Ranking „Die 101 besten Hotels Deutschlands“ Vier Jahreszeiten Hamburg und Schloss Elmau: Gemeinsam an der Spitze

Das Hamburger Fünfsternehaus behauptet den Spitzenplatz.
(Foto: Getty images)
Düsseldorf An Abenden wie diesem im November ist Cyrus Heydarian ein sehr zufriedener Hotelchef. Schon zum Lunch war sein Spitzenrestaurant „The Duchy“ im Düsseldorfer Fünf-Sterne-Haus Breidenbacher Hof ausgebucht, und auch beim Dinner sind nun alle Tische besetzt. Die Gäste bestellen Kingfish Sashimi aus der Raw Bar, Eifler Hirschrücken oder Spekulatius-Törtchen. Der Service hat alle Hände voll zu tun, um sein Abendwerk mit der in solchen Restaurants nötigen Professionalität und Aufmerksamkeit zu verrichten.
Zwischendurch begrüßt der Chef den einen oder anderen Gast – und verteilt Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er glaubt, dass die seine Botschaft verstanden haben: „Unser Hauptprodukt in diesem Hotel“, sagt Heydarian, „ist Service, nichts anderes. Dafür brauche ich keine Befehlsempfänger, sondern Menschen, die mit Herz und Seele dabei sind und dafür entsprechend entlohnt werden.“
Mit derartiger Begegnungsqualität werben die besten Hotels der Republik um die Gunst der Gäste. Die Nummer eins im Düsseldorfer Fünf-Sterne-Kosmos wird dafür nun belohnt: In der zweiten Ausgabe des Rankings „Die 101 besten Hotels Deutschlands“, bei dem das Handelsblatt Partner ist, hat sich der Breidenbacher Hof von Platz sechs auf Rang drei vorgeschoben, nur bezwungen vom Vorjahressieger Vier Jahreszeiten aus Hamburg und dem Vorjahreszweiten Schloss Elmau im oberbayerischen Krün. Die beiden Spitzenhotels ganz im Norden und ganz im Süden der Republik rangieren diesmal gemeinsam auf dem Spitzenplatz.
Dass Herbergen außerhalb der Ballungszentren und mit Resortcharakter die Auswirkungen der Pandemie offenbar besser als viele andere Spitzenhotels verkraften, zeigt die Rangliste deutlich: Mit Schloss Elmau auf dem 1. Platz, dem Severins Resort & Spa (4.) auf Sylt, der Ofterschwanger Sonnenalp (7.) und dem Tegernseer Bachmair Weissach Spa & Resort (8.) als Aufsteiger des Jahres liegen gleich vier Ferienhotels unter den ersten zehn.
Komplettiert werden sie vom Mandarin Oriental München (5.), dem Althoff Seehotel Überfahrt (Rottach-Egern/6.), dem Brenners Park-Hotel & Spa (Baden-Baden/9.) und vom Hotel Traube Tonbach (Baiersbronn/10.)
Erstmals hat die 101-Besten-Rangliste auch Preise in sechs Unterkategorien verteilt. „Die verschiedenen Rubriken unterstützen den Entscheidungsprozess des Kunden bei seiner Suche nach dem besten Spa-, Stadt- oder Grandhotel“, sagt Ingo C. Peters, Chef des erneuten Siegers Vier Jahreszeiten.
Auch in der Kategorie Grandhotels steht sein Haus an der Spitze, gefolgt vom Breidenbacher Hof und dem Adlon in Berlin. Die weiteren Sonderpreisträger: das Mandarin Oriental München als bestes Stadthotel, Brenners Park-Hotel in der Kategorie Spa/Health Resorts, Althoff Seehotel Überfahrt (Kulinarische Hotels), Europäischer Hof Heidelberg (Hotels in historischen Gemäuern) und noch einmal Schloss Elmau (Hideaways).
Ähnlich wie Heydarian in Düsseldorf weiß auch Peters in Hamburg, was sein Haus erneut an die Spitze gebracht hat: Exzellenter Service kann nur mit exzellenten Mitarbeitern erreicht werden. „Luxus bedeutet, in Qualität zu investieren“, sagt Peters – auch in die der Mitarbeiter. Während der pandemiebedingten Kurzarbeit habe man in Mitarbeiterloyalität investiert, die Gehälter von Beginn an auf 100 Prozent aufgestockt und Schulungen angeboten.
Es ist ein Prinzip, das alles andere als ein weiches ist, mittlerweile standardisiert und messbar ist. „Früher hat man in guten Zeiten in den Service investiert, heute ist es genau umgekehrt“, sagt Carsten K. Rath. Seit fast zwei Jahren ist der 101-Beste-Ideengeber und Handelsblatt-Autor auch Direktor und operativer Leiter des Center for Service Excellence (CSE) an der Universität Koblenz-Landau.
Am CSE nähert man sich dem Thema auf akademische Weise: Hier werden unter anderem internationale Standards entwickelt, die Unternehmen helfen sollen, sich in Richtung Serviceexzellenz weiterzuentwicken.
