leonard, Arthur Jafa und LaToya Ruby Frazier.

Ein knappes Drittel vom Gesamtkonvolut ist im Untergeschoss in einer fulminanten Wechselausstellung ausgebreitet. Jeder, der über die Freitreppe in den Saal hinuntersteigt, wird schon von Weitem neugierig gemacht.

Was zuallererst ins Auge fällt, ist das anregend abwechslungsreiche Erscheinungsbild der Hängung. Es gibt eine Fülle unterschiedlicher Formate und Bildträger, Arbeiten in Schwarz-Weiß und in Farbe, auch in der Kombination mit Video wie bei Isaac Julians Installation „Lessons of the Hour“ (1983/2019). Alles präsentiert sich wohl sortiert und ist so großzügig auf den Wänden platziert, dass man sich in einzelne Bilder vertiefen kann, aber auch den Zusammenhang in der Gruppe oder mit benachbarten Arbeiten auf sich wirken lassen kann.

Die Neugier wird aber auch deshalb angefacht, weil wir es mit der Darstellung von Menschen und damit mit der eigenen Spezies zu tun haben. Sichtbar wird, wie die Fotografinnen und Fotografen diese Menschen in den Blick nehmen, wie ihr Gegenüber Augenkontakt aufnimmt, wie wir selbst mit unseren Prägungen auf diese Bilder schauen. Komplexe Blickbeziehungen kristallisierte Kuratorin Monika Bayer-Wermuth denn auch als zentrales Thema der Schau heraus. Den Titel lieferte Roni Horns 96-teilige, im Close-up aufgenommene Porträtserie ihrer jungen Nichte: „This Is Me, This Is You“ (1997-2000).

Felten selbst staunt immer noch, wie sich die roten Fäden ihrer – wie sie wiederholt betont – nicht systematisch zusammengetragenen Sammlung im Laufe der Gespräche mit den Museumskuratoren zu einem größeren Bild fügten. „Naiv“ sei sie in den frühen Siebzigerjahren an die Sache herangegangen, habe zunächst die Wände dekorieren wollen. Die Kunst lieferte die Impulse. Das Bewusstsein, aus einem „kunstfernen Haushalt“ zu stammen, hatte sie neugierig gemacht.

>>Lesen Sie auch: Deutsches Fotoinstitut: Gründungskommission lässt viele Fragen offen

Mit Zeichnungen und Papierarbeiten fing das Sammeln an, inspiriert von einem Kunst liebenden Freundeskreis und Impuls gebenden Ausstellungen, wie sie etwa Zdenek Felix in den späten Achtzigern für den Münchener Kunstverein organisierte. In diesem Umfeld interessierte sich die studierte Betriebswirtin zunächst für Gemälde und Skulpturen, etwa von Roni Horn, Richard Prince und Sherrie Levine. Erst über diesen Umweg kam sie langsam zur Fotografie.

Noch zu ihren frühen Erwerbungen zählt Eva Felten die vielteilige Serie „Something More“ (1989) der australisch-indigenen Künstlerin Tracy Moffat. „Die stand nach dem Kauf erst einmal im Keller“, erinnert sich die Sammlerin mit Blick auf die großen, schwer unterzubringenden Bildformate. Aber bereits in diesem Ankauf, den sie auf einer Messe tätigte, spiegelt sich ihr Interesse für gesellschaftliche Themen.

„Für unser Denken und unsere Gesellschaft sind alternative Lebensmodelle enorm wichtig“, äußerte sie im Gespräch mit Achim Hochdörfer. In ihnen würden sich emotionale Intensitäten abbilden, „aber auch ein Gefühl für die Ungerechtigkeiten, unerfüllten Wünsche und gesellschaftlichen Konflikte, die sie provozieren“. Es gehe um Emanzipation, um die Präsenz von Vielfalt und Diversität, um Rechte für Menschen, die lange für ihre Lebensentwürfe nicht nur gesellschaftlich geächtet, sondern auch rechtlich bestraft wurden.

Eine Sammlung, die eine solche Vielfalt an Perspektiven eröffnet, kommt für das Museum Brandhorst gerade zur rechten Zeit. Denn erst vor drei Jahren nahm sich Museumsdirektor Hochdörfer mit Blick auf die westlich geprägte Sammeltradition des Hauses selbst in die Pflicht. Zu Recht werde der kunstgeschichtliche Kanon, mit dem wir seit Jahrzehnten arbeiten, auf allen Ebenen durchleuchtet. „Wir müssen uns diesen Fragen stellen“, forderte er in einem Aufruf in der Zeitschrift „Politik & Kultur“.

Eine Bereicherung ist die Fotosammlung Felten für das Museum Brandhorst auch deshalb, weil sie mit so vielen Werken von Künstlerinnen aufwarten kann. „Auch das war kein vorgefasster Plan“, sagt Felten. Aber sie fände die weibliche Perspektive oft interessanter: „wie sie sich bewegen, was sie anhaben, wie sie in ein Klischee gedrängt werden oder sich dagegen wehren“.

Mit diesem Blick gelingen spektakuläre Ankäufe, darunter eine frühe Arbeit der vergleichsweise unbekannten Suzy Lake. Bei Michèle Didier auf der Art Basel 2022 entdeckte Felten die 84-teilige, „On Stage“ betitelte Schwarz-Weiß-Serie (1972-74). Darin befasst sich die kanadische Künstlerin in wechselnden Rollenspielen mit den gesellschaftlichen und medialen Vorstellungen eines idealen Frauenbildes. Lake gilt als wichtiger Impuls für Cindy Sherman und als ihre Vorläuferin. Für den Ankauf einer Sherman-Arbeit war es da aber längst zu spät. „Die war in den 1990er-Jahren schon zu teuer“, erinnert sich die Sammlerin.

Wenn Eva Felten weiter mit so glücklicher Hand erwirbt, kann sich das Museum Brandhorst freuen. Es soll bei Neuankäufen in den Genuss von Zustiftungen kommen.

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„This Is Me, This Is You. Die Eva Felten Fotosammlung“, bis 7.4.2024, Museum Brandhorst, München. Katalog Deutscher Kunstverlag 45 Euro, auch an der Museumskasse

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