Schweizer Großbank Die Credit Suisse kopiert künftig das Erfolgsrezept der UBS

Die Bank konnte Rückstellungen für Kreditausfälle auflösen.
Zürich Es war eine sorgfältig austarierte Choreografie, mit der die Credit Suisse am Donnerstag ihre neue Strategie vor Investoren präsentierte: Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório durfte 15 Minuten seine Zukunftsvision für die Bank darlegen. Im Anschluss präsentierte Vorstandschef Thomas Gottstein 30 Minuten lang die Details der Strategie. So sollte der Eindruck der letzten Monate zerstreut werden, wonach sich Horta-Osório stark ins operative Geschäft einmischt und als eine Art Schatten-CEO agiert.
Horta-Osório machte deutlich: Der radikale Umbruch bleibt trotz der anhaltenden Skandalserie aus: Er sieht die Credit Suisse weiter als Universalbank: „Wir verstärken unser integriertes Modell“, sagte er. Nach dem Vorbild des Lokalrivalen UBS will die Bank ihre bislang regional organisierte Vermögensverwaltung zu einer zentralen Einheit zusammenfassen.
Das Investmentbanking bleibt jedoch von drastischen Einschnitten verschont. Auch einer Abspaltung des Geschäfts mit professionellen Kunden (Asset-Management) erteilte Horta-Osório eine Absage. Ein personeller Neuanfang an der Spitze der Bank ist ebenfalls kein Thema: Thomas Gottstein bleibt auch unter der neuen Strategie Chef der Credit Suisse.
Allerdings wolle die Bank weniger Risiken eingehen. Mit Blick auf Verluste aus dem Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos sowie der mit dem Fintech Greensill betriebenen Fonds sagte der Verwaltungsratschef: „Zahl und Ausmaß der Vorfälle sind nicht akzeptabel.“
Auch Vorstandschef Gottstein zeigte sich einsichtig: „Wir haben ernste Lektionen gelernt.“ Er strebe einen Kulturwandel an: „Im Herzen sind wir alle Risikomanager“, beteuerte der langjährige Investmentbanker.

Der neue Verwaltungsratschef der Bank hat die Strategieanpassung in den vergangenen Monaten erarbeitet.
Ins Zentrum stellt die Bank künftig das Geschäft mit reichen und vermögenden Kunden: Das neu formierte Wealth Management soll bis zum Jahr 2024 1,1 Billionen Schweizer Franken (eine Billion Euro) verwalten – das wäre ein Anstieg um 200 Milliarden Franken innerhalb von drei Jahren. So soll der wichtigste Geschäftsbereich der Bank eine Milliarde Franken zusätzlich an Erträgen abwerfen.
Zudem will sich das Institut aus zehn Märkten zurückziehen, die als Nicht-Kernmärkte angesehen werden. Dazu zählen etwa Staaten in Subsahara-Afrika. Zu Personalien gab die Bank vorerst nichts bekannt.
Mehr Kapital für das Kerngeschäft
Das Global-Wealth-Management soll einen um 25 Prozent gestiegenen Anteil am zugewiesenen Eigenkapital erhalten und dadurch wachsen können. Das Kapital soll von der Investmentbank abgezogen werden. In den nächsten Jahren will die Credit Suisse zudem 500 Kundenberater einstellen, um das Geschäft mit Reichen und Superreichen auszubauen.
Auch der Investmentbank werden regionale Einheiten am schweizerischen Heimatmarkt und in Asien zugeschlagen. Aus dem sogenannten Prime Brokerage, dem Handelsgeschäft mit Hedgefonds, will die Bank komplett aussteigen. Der Bereich war für den fünf Milliarden Franken schweren Verlust beim Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos verantwortlich.
Ebenso wie die UBS will die Credit Suisse eine kapitalschonende Strategie im Investmentbanking einschlagen, mit einem Fokus auf Beratung bei Fusionen und Übernahmen. Die Führungspositionen bei riskanteren Anleiheprodukten will die Bank jedoch nicht aufgeben. Dafür soll der Bestand von komplexen Finanzderivaten abgebaut werden, der viel Kapital bindet.
Die Umstrukturierung geht mit einer deutlichen Machtverschiebung einher: Die Schweizer Bank unter Führung von André Helfenstein wird gemessen am Nettoertrag auf vergleichbarer Basis halbiert. Die eigenständige Asiendivision unter Herman Sitohang wird zerschlagen. Die Vermögensverwaltung wächst um das 2,6-Fache gemessen am Nettoertrag. Gleichzeitig sollen die Regionalgesellschaften jedoch aufgewertet werden.
Im Asset-Management sieht Verwaltungsratschef Horta-Osório ebenfalls „klare Wachstumsmöglichkeiten“. Mit rund 470 Milliarden Franken verwaltetem Vermögen gilt die Sparte als vergleichsweise klein. Interessenten stünden bereit, ist im Markt zu hören. Doch die Sparte steht nicht zum Verkauf. Das Asset-Management ist derzeit noch mit der Bewältigung der Greensill-Krise beschäftigt. Die professionellen Kunden des Geldhauses bangen um mehr als zwei Milliarden Dollar.
Nicht der „große Knall“
Horta-Osório unterstrich: „Die heute bekannt gegebenen Maßnahmen bilden den Rahmen für eine deutlich stärkere, kundenorientiertere Bank mit führenden Geschäftsbereichen und regionalen Angeboten.“ Er hatte die Strategie seit seinem Amtsantritt im Mai ausgearbeitet.
Viele Analysten zeigten sich jedoch enttäuscht, dass der große Umbruch ausbleibt. So bezeichnete Andreas Venditti, Analyst bei Vontobel, die neue Strategie als „Evolution statt den großen Knall“. Sie wirke auf den ersten Blick wie eine Rückkehr zur Ausrichtung der Bank im Jahr 2015, vor dem Amtsantritt des umstrittenen Ex-Chefs Tidjane Thiam. Die Strukturen könnten zwar relativ schnell verändert werden, sagte Venditti. Doch: „Vertrauen und Reputation wiederherzustellen“ werde Jahre beanspruchen.
Das Kerngeschäft der Credit Suisse wächst derweil trotz aller Krisen: Wie die Bank am Donnerstag ebenfalls bekannt gab, nahm sie im dritten Quartal rund 5,4 Milliarden Franken ein, rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Der Vorsteuergewinn stieg um 26 Prozent auf rund eine Milliarde Franken. Unter dem Strich blieben jedoch lediglich 434 Millionen Franken Reingewinn übrig, ein Rückgang um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Zudem stellte die Credit Suisse ihren Aktionären einen Verlust im vierten Quartal in Aussicht: Im Zuge der Umstrukturierungen muss die Bank 1,6 Milliarden Franken abschreiben. Der Kampf mit den Altlasten ist für die Bank noch lange nicht beendet.
Mehr: Beschattungsskandal: Finanzaufsicht bescheinigt Credit Suisse „schwere Aufsichtsrechtsverletzungen“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.