In Hotels funktioniert das nur mit gut ausgebildetem und ebenso gut motiviertem Personal. Womit viele Häuser in einem Dilemma stecken. Denn die Pandemie hat einen Trend verstärkt, der seit Jahren zu beobachten war, aber in den Jahren des prächtigen Umsatzwachstums vor Corona oft vernachlässigt wurde: Dem Beherbergungsgewerbe laufen die Mitarbeiter davon, und potenzielle neue sind kaum noch zu begeistern für den Job.

Luxus bedeutet, in Qualität zu investieren.
Die pandemiebedingten Buchungseinbrüche und Lockdowns spielen dabei die Rolle des Verstärkers: „In der Kurzarbeit hatten die Mitarbeiter viel Zeit, darüber nachzudenken, wie sie ihr Leben weiter gestalten wollen“, sagt Heydarian. Sie entschlossen sich vielfach, neue Wege zu gehen – und wanderten in andere Branchen ab, die oft besser bezahlt sind oder regelmäßigere Arbeitszeiten bieten.
Nun steht die deutsche Hotellerie vor einem weiteren Coronawinter, und nahezu ebenso stark wie mögliche Buchungsrückgänge oder gar Lockdowns in der vierten Welle der Pandemie fürchtet die Branche deren Auswirkungen aufs Personal.
Die bisherigen Zahlen sind eindeutig: Im April 2021 gab es noch gut 266.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Beherbergungsgewerbe, zwei Jahre zuvor waren es 307.000. Ein drastischer Rückgang auch bei den Ausbildungszahlen: Entschlossen sich 2010 noch knapp 37.000 junge Menschen für ein Ausbildungsverhältnis, waren es 2020 nur noch etwas mehr als 17.000. Innerhalb einer Dekade fast halbiert hat sich die Zahl der angehenden Köche: Gegenüber 2010 ließen sich 2020 45,3 Prozent weniger Menschen in diesem Beruf ausbilden.
Corona zeigt, in welche Schieflage die Hotelbranche in Sachen Bezahlung geraten ist. Die Verdienste vieler Mitarbeiter bewegen sich im Niedriglohnsektor, den sie oft nur durch zusätzliches Einkommen über Nacht- und Wochenendzulagen und über Trinkgeld verlassen können – in Zeiten von Kurzarbeit, die die Mitarbeiter in die eigenen Wohnungen zwang, entfiel dieser Zusatzverdienst.
Die Folge: Viele Beschäftigte rutschten unter die Hartz-IV-Grenze. Heydarians persönliches Fazit: Wenn die Branche wieder wachsen will, dann sind Mitarbeiter „definitiv die kritischste Ressource. Da steht unsere Branche momentan auf dünnem Eis.“
Was also tun gegen den Personalmangel? Vorschläge gibt es zur Genüge, seit die Pandemie der Branche den Spiegel vorgehalten hat und sie zum Reflektieren über die eigenen Fehlentwicklungen zwingt. Einig sind sich die Fachleute in drei Punkten.
1. Bessere Bezahlung
Der Landesverband Rheinland-Pfalz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) veröffentlichte Anfang November seine „Sieben Meilensteine zur Mitarbeitergewinnung im Gastgewerbe“. Besonders ein Punkt sorgte für Aufsehen: Landespräsident Gereon Haumann und seine Mitstreiter fordern unter anderem, dass Auszubildende im ersten Lehrjahr 1000 Euro pro Monat bekommen sollen – das wäre eine Steigerung von 60 Prozent. Geradezu revolutionär für einen Verband, der in Tarifverhandlungen auf der Arbeitgeberseite auftritt.
Immerhin noch 42 und 30 Prozent mehr sollen es fürs zweite und dritte Ausbildungsjahr sein. Ausgebildete Fachkräfte sollen statt elf nun mindestens 15 Euro die Stunde bekommen, der Monatslohn bei 2535 Euro liegen (plus 36,4 Prozent). Die unterste Lohnstufe soll künftig immer mindestens fünf Prozent über dem Mindestlohn liegen – ohne Trinkgelder und Zuschläge.
„Das ist ein Paradigmenwechsel“, sagt Haumann, für den der „mutige Schritt“ alternativlos ist: „Wir möchten raus aus der Ecke der vermeintlichen Niedriglohnbranche.“ Die zusätzlichen Personalkosten für die Arbeitgeber – Haumann spricht von 25 bis 30 Prozent – sollen unter anderem über Preissteigerungen für die Gäste abgefangen werden.
Der Boden sei bereitet, sagt Haumann, Hotel- und Restaurantbesucher seien bereit, mehr Geld für die Leistung zu bezahlen. Noch in diesem Jahr will die rheinland-pfälzische Dehoga-Arbeitgeberkommission mit der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sowohl einen neuen Entgelt- als auch einen neuen Manteltarifvertrag vereinbaren.
