Sammlung Klein Mit Kunst den Blick weiten

Das quadratische, in Mischtechnik auf Leinwand gemalte Bild „Ohne Titel“ entstand 2005.
Stuttgart Peter Klein ist ungewöhnlich. Als Unternehmer, aber auch als Kunstsammler, Stifter und Mäzen. Den elterlichen Betrieb für Schnellverschlusskupplungen hat er zu einem Weltmarktführer gemacht. 2007 konnte der Schwabe die Firma Rectus an Parker Hannifin verkaufen – zu einem sehr hohen Preis. Da war er bereits Jahrzehnte Sammler und hatte Hunderte, ja Tausende vosind n Kunstwerken zusammen mit seiner Frau Alison gekauft.
Um seine Begeisterung für die Kunst weiterzugeben, eröffnete Klein in dem Nest, in dem er lebt – Nussdorf – ein Privatmuseum samt einer Kuratorin, die wechselnde Ausstellung verantwortet. Dass hippe Kunstflaneure aus Berlin den Weg dorthin kaum finden, stört Klein nicht. Er hat eher seine Mitarbeiter und deren Familien im Blick.
Peter und Alison Klein schielen nicht auf den Ruhm, den sich Sammler in der von Äußerlichkeiten nicht ganz freien Kunstszene erwerben können. Denn sie haben in 30 Jahren nicht nach Namen, Hypes und Must-Haves gekauft. Nur was sie ansprach, wurde erworben. Über 2.000 Werke sind es mittlerweile von knapp 800 Künstlern. Darunter bewusst viele junge Kunstschaffende.

Auf das Gemeinwohl bedacht.
Die Begegnung mit Kunst war ein einschneidendes Erlebnis in Kleins Vita: „Erst durch die Kunst bin ich wieder Mensch geworden und durch die Anthroposophie.“ Der im pietistischen Schwaben aufgewachsene Unternehmer war bis in die späten 1970er-Jahre ausschließlich auf Firma, Wachstum und Zahlen fokussiert. „Durch das Sammeln bekam ich eine andere Sichtweise, nicht nur für die kreative Welt, sondern auch für die Lebensweise von Menschen außerhalb meiner mir bekannten Wirtschaftswelt“, schreibt er im E-Mail-Interview dem Handelsblatt, als der Privatier in den USA weilt.
Sein Mut als Sammler wie als Unternehmer wuchs stetig. Die Künstlerinnen und Künstler, die er nach und nach kennen lernte, beeindruckten ihn mit „ihrer bedingungslosen Hingabe an die Kunst“ – selbst wenn die Anerkennung des Marktes ausbleibt. Zielstrebigkeit, Mut zum Risiko, Beharrlichkeit, Neugierde und Toleranz zeichnen den Sammler wie den Marathonläufer und den Unternehmer aus.
Letzterer expandierte schließlich nach Australien. Das Sammlerpaar kaufte Kunst der Aborigines und Werke verschiedener australischer Fotokünstlerinnen. Die Lichtbilder von Tracey Moffatt etwa sehen aus wie prachtvolle Filmstills, beinhalten aber eine Emanzipationsgeschichte der Ureinwohner.
Typisch Peter Klein: Dass er mit Tracey Moffatt und mit Chiharu Shiota Werke von Künstlerinnen besitzt, die 2017 beziehungsweise 2015 auf der Biennale von Venedig ausstellen, zeigt für ihn nur, „dass uns unser Bauchgefühl nicht im Stich gelassen hat. Es ist für uns jedoch kein Kriterium.“ Viel wichtiger sind ihm deren gesellschaftskritische Aspekte.
In der umfangreichen Sammlung Klein gibt es einen Gutteil Werke, die den Blick auf politische Fragestellungen lenken. Das haben die beiden Kuratoren des aktuellen Gastspiels der Sammlung Klein im Kunstmuseum Stuttgart herausgearbeitet. Direktorin Ulrike Groos und Galerist Klaus Gerrit Friese kombinieren da ansprechend kühn Anselm Kiefers „Lehre vom Krieg“ mit Florian Heinkes „Riot. Heimat 02“, Ulrike Rosenbachs feministische Videos mit Gregory Crewdsons unheilschwangeren Farbfotos in XL oder den persisch überschriebenen Schwarz-Weiß-Porträts von Shirin Neshat.

