Stiftung Warentest warnt: Zu viele Krebserreger im Schwarzen Tee

Heißbegehrt, doch nicht immer auch gesund: Schwarzer Tee kann Stoffe enthalten, die womöglich krebserregend sind.
Düsseldorf. Sie duften nach Heu und schmecken je nach Sorte blumig, vielleicht sogar ein wenig nach Jasmin, oder aber süßlich-herb: Schwarze Tees der Sorten Darjeeling und Ceylon Assam sind äußerst beliebt. Doch die Stiftung Warentest kommt in einer aktuellen Untersuchung zu einem beunruhigenden Ergebnis.
Die Tester fanden in allen 27 untersuchten Darjeeling- und Ceylon-Assam-Tees den Stoff Anthrachinon, teils in eher geringen, teils in deutlich überhöhten Mengen. Der Stoff, der oft als Basis für bestimmte Farbprodukte oder in der Herstellung von Zellstoff eingesetzt wird, gilt als potenziell kanzerogen – steht also im Verdacht, Krebs zu erregen.
Dennoch trauten sich die Lebensmittelchemiker der Stiftung Warentest zunächst keine eindeutige Aussage zu, was ihre Testergebnisse nun bedeuten. Denn während in Tierversuchen eine krebserregende Wirkung von Anthrachinon festgestellt wurde, sind die Auswirkungen auf den Menschen bisher nicht einwandfrei geklärt.
Deshalb gilt in der Lebensmittelindustrie eigentlich die Maxime, die Stoffmengen in Gebrauchs- und Lebensmitteln so gering wie möglich zu halten. Das wiederum ist bei den untersuchten Tees definitiv nicht der Fall. Stiftung Warentest erklärt, dass die Substanz, die unter anderem beim Trocknen der Teeblätter entstehen kann, nie vollkommen ausgeschlossen werden kann.
Doch bei zwei der untersuchten Ceylon-Assam-Tees und bei einem Darjeeling überschritten die Anthrachinon-Werte die Richtwerte so deutlich, dass die Stiftung ein „mangelhaft“ aussprach. Unter den schwarzen Schafen war auch eine Biomarke. Drei weitere Biotees erhielten nur die Bewertung „ausreichend“, schnitten also im Vergleich zu den konventionellen Produkten eher schlecht ab.
Nur einer von 19 Darjeeling-Tees – Das gesunde Plus der Drogeriekette dm – erreicht mit Blick auf die Schadstoffgehalte die Note „gut“. Bei den Assam-Ceylon-Tees kamen immerhin vier der acht Sorten auf dieses Niveau. Generell gilt für alle Lebensmittel ein Wert von zehn Mikrogramm Anthrachinon als unbedenklich.
Doch die Tester orientierten sich an einem künftig geplanten EU-weiten Grenzwert speziell für Tee: Dieser beträgt 20 Mikrogramm Anthrachinon je Kilogramm. Die Tester fanden in den untersuchten Tees Werte von sechs bis 76 Mikrogramm je Kilogramm.
Dabei überschritten nur zwei der Produkte diese Grenze deutlich, und zwar der Ceylon-Assam der Marke Goldmännchen und der Darjeeling des Bioherstellers Alnatura. „Wir können bisher nicht sagen, wie gefährlich, wie kanzerogen der Stoff wirklich ist, da die toxikologische Forschung dazu noch läuft“, sagt Ina Bockholt, Lebensmittelexpertin der Stiftung Warentest.
Auch könne man keine konkrete Teemenge benennen, ab welcher der Konsum gefährlich wird. Mit dieser Ungewissheit müssten die Verbraucher bis zu neuen Forschungsergebnissen leider leben, so die Lebensmittelexpertin.
Nichts desto trotz sei klar: „Die Schadstoffgehalte in den Tees sollten minimiert werden, und diese Möglichkeiten gibt es, das zeigen die guten Testergebnisse einiger Produkte“, so Bockholt. Die Suche nach den Ursachen und die Forschung, wie die Schadstoffansammlung künftig vermieden werden kann, sei nun Aufgabe der Hersteller.
