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Geldpolitik Bei Inflationsrate von über 19 Prozent: Türkische Notenbank deutet Zinssenkung an

Der türkische Präsident will trotz hoher Inflation niedrigere Leitzinsen. Sein Notenbankchef hielt immer dagegen – bis jetzt. Die Lira reagiert unmittelbar.
09.09.2021 - 12:56 Uhr Kommentieren
Die Lira hat in den vergangenen Monaten erneut stark an Wert verloren. Dazu trägt die unkonventionelle Geldpolitik in der Türkei bei. Quelle: AP
Devisentausch auf einem türkischen Markt in Istanbul

Die Lira hat in den vergangenen Monaten erneut stark an Wert verloren. Dazu trägt die unkonventionelle Geldpolitik in der Türkei bei.

(Foto: AP)

Istanbul Der türkische Zentralbankgouverneur Sahap Kavcioglu hat trotz hoher Inflation den Weg für niedrigere Leitzinsen geebnet. Von nun an, erklärte er vor der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in Ankara, werde die „Kerninflation“ statt der sogenannten „Headline-Inflation“ der Hauptanker der Geldpolitik sein.

Unter Investoren und Analysten hat diese Aussage Sorgen geschürt, die türkische Notenbank könne die Zinsen bald senken. Während die Headline-Inflation alle Preise einbezieht, werden bei der Kerninflation volatile Preisgruppen wie etwa Lebensmittel- und Energiepreise nicht in die Rechnung aufgenommen. Die Preisentwicklung ist entsprechend gemäßigter.

Ein Vergleich zeigt, dass aber vor allem Lebensmittel und Energie zuletzt heftige Preisanstiege verursacht haben. Während die gesamte Inflation im August in der Türkei auf 19,25 Prozent angestiegen war, sank die Kerninflation um 0,5 Prozentpunkte auf 16,76 Prozent. Kavcioglu allerdings sagte: „Die außergewöhnlichen Bedingungen, insbesondere aufgrund der Pandemie, erhöhen die Bedeutung von Kerninflationsindikatoren.“

Mit dieser Ankündigung könnte sich die türkische Notenbank ein Stück weiter von einer orthodoxen Geldpolitik verabschieden. Kavcioglu tastet bereits seit fünf Monaten in Folge trotz steigender Inflation die Leitzinsen nicht an.

Entsprechend fiel auch die Reaktion der Kapitalmärkte aus. Die türkische Lira sackte kurz nach Kavcioglus Aussagen um bis zu 1,6 Prozent ab, auf 8,46 Lira pro Dollar und über zehn Lira pro Euro. Die Währung ist seit Kavcioglus Ernennung im März bereits um mehr als 14 Prozent gefallen.

Der Schritt ziele darauf ab, den „sehr engen Spielraum zur Senkung der Zinssätze zu erweitern“, sagte Piotr Matys, ein leitender Währungsanalyst bei Intouch Capital Markets, der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Im Wesentlichen sendet der Markt mit dem unmittelbaren Verlust der Lira ein sehr starkes Signal, dass Kavcioglu einen kostspieligen politischen Fehler begehen könnte“, sagte Matys.

Inflation und steigende Preise setzen Präsident Erdogan unter Druck

Der Leitzins liegt derzeit bei 19 Prozent. Die Differenz, der sogenannte Realzins, ist bei einer Inflationsrate von 19,25 Prozent somit leicht negativ. Der türkische Währungsraum ist dadurch für internationale Anleger weit weniger attraktiv.

Das setzt Präsident Recep Tayyip Erdogan unter Druck, der über neue Jobs und eine gute Konjunktur die nächsten Wahlen in knapp zwei Jahren gewinnen will. Erdogan riskiert Frust bei seinen Stammwählern angesichts weiter steigender Preise. Wenn die Rechnung nicht aufgeht, wäre seine Wiederwahl gefährdet.

Der Präsident spricht sich deshalb öffentlich regelmäßig für niedrige Zinsen aus. Eine Senkung in der gegenwärtigen Situation würde der ökonomischen Theorie völlig widersprechen – und auch die Unabhängigkeit der Zentralbank weiter gefährden. Kaum jemand zweifelt daran, dass Erdogan seinem Notenbankchef diktiert, was er zu tun hat. Es bleibt die Frage nach dem Motiv.

Niedrigere Leitzinsen beleben in der Regel die Konjunktur, weil die Zinsen für Kredite sinken, etwa für Autos, Elektrogeräte oder Immobilien, aber auch für Investitionen von Unternehmen. Die Kehrseite: Wenn dadurch die Nachfrage steigt, steigen auch die Preise.

Genau das ist in der Türkei passiert. Im Zuge der Pandemie sanken die durchschnittlichen Zinssätze auf knapp über sieben Prozent. Die Folge war ein Boom bei Neuwagen, Gebrauchtwagen sowie Küchengeräten und Immobilien. Auch die Preise für Lebensmittel sind seitdem stark angestiegen. Ergänzend dazu treiben anhaltende Lieferengpässe die Preise.

Ein weiterer Punkt ist die Beschäftigung. Niedrige Leitzinsen sorgen – dem aufgeführten Mechanismus folgend – für neue Jobs. Im Sommer war die Arbeitslosigkeit um drei Prozentpunkte gesunken. Dies allerdings trotz stabiler Zinsen auf hohem Niveau. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Zinssenkung diesen Trend überhaupt noch verstärken kann – und ob dies alles in allem nötig ist.

Mehr: Milliarden-Kanal neben dem Bosporus: Erdogans Pläne stacheln die Weltmächte auf

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