„Lucie“.
Ein anderer Schwerpunkt liegt bei der abstrakten Malerei. Von Sean Scully haben die Kleins sehr viele Arbeiten, mit ihm sind sie eng befreundet. „Scullys Bilder sind für mich eine melancholische Zeitreise auf dem Weg zu mir selbst“, zitiert der Katalog den Sammler. Scullys geometrische Abstraktionen seien eine Art Schutzschild.
Großartig ist die feine Auswahl an selten gesehenen Zeichnungen von Chiharu Shiota, Thomas Müller und Louise Bourgeois. „Der Strich vergibt nichts.“ So begründet Peter Klein sein Faible für den unmittelbaren Ausdruck auf Papier.
Nebenwege und Konzentration
Weil jeder Faden, auch der in der Ausstellung entdeckte rote, aus mehreren Strängen besteht, sammeln die Kleins auch die jüngere figurative Malerei von David Schnell, Markus Oehlen, Corinne Wasmuht und Karin Kneffel. Wie letztere dabei Malereigeschichte und die Illusion von Malerei reflektiert, lässt sich da gut nachvollziehen.
Der Museumsbesucher begegnet auch den persönlichen Entdeckungen der Kleins. Der jungen Künstlerin Franziska Holstein etwa bleiben sie treu und begleiten sie in ihrer Entwicklung. „Uns fasziniert ihr malerischer Werdegang von einer figürlichen zu einer emotionalen, abstrakten Position.“
In Anlehnung an den von dem Händler-Sammler Heinz Berggruen benutzten Buchtitel von den Haupt- und Nebenwegen möchte man mit Blick auf die Sammlung Klein sagen, dass es viele Nebenwege gibt. Doch der Konzentrationsprozess hat schon vor acht Jahren begonnen. Nur noch ein gutes Dutzend Œuvres wird weiterverfolgt. Und ganz nebenbei enthüllt Peter Klein in der Mail den nächsten Schritt: „Wir werden sicherlich im Laufe der nächsten zwei Jahre Teile unserer Sammlung veräußern und den erzielten Ertrag unserer ‚Alison und Peter Klein Stiftung’ zuführen.“
Die auf das Gemeinwohl bedachten Eheleute haben ihre Stiftung mit einem Vermögen von fünf Millionen Euro ausgestattet. Die Jugend-, Behinderten- und Altenhilfe besonders in der Gemeinde von Nussdorf profitieren davon. Aber auch die Museumsbesucher. Wenn sie am Wochenende von der Stuttgarter Fußgängerzone in den Glasbau treten, brauchen sie keinen Eintritt zu entrichten. Den übernimmt das Sammlerpaar.
„Über den Umgang mit Menschen, wenn Zuneigung im Spiel ist“ – so lautet der lange Titel einer Selbstverortung der Künstlerin Anna Oppermann (1940–1993). Die Assemblage von 250 Zetteln, Zitaten und Bildern haben die Kleins kürzlich erworben. Die raumbeherrschende Installation liefert auch dem musealen Einblick in die Sammlung Klein den passenden Titel.
Sammlung Klein. Kunstmuseum Stuttgart, bis 5.11. Freitagabend, Samstag und Sonntag freier Eintritt.
Zahlreiche Kunstgespräche: 20.9., 4.10., 11.10., 25.10. Kostenlose Kuratorenführungen am 22.9., 20.10.und am 3.11.
Das KUNSTWERK – Sammlung Klein, Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf, Tel.: 07042-3769566
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