Die Tester fanden in den Produkten auch andere Schadstoffe, etwa Pyrrolizidinalkaloide, die in der Ceylon-Assam-Mischung von Kaufland in besonders hoher Konzentration vorkamen. Während eine normalgewichtige Person pro Tag weniger als 0,7 Mikrogramm der Stoffe aufnehmen sollte, fanden sich in der Teecharge des Herstellers 522 Mikrogramm je Kilogramm – in einem Teebeutel stecken also etwa 0,9 Mikrogramm.
Die Stoffe sind laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung zwar nur dann gefährlich, wenn man sie über längere Zeit in sehr großen Mengen aufnimmt. Sie können dann Leberschäden hervorrufen, das Erbgut verändern und auch sie sind potenziell krebserregend.
Die Warentest-Expertin Ina Bockholt sagt jedoch: „Auch diese Stoffe haben es in sich und sollten nicht unterschätzt werden“. Die Tagesdosis solle man in jedem Fall nicht überschreiten, was schon bei zwei Tee-Portionen von Kaufland erreicht wäre.
Die Stiftung Warentest wirft den Unternehmen nicht vor, die hohen Schadstoffgehalte wissentlich in Kauf genommen zu haben. Doch in Fachkreisen kursiert das Thema der hohen Anthrachinon-Gehalte schon seit etwa zwei Jahren. Wer wollte, konnte also Bescheid wissen.
Und auch wenn mehrere Firmen auf die Ergebnisse des Teetests ablehnend und zugeknöpft reagierten, zeigt sich, dass viele Teeanbieter das Problem erkannt haben und den Schadstoffursachen bereits nachgehen. Auch Goldmännchen, der Teeanbieter mit den schlechtesten Schadstoffgehalten, befasst sich laut Firmensprecher Wolfgang Klar seit einiger Zeit mit Anthrachinon.
Man führe permanent Untersuchungen der Rohware durch, erhalte dabei aber weit geringere Werte als Stiftung Warentest. „Dies spricht für eine so genannte Spotkontamination, also eine ungleichmäßige Verteilung innerhalb der Charge“, glaubt Klar.
Er gibt zu: „Die Werte sind, isoliert betrachtet, nach unserer Auffassung objektiv unbefriedigend und zu hoch.“ Man suche nun nach der Quelle für die nachträgliche Verunreinigung der nach Angaben des Unternehmens sauberen Rohware und versuche, diese zu eliminieren.
Andere Unternehmen geben offen an, dass ihre Tees zu hohe Schadstoffwerte enthalten und gaben den Lebensmittelchemikern bei ihrer Suche nach den bisher unbekannten Ursachen hilfreiche Hinweise. Einige Hersteller schätzten, dass die Verpackung der Lebensmittel der Ursprung sein könnte, da Anthrachinon bis vor einiger Zeit in der Papierproduktion eingesetzt wurde.
Anthrachinon wurde vom Bundesinstitut für Risikobewertung im vergangenen Jahr von der Liste der Stoffe genommen, die für Lebensmittelverpackungen empfohlen werden. Auch viele indische Produzenten haben sich mittlerweile verpflichtet, auf den Stoff in den Teepapieren zu verzichten. Dennoch gingen die Autoren der Studie den Hinweisen nach und untersuchten die Verpackungen.
Doch bei den am stärksten belasteten Tees steckte kaum oder gar kein Schadstoff in den Papierhülsen. „Das Problem ist, dass wir nicht die gesamte Produkt- und Logistikkette eines Produktes nachverfolgen können“, sagt Bockholt. Somit könne man Verunreinigungen durch Verpackungen in früheren Prozessschritten nicht ausschließen.
Wahrscheinlicher scheint aber, dass die Tees kontaminiert werden, wenn die handgepflückten Blätter mit Kohle verbrannt und so getrocknet werden. Denn unter den am stärksten mit den krebserregenden Stoffen belasteten Tees waren drei Sorten, die auch hohe Werte Polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) enthielten. Diese Stoffe entstehen ganz sicher bei der Verbrennung von Kohle.
Enthielten die Tees kaum PAK, war auch der Wert des anderen Schadstoffs gering. „Es spricht vieles dafür, dass die Hersteller an den Trocknungsprozessen mit Kohleverbrennung ansetzen und etwas ändern sollten – denn auch Rauch und Ruß können den Schadstoff enthalten“, sagt Lebensmittelfachfrau Bockholt.