2. Flexiblere Arbeitszeiten
Bei der Hotelgesellschaft 25hours, die zum französischen Accor-Konzern gehört, können Mitarbeiter seit Anfang November zunächst in den beiden Hamburger Häusern ihre Arbeitszeit auf vier Tage pro Woche verteilen. Bei erfolgreichem Testbetrieb soll dieses Modell ab Januar in allen acht deutschen Häusern angeboten werden.
„Hoteliers und Gastronomen erwarten seit jeher von ihren Mitarbeitenden ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement“, sagt 25hours-Mitgründer und CEO Christoph Hoffmann. „Im Gegenzug sollte dies mit Wertschätzung, einer ausgewogenen Entlohnung und mit der Möglichkeit von Selbstverwirklichung einhergehen. Unsere Branche hat da noch einiges Holz zu hacken.“
In einer Unternehmensmitteilung hieß es zuletzt, dass bei 25hours 150 Stellen und damit gruppenweit jede dritte unbesetzt ist. In einer internen Umfrage äußerten zudem mehr als 40 Prozent der Mitarbeiter den Wunsch, ihre Arbeitszeit flexibler gestalten zu können.
Die Dehoga Rheinland-Pfalz konstatiert in ihrem Beschluss, dass Wochenarbeitszeiten und Jahresarbeitszeitkonten geeignete Instrumentarien seien, um saisonale Schwankungen abzufedern und Dauerarbeitsplätze zu schaffen – in anderen Branchen sind solche Instrumente längst Selbstverständlichkeiten, im Hotelgewerbe offenbar nicht.
3. Mehr Wertschätzung
„Vor fünf Jahren erzählten mir viele Hoteliers, dass die Mitarbeitergewinnung noch kein Problem ist“, sagt Vanessa Borkmann, Professorin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und Verantwortliche des dortigen Forschungsprojekts „FutureHotel“. „Doch das Thema war damals schon virulent, wir hatten in der Forschung natürlich auch schon die demografische Entwicklung im Blick.“
Für ihre im Mai veröffentlichte Studie „FutureHotel – Zukunftsfähige Arbeitswelten im Gastgewerbe“ ließ die Professorin fast 4000 aktuelle und ehemalige Arbeitnehmer im Gastgewerbe befragen, dazu Auszubildende und Studierende, die sich einen Job in der Branche vorstellen könnten.
Borkmann kommt unter anderem zu dem Schluss, dass es stärkere Motivatoren für Mitarbeiter gibt als eine simple Erhöhung des Gehalts: Der Arbeitgeber soll bei der Wohnungssuche unterstützen und Freizeitangebote schaffen, den Arbeitsplatz besser ausstatten und Möglichkeiten fürs Homeoffice bieten. Und Führung müsse neu gelernt und praktiziert werden: Die Zeiten des „Patriarchats“ seien auch in der Hotellerie längst vorbei.
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Ähnliches fordert auch die Initiative Fair Job Hotels seit ihrer Gründung im Jahr 2016: ein „Miteinander auf Augenhöhe“. Ziel ist es, gemeinsame und verbindliche Werte und Standards für den Umgang in der Hotelbranche zu schaffen, die von Respekt und Vertrauen geprägt sind. Mittlerweile sind 80 Hotels dabei.
Breidenbacher-Chef Heydarian, der sich mit seinem Haus bei Fair Job Hotels engagiert, hat sein Rezept gefunden: Er praktiziert diese „Führung auf Augenhöhe“, die in der Branche noch wenig verbreitet sei. In seinem Umgang mit den Mitarbeitern gehe es darum, sie stärker in die eigene Verantwortung zu nehmen, um die gemeinsame Entwicklung von Produkten und Prozessen, um Freiräume und Freiheiten. Erst die Verbundenheit mit den Mitarbeitern kann auch Verbundenheit mit den Gästen erzeugen.
Daraus entsteht, was Heydarian „Ökonomie der Verbundenheit“ nennt und im besten Fall zu einer besseren Performance führt. Die lässt sich am Betriebsergebnis, der Mitarbeiter-Fluktuationsrate sowie an der Zahl der Stammgäste und der neuen Gäste ablesen.
Die Performance seiner Mitarbeiter in Sachen Serviceexzellenz prüft Heydarian an diesem Novemberabend auch anhand eines gebratenen Bruderhahns, der ihm serviert wird. Die männlichen Küken landen statt im Schredder und nach einem guten Leben hier fein zubereitet auf dem Teller. Der Servicemitarbeiter kann erklären, wo die Tiere herkommen und warum man sie sich schmecken lassen sollte. Heydarian ist zufrieden – hier im „Duchy“ ist die Servicewelt noch in Ordnung.
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Die Wirtschaftsexperten vom Handelsblatt sollte das Hotelgewerbe mal beraten:
Wenn man das Personal etwas über Hartz IV bezahlt, dann bekommt man Probleme.
Eine Lösung ist weit und breit nicht in Sicht.