Neues Domizil: Fondation Cartier plant ein neues Museum im historischen Zentrum von Paris

Die Kunststiftung des Luxuskonzerns Cartier plant ein neues Domizil für ihre Sammlung.
Paris. Der Pressesprecher der Pariser „Stiftung Cartier für zeitgenössische Kunst“ antwortet auf die Frage, ob der neue Sitz der „Fondation Cartier“ im Zentrum von Paris wirklich in Planung sei: „Wir können die Nachricht weder bestätigen noch widerlegen.“ Die französische Presse kündigte an, das Gebäude des „Louvre des Antiquaires“ könnte ab dem nächsten Jahr umgebaut und 2024, zum vierzigjährigen Jubiläum der „Fondation Cartier“, eröffnet werden. Der 75-jährige Gründer und Präsident der Stiftung, Alain Dominique Perrin, soll den Stararchitekten Jean Nouvel mit der Planung des Umbaus des „Louvre des Antiquaires“ beauftragt haben.
Der aktuelle Sitz der „Fondation Cartier“ im 14. Arrondissement von Paris, ein architektonisches Glasbau-Manifest des gleichen Jean Nouvel, umfasst 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die wegen der hohen Glaswände im Erdgeschoss den Kuratoren Anpassungsfähigkeit abverlangen. Aber seit der Eröffnung im Jahre 1994 bot er stupende Schauen mit dreidimensionalen, filmischen oder digitalen Werken und Gemälden.
Warten auf die Baugenehmigung
Das anvisierte Gebäude des „Louvre des Antiquaires“, gegenüber dem Louvre gelegen, beherbergte mehr als 200 Antiquitätenhändler-Kojen. Es verfügt über 6.000 Quadratmeter im Erdgeschoss und im ersten Stock und liegt mitten auf der Pariser Kunstmeile zwischen dem Centre Pompidou, der „Collection Pinault“ in der Handelsbörse, dem Louvre und dem Musée des Arts Décoratifs.
Die „Fondation Cartier“ erwarb im Laufe ihrer 34-jährigen Tätigkeit etwa 1 500 Auftragswerke. Wegen Platzmangels kann sie jedoch ihre Sammlung nicht zeigen. Alain Dominique Perrin erzählte dem Handelsblatt bereits vor Jahren, dass er eine Erweiterung der Stiftung auf ein benachbartes Grundstück plane. Die nötige Baugenehmigung erhielt er jedoch nie.
Der Grund für die inoffizielle Bekanntgabe des angepeilten Standorts der Stiftung ist vermutlich, dass die Umbaugenehmigung für den „Louvre des Antiquaires“ von den offiziellen staatlichen Stellen auf sich warten lässt. Da die französischen Staatsmühlen nach Perrins Erfahrung zu langsam mahlen, bediente er sich der Medien. Er weiß, dass die Pressestimmen anerkennend oder entrüstet kommentieren werden.
Denn die „Fondation Cartier pour l’art contemporain“, 1984 in einem Park in Jouy-en-Josas, 30 Kilometer südwestlich von Paris, eröffnet, ist synonym für Pioniergeist und beste Qualität. Ihre erste Leiterin, Marie-Claude Beaud, organisierte epochemachende Schauen und Events, die zeitgenössische Kunst, Fotografie, Musik, Mode, Architektur, Design und Zeitgeist-Themen inkludierten.
Der am 10. September verstorbene Philosoph und Städteplaner Paul Virilio, einer der bedeutendsten Denker und Mahner unserer Zeit, lieferte den geistigen Hintergrund für mehrere Cartier-Ausstellungen. Beginnend im Jahr 1991 mit „Die Geschwindigkeit“ bis zu „Exit“ vor drei Jahren, wo er die Zwangsmigration von rund einer Milliarde Menschen wegen des Klimawandels verdeutlichte.
Auf Anregung von Alain Dominique Perrin fand in den 1980er- Jahren ein Happening im Skulpturenpark der Stiftung statt, in dem der Bildhauer César Tausende falsche Cartier-Uhren zu einer Skulptur komprimierte. Dies war (abgesehen von der Finanzierung) die einzige Verbindung zwischen dem Luxuskonzern und der Kunststiftung.


Erfolgreich mit Prinzipientreue
Denn die Stiftung basiert auf fünf Prinzipien. Erstens: ein Ort für lebende Künstler aus aller Welt und Generationen überspannend zu sein. Zweitens: für ein großes Publikum rezipierbar zu bleiben. Drittens: spartenübergreifend unter dem Motto „Alles ist möglich“ zu agieren. Marie-Claude Beaud, die die Stiftung nach dem Umzug nach Paris 1994 verließ, um das Moderne Kunst Museum Luxemburg (Mudam) zu lancieren und jetzt das Neue Staatliche Museum Monaco (NMNM) leitet, betont, dass sie „niemals mehr so viel Freiraum hatte“. Viertens – eine Rarität für einen Firmenmäzen – die strenge Trennung zwischen der Tätigkeit des Luxuskonzerns Cartier und der gleichnamigen Kunststiftung. Fünftens: der Aufbau einer Sammlung.
Seit dem Transfer in das Pariser Glasgebäude leitet Hervé Chandes die Stiftung. Er präsentiert die Sammlung rund um den Erdball. Dem Pioniergeist treu bleibend und die Hegemonie des Westens im Kunstbereich beiseite lassend, stellte Chandes die zeitgenössische Kunst aus Schwarzafrika, China und Japan vor. Er beauftragte den Fotografen und Filmemacher Raymond Depardon, aussterbende Ethnien in Südamerika zu filmen, lud den Filmemacher David Lynch zu einer visuell prägenden Schau ein und präsentierte unzählige, weltweit aufgespürte Künstler in der „Fondation Cartier“.





