Staatliche Repräsentation In Katar liegt Kunst in den Händen des Herrschers

Das Museum soll 2019 eröffnet werden.
Doha Wie ein Wallfahrtsort ruht das Islamische Museum von Katar auf einer künstlichen Insel über dem Golfwasser. Eine lange, von Palmen flankierte Brücke führt von der Küstenstraße auf den kubischen, an arabische Sakralarchitektur erinnernden Bau zu.
Im Innenraum des 2008 eröffneten Museums werden die Schaustücke theatralisch in raumbeherrschenden Vitrinen ins Licht gehoben, in den ersten Sälen noch als Solitäre, im weiteren Rundgang dann in Aneinanderreihung unterschiedlicher Exemplare einer Gattung oder ein und desselben Materials. Besucher begegnen hier zahlreichen Stücken wieder, die in den letzten 15 Jahren auf dem internationalen Kunstmarkt erworben wurden.
Der Höhenflug für Kunst aus den islamischen Ländern begann 1993 mit dem Kauf eines Bronzelöwen für 2,4 Millionen Pfund bei Christie’s, den der junge Scheich Saud Al Thani, ein Vetter des Emirs von Katar, ersteigerte.
Er hatte den Auftrag, als Kultusminister für fünf geplante Museen des Golfstaats die besten und teuersten Kunstwerke zu erwerben. Dazu gehört auch das im zehnten Jahrhundert im maurischen Spanien entstandene Bronze-Reh, das 1997 bei Christie’s 3,6 Millionen Pfund einspielte und jetzt im mittleren Museumssaal als charismatisches Einzelstück prangt.
Höchstes Pro-Kopf-Einkommen der Welt
Wer die Kunst als Instrument einer nationalen Selbstfindung und staatlicher Repräsentation zugleich betrachtet, wird in den Museen von Katars Hauptstadt Doha Paradebeispiele finden. Das Land am Persischen Golf — eine Region, die lange als kunstfern und bilderfeindlich galt — kann längst mit anderen Schwellenländern der Kunst wie China, Indien und Mexiko mithalten.
Denn auch hier sind im letzten Jahrzehnt Sammlungen und Museen in ungeahnter Fülle und Qualität entstanden. Katar hat mit seinen 2,7 Millionen Einwohnern, von denen nur jeder Neunte Inländer ist, das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Die Öl- und Erdgas-Reserven werden noch für Generationen den Wohlstand sichern.
Während sich die Scheichs im Nachbarland Abu Dhabi Kostbarkeiten aus dem Louvre ausborgen und sich in eine fremd gesteuerte kulturelle Zukunft begeben, investiert Katar nicht nur in Sport, sondern auch in Kunst.
Bereits kurz nach der Jahrtausend-Wende wurden in Katar Pläne geschmiedet, das Land über das soziale Leben hinaus mit geistigem und kulturellem Zukunftsstoff zu versorgen. Dazu gehören Investitionen in die Bibliothek und in diverse Kunstmuseen.
Das Islamische Museum ist als strahlendes Sinnbild Dohas ein Schatzhaus der islamischen Weltkunst, eine Essenz aller Kunstgattungen und Formen vom neunten bis zum 19. Jahrhundert. Damit entspricht es der von I.M. Pei, dem chinesischen Stararchitekten, beschworenen „Essenz der islamischen Architektur“.
Direktorin des Islamischen Museums ist Julia Gonnella, eine Deutsche, die vor einem Jahr von Berlins Islamischem Museum abgeworben wurde. Sie bezeichnet das Haus als „ein Museum der Spitzenstücke“. Zu ihren Aufgaben gehört es, einen Relaunch der Sammlung vorzubereiten. In der Tat sind einige Abteilungen – unter anderem die der Moschee-Lampen und der zu dominanten Astrolabien – allzu dicht bestückt.

