Joachim Wenning Munich Re-Chef fordert Staaten zu mehr Klimaschutz auf

„Die Zeit drängt, und noch immer fehlen vielfach verlässliche Rahmenbedingungen“, sagt der Munich Re-Chef.
Frankfurt Die Versicherungsindustrie spielt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Sowohl als Investor als auch als Versicherer kann sie die Transformation entscheidend mitgestalten. „Wir wollen neuen Technologien für eine kohlenstoffarme Wirtschaft zum Durchbruch verhelfen“, verspricht daher Joachim Wenning, Vorstandschef des Rückversicherers Munich Re, am Rande der UN-Klimakonferenz in Glasgow.
Zugleich fordert er die Regierungen weltweit auf, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen: „Die Zeit drängt, und noch immer fehlen vielfach verlässliche Rahmenbedingungen.“ Es brauche zum Schutz vor Naturkatastrophenschäden mehr Versicherungslösungen in Zusammenarbeit von Staaten und Versicherern, ein strukturiertes Risikomanagement und konkretere Fahrpläne für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Denn die Risiken nehmen zu, wie an den sich häufenden Wetter- und Klimaextremen sichtbar wird. „Die Gefahr von Naturkatastrophen und die Schäden daraus steigen durch den Klimawandel umso mehr, je länger wir als Weltgemeinschaft bei seiner Bekämpfung versagen“, sagt der Chef-Klimatologe von Munich Re, Ernst Rauch. Allein die jüngste Hochwasserkatastrophe in Zentraleuropa führte zu einem Gesamtschaden von schätzungsweise 46 Milliarden Euro. Davon übernahmen mehr als neun Milliarden Euro die Versicherer.
Partnerschaften zwischen Staaten und Versicherern könnten helfen
Künftig sollte ein größerer Teil an Naturkatastrophenrisiken von Versicherern getragen werden, so Wenning. In Industrieländern sei die Versicherungslücke in den vergangenen 40 Jahren zwar kleiner geworden, beobachtet der Manager, der seit 1991 bei dem Rückversicherer tätig und seit 2017 dessen Vorstandsvorsitzender ist. Anders sei es aber in Entwicklungs- und Schwellenländern, die vielfach besonders stark vom Klimawandel betroffen seien.
Nationale oder supranationale Public-Private-Partnerships könnten Wennings Ansicht nach helfen, dies zu ändern: Gemeint sind Versicherungslösungen in Zusammenarbeit von privatem Versicherungssektor und Staat, unterstützt von Geberländern oder dem IWF. Die nötigen Partnerschaften seien insbesondere mit den Regierungen einkommensschwacher Länder noch nicht ausreichend entwickelt, kritisiert er.

Der weltgrößte Rückversicherer wird die Gewinnprognose für 2021 von 2,8 Milliarden Euro wohl einhalten können.
Um Naturkatastrophen besser zu bewältigen, müssten die Staaten zudem ein strukturiertes Risikomanagement mit klar geregelten Zuständigkeiten etablieren, mahnt Wenning. Bei Unternehmen habe sich die Einführung eines Risikovorstands bewährt.
Dieser habe einen Überblick über alle wesentlichen Risiken und sei sowohl für die Risikovorsorge als auch für die Maßnahmen im Katastrophenfall verantwortlich. Bislang befassen sich auf staatlicher Ebene die einzelnen Ressorts oft nur mit den Risiken innerhalb ihrer Zuständigkeit. Eine ganzheitliche Verantwortung fehle. „Katastrophenvorsorge scheitert daher oft schon an den unklaren Zuständigkeiten in den betroffenen Ländern“, meint Wenning.
Für den Klimaschutz sei es zwingend, so der studierte Volkswirt, die Verwendung von fossilen Brennstoffen nach und nach zu beenden: „Den Planeten zu retten bedeutet hohe Kosten, an denen sich jeder beteiligen sollte.“ In den vergangenen Jahren wurden im Schnitt weltweit mehr als 300 Milliarden Dollar jährlich in erneuerbare Energien allein zur Stromproduktion investiert. Bis 2030 müssten die Investitionen auf das Vierfache steigen. Auch große Investitionen in Stromnetze und -speicher seien notwendig.
Unternehmen brauchen mehr Freiräume
„Unternehmen müssen diese Kosten erwirtschaften und brauchen hierfür Freiräume und stabile Rahmenbedingungen“, sagt Wenning. In fast allen Regionen der Welt fehle es aber an konkreten Fahrplänen der Länder, wie die Transformation der Wirtschaft genau funktionieren soll. Den europäischen „Green Deal“ hält er für ein gutes Konzept mit einem klaren Fernziel, Zwischenzielen sowie auf die Länder heruntergebrochenen Subzielen. Auch Instrumente wie der CO2-Preis im Emissionshandel seien sinnvoll.
Munich Re selbst habe schon früh Versicherungslösungen für erneuerbare Energien angeboten, betont Wenning. Bereits 2009 sei man mit einer Leistungsgarantie-Versicherung für Hersteller von Photovoltaikmodulen gestartet, gefolgt von Deckungen für die Stromproduktion von Windkraftanlagen oder für die Leistung von Energiespeichern für erneuerbare Energien.
Wichtig sei eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit mit den Anbietern von erneuerbaren Energien, um die Risiken zu verstehen und herauszufinden, ob und zu welchem Preis man diese versichern könne. „Wir würden hier gerne noch mehr Projekte unterstützen“, betont Wenning.
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