Buchkritik Barack Obama und Bruce Springsteen sinnieren über Ruhm, Selbstzweifel und die Aufarbeitung der Trump-Jahre

Unterstützung für den Demokraten im Wahlkampf 2008.
Einer der Dialoge im neuen Bildband von Barack Obama und Bruce Springsteen geht so:
Obama: „Oh‧oh.“
Springsteen: „Ist schon gut. Du machst das schon gut. Gib einfach ein bisschen Gas.“
Obama: „Oh.“
Springsteen: „Du musst einfach Gas geben. Bieg hier links ab. Dieses Baby fährt gut.“
Obama: „Es schnurrt, Mann. Weicher, als ich es erwartet hatte. Der Secret Service ist jetzt hinter uns. Ich werde Ärger kriegen, aber weißt du was? Manchmal muss man einfach ...“
Springsteen: „... tun, was man tun muss.“
Beide Stars, der eine Ex-Präsident, der andere berühmtester Rock ‘n‘ Roll-Musiker der USA, unternehmen eine Spritztour in einer alten Corvette. Obama scheint ein paar Probleme mit der Schaltung zu haben, was amüsant ist. Die meisten Konversationen der beiden Männer sind gehaltvoller, aber die Szene zeigt die Vertrautheit einer langjährigen Freundschaft.
„Renegades: Born in the USA“ ist ein gebundenes Buch aus Gesprächen und fast 350 Fotos, basierend auf dem gleichnamigen Podcast, den Obama und Springsteen im Frühjahr auf Sendung brachten. In acht Folgen sprechen sie darin über alles, was sie bewegt: Ruhm, Geld, Ehefrauen, Musik, den amerikanischen Traum nach dem Donald-Trump-Schock.
Auf den ersten Blick ist es ein ungewöhnliches Format: Will das Buch ein Transkript von Dialogen sein? Ein Coffeetable-Buch zum gepflegten Durchblättern?
„Renegades“ ist eine Mischung daraus, mit Leitmotiven wie Rassismus, Patriotismus und dem Status der modernen Männlichkeit. Für Fans der US-Ikonen ist der Band sicherlich ein schönes Sammlerstück, wenn auch mit stolzem Preisschild. Er enthält einige bislang unveröffentlichte Fotografien, handgeschriebene Springsteen-Songtexte und Obama-Reden. Gleichzeitig ist das Buch eine Zeitreise durch die US-Geschichte: von den Rassenunruhen der 1960er-Jahre über den Vietnamkrieg bis zu Obamas „Hope“-Wahlkampf.

Barack Obama, Bruce Springsteen: Renegades: Born in the USA – Träume, Mythen, Musik.
Deutsche Übersetzung: Stephan Kleiner, Henriette Zeltner-Shane.
Penguin Verlag
München 2021
320 Seiten
42 Euro.
Zwar unterstützt Obama die Demokratische Partei noch immer aktiv und ist auf der Weltbühne präsent. Am Wochenende wird er zum UN-Klimagipfel nach Glasgow reisen. Doch der wahre Einfluss von Obama und der ehemaligen First Lady Michelle blüht längst außerhalb der Politik.
Der Podcast entstand über die Produktionsfirma der Obamas, Higher Ground. Das Unternehmen hat mittlerweile auch einen lukrativen Vertrag mit Netflix abgeschlossen. Das wachsende Medienimperium der Obamas ist extrem erfolgreich – durch millionenfach aufgelegte Biografien, TV-Dokumentationen und eine Stiftung.
Es wäre nun ein Leichtes, die Gesprächsreihe als Hochglanz-Marketing abzutun. Tatsächlich erfährt man in der Sache nichts spektakulär Neues, und doch sind die Einblicke in ihre Freundschaft faszinierend. Schließlich haben „Bruce und ich oberflächlich betrachtet nicht viel gemeinsam“, schreibt Obama im Vorwort.

Bruce Springsteen am Klavier, Michelle Obama singt dazu.
(Foto: Obama-Robinson Family Archives)
Ihn, den ersten schwarzen Präsidenten, verbindet auf den ersten Blick wenig mit dem zwölf Jahre älteren Springsteen, Held der weißen Arbeiterklasse. „Aber wir teilen noch immer den elementaren Glauben an das amerikanische Ideal“, so Obama.
Springsteen scheint mehr mit der Demokratie-Krise einer polarisierten Nation zu hadern. Der Star spricht über die Ursprünge von „Born in the U.S.A“ – der Song wird bis heute auf Trump-Kundgebungen gespielt. Sein Song werde als Hymne des Patriotismus missverstanden, erklärt Springsteen. „In Wahrheit ist es ein Lied über den Stolz, aber auch den Schmerz und die Schande, die die amerikanische Identität mit sich bringt.“
In ihren Gesprächen lassen beide Männer Schwächen und Selbstzweifel zu. Sie erinnern sich an ihre Kindheit und Jugend, in der sie sich als Außenseiter fühlten und kaum Kontakt zu ihren Vätern hatten. Obama und Springsteen verbrachten Wochen in einem umgebauten Bauernhaus auf Springsteens Anwesen, „umgeben von Pferden, einem ganzen Rudel Hunde und tausend Gitarren“.
Die Umgebung, so ernst einige Themen auch sind, lud offenbar zum Plaudern ein. Der Zeitpunkt ist vermutlich kein Zufall. Nach dem Sturm fanatischer Trump-Anhänger aufs Kapitol brauchte es wohl Raum zum Nachdenken, zum reflektierenden Blick in die Vergangenheit und eine mögliche Zukunft. Ein bisschen wohltuende Banalität kann dabei nicht schaden. Ein Ausflug in der Corvette auch nicht.
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