Leitfigur des katarischen Museums-Imperiums ist Sheika Al Massaya Al Thani (M.). Sie bestimmt die Ankaufspolitik.
Marktbeobachter erinnern neben den Höchstpreisen für den Bronze-Löwen und das -Reh viele Ankäufe für das Islamische Museum, die als Rekordpreis-Objekte Auktionsgeschichte geschrieben haben. Dazu gehören der mamlukische Kerzenständer aus dem 14. Jahrhundert, der 2011 bei Sotheby‘s für 4,5 Millionen Pfund zugeschlagen wurde, und ein Emailglasbecher, der 2009 bei Sotheby’s 1,5 Millionen Pfund erlöste.
Im Dezember 2007 wurden für drei historische Koran-Manuskripte in Londoner Auktionen 2,7 Millionen Pfund ausgegeben.
Den Rekordbetrag für einen Teppich setzte das Museum im März 2009 bei Sotheby‘s ein, als es den mit Naturperlen und Diamanten besetzten „Perlenteppich von Baroda“ für 5,5 Millionen Dollar erwarb. Dieses um 1685 entstandene Prachtstück wird das Kernstück einer Ausstellung sein, um die der chinesische Künstler Ai Weiwei eine Ausstellung plant, die auch historische Bezüge hat. Denn Katar war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts der wichtigste Weltlieferant von Naturperlen.
Missbrauch öffentlicher Gelder
Scheich Saud, den die „New York Times“ als „einen der weltweit fruchtbarsten und individuellsten Sammler“ bezeichnete, trat zwölf Jahre in Auktionen und auf der Maastrichter Messe als Megakäufer auf. Neben staatlichen Ankäufen von Antiken bis Fotografie erwarb er auch Spitzenstücke für seine Privatsammlung.
Allein in den Jahren 2000 bis 2005 kaufte er Kunst für 134 Millionen Pfund in London. Dabei kam er in Interessenkonflikte und häufte im Zusammenspiel mit Händlern Schulden an. 2005 wurde er wegen des Missbrauchs öffentlicher Gelder seines Amtes enthoben und musste Tage im Gefängnis verbringen. 2014 starb er an Herzversagen in seiner Londoner Zweitwohnung.
Das Islamische Museum ist Dohas ästhetisches Zentrum. Doch der Golfstaat hat weitere Ambitionen. Weiter außerhalb gibt es bereits ein Museum für die moderne Kunst arabischer Länder. Doch die Lage ist ungünstig. In den nächsten zehn Jahren sollen außerdem drei neue Museen entstehen.
Das National Museum von Katar wird 2019 eröffnet. Den Bau am südlichen Ende der Strandpromenade Dohas in Form einer vielteiligen Sandrose hat — wie das von Flechtwerk überwölbte Museum in Abu Dhabi — der Franzose Jean Nouvel entworfen. Er bezeichnet den Bau als „moderne Karawanserei“ und spricht von „Schönheit, die durch die Begegnung von Wüste und Meer entsteht“.

Er wurde im November 1993 bei Christie's für 2,42 Millionen Pfund versteigert.
Hier soll auf 86.000 Quadratmetern das Kulturerbe des Landes mit Ausgrabungen, Interieurs, Textilien, Dekorationsstücken und Dokumenten ausgebreitet werden. Ein Restaurant, Cafés und ein mit heimischen Gewächsen bepflanzter Garten sollen Publikumsmagneten werden, wie das auch von Einheimischen gut besuchte Café im Islamischen Museum.
In der Planung der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron ist ein Museum für die Kunst der Orientalisten, jener europäischen Künstler, die das Bild der orientalischen Welt im 18. und 19. Jahrhundert geprägt haben. Hier soll auch die von Scheich Saud aufgebaute Fotosammlung gezeigt werden.
Auch ein Haus für die Moderne wird in absehbarer Zeit entstehen. Favorit der Planer ist der chilenische Architekt Alejandro Aravena, der 2016 den renommierten Pritzker-Preis gewann und der für seine streng geometrischen Bauten bekannt ist.
Dominante Leitfigur
Leitfigur des katarischen Museums-Imperiums, das den Namen „Katar Museums Authority“ trägt, ist Sheika Al Massaya Al Thani, die auch die aktuelle Ankaufspolitik und das Erscheinungsbild der Museen bestimmt. Ihre Dominanz ist wohl auch der Grund, warum der vor drei Jahren engagierte „Chief Executive“ der Museen, der Brite Edward Dolman, in diesem April von seinem Amt zurücktrat.
Die Sheika besitzt zudem eine eigene Sammlung hochkarätiger Gegenwartskunst. Was sie für die Museen oder privat erworben hat, wird sich deshalb erst nach der Eröffnung des neuen Hauses zeigen.
Zu den Moderne-Ankäufen der letzten zwölf Jahre zählen Mark Rothkos 72 Millionen Dollar teures Gemälde „White Center (Yellow, Pink and Lavender on Rose)“, das Sotheby’s 2010 aus Rockefeller-Besitz versteigerte, Damian Hirsts Pillenschrank „Lullaby Spring“ für 9,7 Millionen Pfund, durch Privatverkäufe bei Sotheby‘s Gustav Klimts Gemälde „Wasserschlangen II“ für 112 Millionen Dollar und ein Triptychon des angesagten chinesischen Künstlers Zhang Xiaogang für 10,1 Millionen Dollar.
Auch Pablo Picassos 2015 bei Christie’s zum Rekordpreis von 179 Millionen Dollar versteigertes Gemälde „Les Femmes d‘Alger“ und Paul Gauguins Doppelporträt zweier Tahitianerinnen soll 2015 für 250 Millionen Dollar an die katarische Königsfamilie verkauft worden sein.
Dass Katar sich rasant weiterentwickelt, ist auch an ungezählten neuen Siedlungen unweit der Hauptstadt, an einem im Bau befindlichen Bahnnetz und an Autostraßen abzulesen, die einstweilen noch ins Niemandsland führen. Auch die kulturelle Infrastruktur ist mehrgleisig abgesichert.
Doch eine Kritik, die die Kunsthistorikerin Grace Murray ausspricht, die von 2012 bis 2015 Leiterin des Museums für Moderne Arabische Kunst war, bleibt: „Dieses kulturelle Potenzial verlangt mehr nachhaltige institutionelle Strukturen und eine ermutigende Entfaltung nicht staatlicher Organisationen.“ Das betrifft natürlich auch die uneingeschränkt von der Herrscherfamilie geprägte Museumspolitik.
Mitarbeit: Lilian Fiala
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