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Doppelbesteuerung Steuerbescheide für Rentner jetzt nur noch vorläufig

Rentner können sich aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks auch noch später gegen eine Doppelbesteuerung wehren, wenn das Verfassungsgericht entschieden hat.
02.09.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Die Rentengenerationen ab 2005 müssen einen wachsenden Teil ihrer Rentenbezüge versteuern. Quelle: imago images/Westend61
Rentner im Garten

Die Rentengenerationen ab 2005 müssen einen wachsenden Teil ihrer Rentenbezüge versteuern.

(Foto: imago images/Westend61)

Frankfurt Künftigen Rentnergenerationen droht bei der jetzigen Rechtspraxis eine Doppelbesteuerung. Davor warnte der Bundesfinanzhof in zwei aufsehenerregenden Urteilen Ende Mai. Der noch amtierende Finanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte daraufhin umfassende Reformen an, die Details wird erst die neue Bundesregierung nach der Wahl am 26. September ausarbeiten.

Die Senioren, die vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geklagt hatten, waren Rentnerjahrgang 2007 und 2009. Sie sahen bei sich eine Doppelbesteuerung, scheiterten allerdings mit ihren Klagen. Gleichwohl räumte das oberste Gericht ein, eine Doppelbesteuerung sei im Einzelfall auch für aktuelle Rentner durchaus denkbar, in jedem Fall zeichne sie sich für zukünftige Rentnergenerationen ab.

Die beiden Kläger-Ehepaare zogen mit Unterstützung des Bund der Steuerzahler weiter vor das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 1143/21 und 2 BvR 1140/21), weil sie die geltende Praxis der nachgelagerten Besteuerung für verfassungswidrig halten. Bis das oberste Verfassungsgericht entscheidet, könnten Jahre vergehen.

Viele Senioren sind seither unsicher, ob auch in ihrem Fall eine Doppelbesteuerung vorliegt und sie gegen ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen sollen, damit sie im Falle eines positiven Urteil des BVerfG nachträglich womöglich doppelt gezahlte Steuern zurückerhalten können.

Nun sorgt das Bundesfinanzministerium für Fairness. In einem Schreiben weist es landesweit alle Finanzämter an, ab sofort neu ergehende Einkommenssteuerbescheide für alle Rentner im Hinblick auf die eventuell gegebene Doppelbesteuerung mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen. Dieser Vermerk führt dazu, dass der Steuerbescheid nicht bestandskräftig wird, sondern nachträglich geändert werden kann.

Einspruch gegen Steuerbescheid nicht mehr nötig

Diese offizielle Verwaltungsanweisung hat einen Vorteil: „Die Einlegung eines Einspruchs wird für zahlreiche Rentner, die eine mögliche Doppelbesteuerung befürchtet haben, damit entbehrlich“, erläutert Jana Bauer vom Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine (BVL). Alle können sich dann im Fall eines positiven Urteils der Verfassungsrichter darauf berufen, denn ihr Steuerbescheid bleibt in diesem Punkt offen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gilt für alle Rentenzahlungen, die der nachgelagerten Besteuerung unterliegen. Dazu zählen neben Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, auch Leibrenten, Renten aus landwirtschaftlichen Alterskassen, Altersvorsorge der berufsständischen Versorgungswerke sowie Rürup-Renten. Sicherheitshalber sollten die Betroffenen den Bescheid daraufhin prüfen, ob er den Vorläufigkeitsvermerk auch enthält, empfiehlt Bauer.

Normalerweise bleibt ein Bescheid nur offen, wenn die Steuerpflichtigen aktiv Einspruch eingelegt haben. Typisch sind Fälle, wo das Finanzamt bestimmte Ausgaben nicht anerkannt hat oder eben bei laufenden Gerichtsverfahren. Für den Einspruch ist jedoch nur ein Monat Zeit. Danach wird der Bescheid automatisch bestandskräftig und kann nur noch geändert werden, wenn neue Tatsachen über die jeweils Steuerpflichtigen bekannt werden. Gerichtsurteile gehören nicht dazu.

Trotz des Vorläufigkeitsvermerks müssen Rentner selbst aktiv werden, wenn das BVerfG-Urteil ergangen ist, und eine Doppelbesteuerung nachweisen, denn im Vermerk heißt es: „Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung (…) zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen.“ Bauer erklärt: „Konkret bedeutet das für die betroffenen Rentner, dass Finanzämter die Steuerbescheide nicht automatisch überprüfen werden, sondern erst nach Vorlage der erforderlichen Dokumente, die es folglich aufzubewahren gilt.“

Welche Unterlagen notwendig sind, steht nicht im Vorläufigkeitsvermerk. Laut Bauer benötigen Rentner in jedem Fall die jährlichen Rentenbezugsmitteilungen sowie alle Steuerbescheide, aus denen sich die eingezahlten Beiträge in die Rentenkasse ergeben. Das sind Unterlagen aus mehreren Jahrzehnten. Die Hürden sind also enorm hoch.

Kritik an nachgelagerter Besteuerungspraxis

Das Problem einer eventuellen Doppelbesteuerung tritt deshalb auf, weil es einen Wechsel der Besteuerungsmethode gab. Die nachgelagerte Besteuerung für Renten wurde in Deutschland im Jahr 2005 eingeführt. Die selbst gezahlten Rentenbeiträge dürfen seither während des Erwerbslebens vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Anschließend muss die tatsächliche Rentenauszahlung dann im Alter versteuert werden. Da bis dato die vorgelagerte Besteuerung galt, entschied man sich für einen schrittweisen Übergang.

Jahr für Jahr steigt der zu versteuernde Anteil der Rente bei den Neurentnern - von 50 Prozent im Jahr 2005, bis 2040 die komplette Rente zu versteuern ist. Im Gegenzug steigen die Freibeträge bei den Rentenversicherungsbeiträgen jährlich an, von 60 Prozent im Jahr 2005 auf 100 Prozent im Jahr 2025.

Eine doppelte Besteuerung kann eintreten, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse (kurz: steuerfreier Rentenbezug) mindestens kleiner ist als die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Hierbei müssen allerdings bestimmte Freibeträge mit einbezogen werden, stellte der BFH im Mai klar. So darf entgegen der Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums der Steuerfreibetrag bei der Berechnung des steuerfreien Rentenanteils nicht mehr berücksichtigt werden. Auch die Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge müssen abgezogen werden. Einzubeziehen sind aber die jährlichen Rentenfreibeträge eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente.

Von einer Doppelbesteuerung betroffen sind jetzt schon tendenziell eher Männer, da sie rein statistisch gesehen eine niedrigere Lebenserwartung haben als Frauen und folglich kürzer Rente beziehen. Auch Selbstständige, die über mehrere Jahre freiwillig Beiträge oberhalb des jeweiligen Höchstsatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung in ihr Versorgungswerk einbezahlt haben, sollten nachrechnen. Ebenso könnte sich der Prüfaufwand für Ledige lohnen, die keine Hinterbliebenen versorgen.

Mehr: Höhere Renten, höhere Steuern: Wen der Fiskus im Alter zur Kasse bittet - unser Steuererklärungsratgeber für Rentner.

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