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UrbanisierungWem gehört die Stadt? Ein Plädoyer für mehr Mitbestimmung

Europas Städte suchen nach einer neuen Identität: Sie müssen den Klimawandel bewältigen, Autos zurückdrängen, die Zentren beleben. Architektin Gabriela Beck hat Ideen, wie das funktionieren kann.Thorsten Firlus 08.11.2024 - 04:00 Uhr Artikel anhören
Kopenhagen: Jede Stadt hat ihre Problemzonen, schreibt Architektin Gabriela Beck. Foto: E+/Getty Images

Düsseldorf. Städte sind in Not. Viele Zentren stehen vor der Verödung, andere werden von Touristenmassen überrannt. Das Wohnen in Städten wird zum einen immer teurer, zum anderen wird es durch verstopfte Straßen immer schwieriger, von A nach B zu kommen.

Der Handel findet immer weniger Antworten auf die Konkurrenz des Onlinehandels, wie etwa der Branchenbericht „Innenstadtsortimente 2024“ der IFH Köln und der BBE Handelsberatung zeigt. Danach haben in den vergangenen 14 Jahren 45 Prozent aller stationären Modeunternehmen geschlossen.

Wem gehört die Stadt? Und wie sieht eine lebenswerte Stadt aus? Diesen Fragen geht die Autorin und studierte Architektin Gabriela Beck in ihrem Buch „Was unsere Städte brauchen, um wieder lebenswert zu werden“ nach.

Eine perfekte Stadt, die heute schon Vorbild sein könnte, existiere nicht. „Jede Stadt hat ihre Problemzonen“, sagt Beck, ganz gleich ob Kopenhagen, Tokio oder Zürich. Auch historisch sei das nie anders gewesen. Geblieben seien aber Merkmale, die sich in Jahrtausenden nicht geändert hätten.

Gabriela Beck:
Was unsere Städte brauchen, um wieder lebenswert zu werden - Ein Bauplan für den Wandel
Kösel Verlag
224 Seiten
ISBN: 9783566373307
20 Euro

Städte seien von jeher Zentren des Handels und kulturellen Austauschs, erklärt Beck. „Städte versprechen ein besseres Leben“, sagt die Autorin. Und das sei bis heute unverändert. Doch insbesondere durch die autozentrierte Stadtplanung der 1950er- und 60er-Jahre entstand ein Problem, das in den westlichen Städten nach wie vor aktuell ist: Der Stadtraum wird vom Autoverkehr dominiert. Um die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern, brauche es eine Entlastung des Straßenraums, vor allem in mittelgroßen Städten, die weniger Touristen anziehen und anfälliger für Leerstand und Verödung sind.

Bewohner fragen, wie sie leben wollen

Nun komme der schwindende Handel hinzu, ein Problem vor allem von Mittel- und Großstädten, deren Zentrum Leben benötige: „Die Menschen verlieren ansonsten den Bezug zu ihrer Stadt.“

Nah am Ideal: In Kopenhagen plant die Stadt mit Bürgerpanels und experimentiert in einzelnen Quartieren. Foto: Henning Larsen

Beck lobt den Ansatz von Städten wie Kopenhagen. Dort sei es die Beteiligung der Bürger, die die Metamorphose des urbanen Raums voranbringe. In Bürgerversammlungen werden Bewohner eines Stadtviertels, repräsentativ ausgewählt unter anderem nach Alter, Bildung und Besitz eines Autos, über Monate hinweg in die Planung einbezogen. „Man muss die Leute mitnehmen“, sagt Beck, da eine Entscheidung gegen die Anwohner zu Widerstand führe und langfristig scheitere.

Das gilt vor allem in Bezug auf alle Entscheidungen rund um die Mobilität. Der Wunsch nach autofreien Straßenzügen und der nach einem Parkplatz in Wohnungsnähe seien quasi nicht zu vereinen. Beck spricht sich für eine „Demokratisierung des Verkehrssystems“ aus.

Sie fordert, dass jeder jederzeit die freie Wahl des Verkehrsmittels haben sollte, was nur durch einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs möglich ist. Anstatt das Auto vollständig zu verbannen, plädiert sie für eine Reduktion des Autoverkehrs, damit dieser „einfach nicht mehr nervt“. In Städten wie Leipzig, in denen das Auto weiterhin Vorrang hat, sei der Verkehrsfluss mittlerweile so stockend, dass andere Lösungen attraktiver würden.

Smart Cities: Effizienz und Sicherheitsbedenken

Die zunehmende Digitalisierung westlicher Städte birgt Chancen, aber auch Herausforderungen. „Durch Digitalisierung können Städte effizienter und energiesparender werden“, sagt Beck. Sie weist jedoch auch auf potenzielle Risiken hin, etwa im Bereich der Überwachung und Datensicherheit. Als Beispiele nennt Beck smarte Mülltonnen und Ampeln, die den Verkehr und die Entsorgung effizienter gestalten. „Solche Technologien werfen jedoch auch die Frage auf, wie weit Überwachung gehen darf, ohne die Privatsphäre der Bürger zu verletzen“, sagt Beck.

Ein besonderes Augenmerk legt Beck auf die Notwendigkeit öffentlicher Räume, die Menschen aller Altersgruppen gerecht werden. „Eine Stadt wird dann lebenswert, wenn man sich gerne in ihr aufhält“, sagt Beck. Sie plädiert für breite Gehwege ohne Stolperfallen und Schatten spendende Plätze, auf denen sich auch ältere Menschen sicher bewegen können. In Wien, so Beck, hätten neue Richtlinien zur Parkgestaltung diesen Aspekt vorbildlich umgesetzt. So schafften für alle einsehbare Grünanlagen und blendfreies Licht ein Gefühl der Sicherheit.

Oft seien es vermeintlich banale Dinge, die den Unterschied machten: „Sitzgelegenheiten ohne Zwang zum Konsum in den Städten sind wichtig, damit sich auch jene Bürger in der Stadt wohlfühlen, die in der Bewegung eingeschränkt sind.“

Artenvielfalt in urbanen Ökosystemen

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Beck unterstreicht die Bedeutung von Grünflächen und einer erhöhten Biodiversität im städtischen Raum, vor allem als Ausgleich zu Ökosystemen in der Natur, die durch den Klimawandel zunehmend unter Druck gerieten. „Die Stadt wird als Refugium für Tiere und Pflanzen an Bedeutung gewinnen“, erklärt sie. Gerade die Förderung von ökologischen Zonen in Städten wie Paris und Wien zeige positive Effekte auf die urbane Artenvielfalt und das Wohlbefinden der Bewohner.

Beck argumentiert, dass es für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität in westlichen Städten eines Gleichgewichts zwischen Tradition und Innovation bedarf. Dabei bleibt die Einbeziehung der Bevölkerung zentral: Nur durch partizipative Prozesse können Städte lebenswert und zukunftsfähig gestaltet werden.

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