Dass die Biomarken so schlecht abschneiden, können die Tester bisher nicht erklären. Das einzig Positive an den Funden sei die Erkenntnis, dass die Schadstoffe nicht aus unerlaubter Pestizidanwendung stammen: Bei Bioprodukten darf prinzipiell nicht mit Pestiziden gearbeitet werden, und die Tester fanden auch keine Pestizidrückstände in den jeweiligen Biotees - sehr wohl aber den mutmaßlich krebserregenden Schadstoff.
Während die ökologisch arbeitenden Unternehmen die Gefahrenquellen bisher offenbar nicht ausschalten konnten, zeigen sie besondere Sensibilität für das Thema. So gab die Teekampagne, einer der Bioanbieter mit der Note „ausreichend“ – der Stiftung den Hinweis auf die möglichen Probleme bei der Trocknung. Das Unternehmen bemühte sich laut Bockholt sehr um Transparenz.
Thomas Räuchle, Geschäftsführer der Teekampagne, kämpft mit dem Thema Anthrachinon schon seit mehr als zwei Jahren. Damals sei man den Hinweisen auf Verpackungsrückstände nachgegangen und habe die gesamte Zuliefererkette durchgeprüft, um das Schadstoffpotenzial in Verpackungen auszuschalten. Dennoch sind die unerwünschten Substanzen nicht ausgemerzt, wie die aktuellen Tests zeigen.
Die Verantwortlichen der Teekampagne lässt das etwas ratlos zurück. „Wir fragen uns: Warum sind die Stoffe jetzt wieder da?“, sagt Räuchle. Noch habe man die Gründe nicht ermitteln können, obwohl man mit Hochdruck daran arbeite.
Doch der Unternehmer spricht eine unangenehme Befürchtung aus: Die Teekampagne habe alle kooperierenden Gärten in Darjeeling untersucht – und dabei die Beobachtung gemacht, dass die Schadstoffgehalte in allen Gärten auf den jeweiligen Prozessstufen ähnlich waren.
„Das hat uns stutzig gemacht und spricht in meinen Augen dafür, dass die Verbrennung mit Kohle nicht der einzige Faktor für die Anthrachinon-Verunreingung ist“, so Räuchle. Heißt im Klartext: Der womöglich krebserregende Stoff könnte sich im Laufe der Produktverarbeitung auch in der Pflanze selbst bilden.
Wenn dies der Fall sein sollte, müssten die Unternehmen grundsätzlich an die Prozessschritte in der Teeherstellung heran gehen. Sie müssten ermitteln, auf welcher Stufe die Schadstoffe sich entwickeln und müssten die Pflanze dann an diesem Punkt manipulieren, damit sie sich anders verhält als bisher. Dazu wäre viel Forschung nötig.
Die Teekampagne will die Schadstoffgehalte jetzt angehen, sodass sie bis zur nächsten Ernte im April gesenkt werden können. Während er mit den bisherigen Werten von knapp unter 20 Mikrogramm pro Kilogramm nicht zufrieden ist, versucht Räuchle dennoch, den Verbrauchern die Angst zu nehmen. Er habe intensiv mit Experten diskutiert, welche Gefahren für die Kunden von den Darjeelings der Firma ausgingen. „Man müsste schon 1 Kilogramm Tee essen, damit das in den bisherigen Konzentrationen gefährlich ist“, sagt Räuchle.
Ob der beunruhigenden Funde rücken die anderen, überwiegend positiven Ergebnisse des Tests komplett in den Hintergrund: Originäre Herkunft aus den ausgewiesenen Regionen, guter Geschmack, nur sehr geringe Verunreinigung durch Pestizide.

Ina Bockholt sieht den Test jedoch nicht als generelle Warnung, schwarzen Tee zu trinken. Stattdessen müsse sich der Verbraucher klar machen, dass in der industrialisierten Welt mit unzähligen Chemikalien ein Leben ganz ohne Schadstoffbelastung nicht möglich sei. Um das Risiko zu minimieren, rät sie den Teefreunden folgendes: „Der Verbraucher sollte sich genau über die Hersteller informieren und ansonsten häufiger einmal die Teemarke wechseln. So lässt sich das Risiko, ständig hohe Konzentrationen aufzunehmen, streuen.“







