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Coronakrise Privatanleger sind besonders betroffen von Pannenserie bei Handelsplattformen

Privatanleger sind wütend, weil Systeme von Banken derzeit häufig überlastet sind und es zu Ausfällen kommt. Besonders betroffen ist das Zertifikate-Geschäft.
25.03.2020 - 14:49 Uhr 3 Kommentare
In Deutschland nutzen wohl bis zu 400.000 Anleger Hebelprodukte. Quelle: Getty Images Creative
Privatanleger

In Deutschland nutzen wohl bis zu 400.000 Anleger Hebelprodukte.

(Foto: Getty Images Creative)

Frankfurt/Köln Mathias Schneider handelt seit vielen Jahren mit komplexen Finanzprodukten. Und er hat schon einige turbulente Zeiten mitgemacht. Doch was der Kleinanleger in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt hat, stellt alles in den Schatten.

Am Freitag, 13. März, wurde für sein TecDax-Zertifikat der Schweizer Großbank UBS kein Preis mehr angezeigt. Er konnte es über seinen Onlinebroker ING somit nicht verkaufen. Das Problem: Schneider hatte auf einen Rückgang gesetzt, doch nach einer Krisenrede von US-Präsident Donald Trump stiegen die Kurse plötzlich. Schneiders Verlust wuchs stündlich – und mit ihm der Ärger.

„An der Hotline hieß es erst, der Fehler werde in zehn Minuten behoben, aber nichts passierte“, erzählt Schneider. Dann habe man ihm einen Rückruf versprochen, der aber nicht erfolgt sei. Dasselbe Spiel wiederholte sich drei Tage später: Wieder versuchte Schneider, sein Zertifikat zu verkaufen, aber das System meldete keinen Kurs. Die ING verwies auf die UBS. Die Haftung? Unklar. Schneider ist sauer: „So schnell werde ich kein Zertifikat mehr kaufen.“

Ein UBS-Sprecher erklärte, es gebe „aufgrund der aktuellen Marktverwerfungen immer wieder kurzfristige Quotierungsschwierigkeiten“. Darauf müssten sich alle Zertifikateanleger im Rahmen der Coronakrise einstellen. „Dies ist kein auf UBS beschränktes Thema, sondern kann aktuell aufgrund der extrem volatilen Marktlage alle Marktteilnehmer immer wieder treffen.“

Klar ist: Bei zahlreichen Instituten ist es in den vergangenen Tagen und Wochen zu Ausfällen gekommen – im Zertifikate-Geschäft, aber auch in anderen Bereichen. Beim Onlinebroker Flatex gab es in den zurückliegenden Wochen eine Serie von Pannen. Bei der Direktbank DKB konnten sich am Dienstag viele Kunden nicht einloggen.

Für die Misere gibt es unterschiedliche Gründe. Bei vielen Instituten arbeiten die Systeme und wohl auch einige Mitarbeiter an der Belastungsgrenze. Im Zertifikategeschäft ist das Volumen der gehandelten Papiere derzeit zum Teil vier Mal so hoch wie an normalen Handelstagen.

Hinzu kommt, dass wegen der starken Schwankungen viele wertlos gewordene Zertifikate von der Börse genommen und neue emittiert werden müssen. Darüber hinaus können Anbieter wie die UBS wegen der starken Schwankungen von Basiswerten und Handelsunterbrechungen immer öfter keine Kauf- und Verkaufspreise für Zertifikate stellen.

Lange Liste an Pannen

Das Volumen des Zertifikatemarkts in Deutschland beläuft sich auf rund 70 Milliarden Euro und hat sich damit in den vergangenen zwölf Jahren fast halbiert. Der Spitzenwert betrug im Jahr 2008, kurz vor dem Höhepunkt der Finanzkrise, 135 Milliarden Euro.

Im Zuge der Krise wurde dann jedoch auch für Laien deutlich, dass Zertifikate das Risiko eines Komplettverlusts bergen. Bekanntheit erlangten etwa die an Kleinanleger verkauften Lehman-Zertifikate, die nach der Pleite der US-Investmentbank wertlos verfielen.

