Podcast „Mindshift“ Blinde Anwältin Pamela Pabst: „Selbst Mörder können sympathisch sein“
Düsseldorf Pamela Pabst ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands. Zu ihren Klienten zählt die Berlinerin schwere Jungs wie Mörder, Räuber, Dealer und Vergewaltiger.
1978 kommt sie im sechsten Monat (27. Woche) als Frühgeburt auf die Welt – nur 37 Zentimeter groß und 1100 Gramm schwer. Ihr Leben können die Ärzte retten, ihr Augenlicht nicht. Im Brutkasten wird ihr Sauerstoff zugeführt, wahrscheinlich hat der die Sehkraft nahezu vollständig zerstört. Pamela Pabst hat heute ein Prozent Sehrest, an dem sie sehr hängt.
Was sie damit konkret noch sehen kann, erklärt sie in der neuen Folge von Handelsblatt Mindshift: „Wenn ich in ein Zimmer komme, kann ich zum Beispiel erkennen, wo sich das Fenster befindet, weil dort ein heller Fleck ist. Oder ich kann eine Lampe erkennen. Ein Kronleuchter, der eingeschaltet ist, äußert sich in hellen Lichtpunkten. Es sind immer sehr, sehr grobe Umrisse, die ich sehen kann.“
Mit vier Jahren kommt sie zunächst auf eine Sonderschule für Blinde und Mehrfachbehinderte. Aber Pamelas Lehrerin merkt schnell, dass das Kind dort unterfordert ist, und sie darf in eine normale Grundschule, wo sie glücklich mit Sehenden aufwächst. Erst auf dem Gymnasium wird es schlimm. Mitschüler kokeln ihren Pony mit einem Feuerzeug an, schneiden ihren Zopf ab, rufen ihr „blindes Huhn“ nach. Sie nehmen ihre Sachen weg und verlangen Lösegeld dafür.
Mit viel Leidenschaft, einem unbändigen Willen und einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit hat die Berlinerin allen Widrigkeiten getrotzt und ist ihren Weg gegangen. In dieser Zeit entsteht ihr Wunsch, Juristin zu werden. „Das war natürlich schon sehr belastend und sehr traurig“, erinnert Pabst sich in Mindshift. „Heute ist es so, dass ich lieber Erwachsene verteidige als Jugendliche.“
Nur weil man Mörder und Kinderschänder verteidigt, sagt man ja nicht, dass die Tat in Ordnung gewesen ist. Das sagt man den Leuten dann auch, dass das, was da passiert ist, das Allerletzte und abscheulich ist und dass sie sich darauf einstellen müssen, dass sehr viel Gegenwind kommen wird vom Gericht. Pamela Pabst
Inzwischen arbeitet Pamela Pabst als selbstständige Strafverteidigerin und hat ihre eigene Kanzlei, in der sie auch ausbildet. 700 Mandanten vertritt sie derzeit, 400 kommen jedes Jahr neu hinzu. Rund zwei Drittel davon sind Straftäter. „Strafrecht finde ich super spannend, da wird der Krimi lebendig“, sagt Pabst, „Das ist natürlich auch eine große Verantwortung, die man da hat. Die Menschen sind ja auch mehr als ihre Tat.“ Und Mörder? „Also wenn man die dann kennenlernt, dann können die einem tatsächlich auch sympathisch sein.“

Pamela Pabst, Shirley Michaela Seul: Ich sehe das, was ihr nicht seht. Eine blinde Strafverteidigerin geht ihren Weg.
Hanser-Verlag 2018
208 Seiten, 12 Euro
ISBN: 978-3-451-06839-3
Ihre Blindheit sieht sie nicht als Behinderung, sondern als Eigenschaft. „Ich werde oft gefragt, ob ich gerne richtig sehen möchte, aber das ist für mich keine Option. Da sind die Menschen immer schockiert. Aber da ich es nie konnte, empfinde ich an dem Punkt auch keinen Verlust“, erzählt sie in der neuen Podcast-Folge. Viel Spaß beim Zuhören.
Außerdem wollten wir von Pamela Pabst wissen:
- Wie können Sie 130 km/h mit dem Auto fahren?
- Können Sie hören, ob jemand lügt?
- Wie reagieren die Gefangenen auf eine blinde Strafverteidigerin?
- Als Blinde urteilen Sie nicht nach dem Aussehen, haben Sie trotzdem Vorurteile?
- Wie kann man als Anwalt einen Mörder verteidigen?
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