Mit den Papieren kann man nicht nur auf steigende Kurse von Aktien oder Indizes setzen, sondern auch auf fallende oder sogar auf Seitwärtsbewegungen.

Die Produkte lassen sich grob in zwei Segmente unterteilen: Anlagezertifikate werden von Kunden typischerweise über einen längeren Zeitraum, teilweise sogar bis zum Ende der Laufzeit der Papiere, gehalten.

Zudem gibt es riskantere Investments wie Optionsscheine und Hebelprodukte. Sie werden von risikofreudigen Privatanlegern oft innerhalb weniger Stunden und Tage gekauft und verkauft. Bei diesen Produkten sind die Wertschwankungen in der Regel höher als am Aktienmarkt – und sie können auch schnell wertlos werden.

Für Investoren dieser Produkte ist es besonders ärgerlich, dass die Zahl der Ausfälle zuletzt deutlich gestiegen ist. Allein auf der Internetseite der Frankfurter Börse sind seit Anfang März zehn Handelseinschränkungen aufgelistet.

Die Namen der betroffenen Emittenten liest sich wie ein „Who’s who“ der europäischen Bankenbrache: Deutsche Bank, HSBC, BNP Paribas, Commerzbank, DZ Bank, Unicredit, Vontobel und Société Générale.

Über Société Générale (SocGen) beklagen sich Anleger im Internet besonders heftig. Bei den Franzosen fiel Anfang März mehrere Tage lang zunächst die Plattform für Differenzkontrakte (CFDs) aus. Betroffen waren zahlreiche Broker, darunter Onvista, Flatex sowie Comdirect, deren CFD-Plattform erst im Dezember auf SocGen übergegangen war. Viele Kunden hätten sich deshalb beschwert, erklärt Comdirect. „Das Anrufaufkommen an der CFD-Hotline war um ein Vielfaches erhöht.“

Laut SocGen kam es aufgrund eines „isolierten technischen Problems in unserer IT-Infrastruktur“ zum Ausfall im CFD-Handel. Insidern zufolge war die Panne auf einen Programmierfehler zurückzuführen.

Seit dem 5. März laufe der Handel wieder, sagte eine Banksprecherin. „Société Générale ist in engem Kontakt mit den CFD-Bankpartnern, um sicherzustellen, dass für alle betroffenen Kunden eine angemessene Nachbereitung erfolgt.“

Daneben fiel bei SocGen für kurze Zeit auch der Zertifikatehandel aus. Finanzkreisen zufolge hängen die Pannen auch mit vorbereitenden Umbaumaßnahmen zusammen: Das französische Geldhaus ist gerade dabei, das Zertifikategeschäft der Commerzbank zu übernehmen.

Die Übertragung wurde wegen der Pannen Insidern zufolge jedoch vom 16. auf den 30. März verschoben. SocGen erklärte, beide Institute arbeiteten eng zusammen, „um eine reibungslose Übertragung für Kunden sicherzustellen“.

Andere Situation als 2008

Die aktuellen Probleme legen nach Ansicht von Experten ein Grundproblem von derivativen Produkten wie Zertifikaten und CFDs offen: Diese werden nur von einem Anbieter emittiert, der meist auch das Marketmaking übernimmt, also das Stellen der Kauf- und Verkaufskurse.

„Für die Banken sind derivative Produkte lukrativer als Indexfonds und andere Anlagen“, sagt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität. „In der Krise zeigen sich jedoch ihre Nachteile.“

Während es bei börsennotierten Indexfonds (ETFs) einen liquiden Sekundärmarkt gebe, seien Zertifikateanleger oft von einem Anbieter abhängig. „Wenn bei ihm das Marketmaking ausfällt – egal ob aufgrund von IT-Problemen oder wegen erhöhter Volatilität –, bricht der Handel zusammen“, sagt Brühl.

Anlegen in Zeiten von Corona: So sollten sich Investoren jetzt verhalten

Widerspruch kommt von Henning Bergmann, dem geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV). Die Ausfälle der vergangenen Wochen hätten nichts mit der Struktur von Zertifikaten zu tun, sondern mit den Entwicklungen der Basiswerte und des Gesamtmarkts, sagt er im Handelsblatt-Interview. „Diese stellen nicht nur die Zertifikatebranche vor Herausforderungen, sondern auch Anbieter von aktiven und passiven Fonds.“

Dass Kritiker die aktuelle Situation bereits mit 2008 vergleichen, als mit Lehman Brothers ein großer Emittent ausfiel und zahlreiche Zertifikateanleger ihr Geld verloren, ärgert Bergmann. „Wir haben keine Insolvenz eines Emittenten, sondern Kursverluste auf breiter Front.“

„Der Zertifikateboom endet in Krisenzeiten“

Auch innerhalb der Branche drohen stürmische Zeiten: Experten sind der Ansicht, dass besonders pannenanfällige Anbieter in den kommenden Monaten Marktanteile im Zertifikate-Geschäft verlieren werden. Zudem könnte der Markt insgesamt schrumpfen. „Der Zertifikateboom endet in Krisenzeiten“, prognostiziert ein Beteiligter.

„In der aktuellen Marktlage ist ein Rückgang im ausstehenden Volumen am deutschen Zertifikatemarkt zu erwarten“, sagt auch Analystin Andrea Vathje von der Ratingagentur Scope, „und zwar allein schon aufgrund der starken Kursverluste bei Aktien und Indizes.“ Wie sich der Markt zukünftig entwickle, hänge unter anderem von der Dauer der Krise, der Nachhaltigkeit der Aktienmarktverluste und alternativen Investmentmöglichkeiten ab.

Betroffene Kunden treibt vor allem die Frage um, wie die Banken mit Ausfällen und entsprechenden Beschwerden umgehen. SocGen und Comdirect verweisen darauf, dass Kunden ihre Positionen bei den jüngsten Ausfällen auch „fiktiv“ per E-Mail, Telefon oder Fax schließen konnten. Konnten Stop-Loss- oder Take-Profit-Orders nicht direkt ausgeführt werden, werde der entgangene Gewinn erstattet, versprechen die Institute.

Problematischer ist die Situation bei der UBS: Da hier nicht die Handelsplattform ausgefallen ist, sondern gar keine Kurse mehr gestellt wurden, können entsprechende Orders nachträglich nicht mehr berechnet werden.

Um auf der sicheren Seite zu sein, hat die Bank in ihren Geschäftsbedingungen zudem vorsorglich darauf hingewiesen, dass die UBS rechtlich nicht verpflichtet sei, dauerhaft An- und Verkaufskurse zu stellen.

„Es gibt keine Garantie, dass Anleger zu jeder Zeit ein Produkt kaufen oder verkaufen können“, sagt eine mit dem Thema vertraute Person. Möglicherweise habe mancher Investor die mit Zertifikaten einhergehenden Risiken in den Jahren des Booms schlicht verdrängt.

Mehr: Der Chef des Derivateverbands spricht über Ausfälle im Zertifikatehandel und warnt vor Panikmache.

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3 Kommentare zu "Coronakrise: Privatanleger sind besonders betroffen von Pannenserie bei Handelsplattformen"

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  • Das war vor 19 Jahren schon so. Traurig, dass man das 19 Jahre später immer noch nicht hin bekommt. Oder eben typisch Deutsch. Immerhin sind wir Weltmeister im Gendersternchen.

  • Heute vormittag erneut ein Ding der Unmöglichkeit, sich bei onvista einzuloggen. Ewige Ladezeiten, dann Fehlermeldungen, Handel unmöglich. Dabei ging es nicht einmal um Zertifikate, sondern stinknormalen Aktienhandel. So vergrault man seine Kunden.

  • Der Artikel beleuchtet leider nicht, dass Zertifikate und Derivate meist nicht zum Zocken, sondern zur Absicherung genutzt werden. Wenn das dann nicht läuft, ist das nicht ärgerlich, sondern ein mitunter empfindlicher Vermögensschaden.
    Der Verbraucherschutz mit seinem Belehrungs-Fetisch hat zudem dafür gesorgt, dass für jeden handel Kosteninformationen angezeigt werden müssen, deren Generierung oft dauert oder ganz scheitert.

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