Rückversicherer Wie Munich Re den Jahresgewinn auf drei Milliarden Euro steigern will

Der weltgrößte Rückversicherer konnte die Erwartungen der Analysten übertreffen.
Frankfurt Es war eine Warnung in eigener Sache: „Es gibt neue Risiken wie Cyberkriminalität, Algorithmus-Versicherungen oder das Internet der Dinge“, betonte Munich-Re-Chef Joachim Wenning vor wenigen Wochen. Zudem habe das vierte Quartal „schadenhaltig“ begonnen, warnte der Vorstandschef des Dax-30-Konzerns. Der Konzernchef versuchte so, die Investoren von allzu kühnen Erwartungen an das gerade abgelaufene Geschäftsjahr des weltweit zweitgrößten Rückversicherers abzubringen. Doch in Gedanken ist der 55-Jährige Topmanager bereits weiter als bei den Zahlen für die Ende Februar anstehende Bilanzpressekonferenz.
Der Konzern aus der Königinstraße in München hat mit der Ausarbeitung eines neuen Langfristplans begonnen, der die Entwicklung des bald 140 Jahre alten Traditionskonzerns in den kommenden Jahren vorzeichnet – und dafür auch neue Ansprüche formuliert.
Bereits im Herbst wollen die Münchener das neue Konzept vorstellen. Noch sind viele Details ungeklärt. Ein wichtiger Punkt ist allerdings bereits jetzt in den Augen des Topmanagements gewiss. Im Rahmen der neuen Planung will der Dax-30-Konzern seinen Jahresgewinn wieder über die Schwelle von drei Milliarden Euro katapultieren. Das machten Führungskräfte nach Informationen des Handelsblatts intern bereits klar.
Demnach soll Vorstandschef Joachim Wenning eine Verbesserung des Ergebnisses um rund 300 Millionen Euro bereits in absehbarer Zukunft für möglich halten, wie mehrere mit der Situation vertraute Personen berichteten. Ein Sprecher der Munich Re wollte die Informationen nicht kommentieren.
Für die Munich Re wäre ein Sprung über die Gewinnschwelle von drei Milliarden Euro ein wichtiger Schritt. Denn neue Konkurrenten sowie ein schwieriges Marktumfeld hatten das Ergebnis des Konzerns lange kontinuierlich sinken lassen. Erst 2018 hatte der Münchener Konzern angekündigt, die jahrelange Ergebniserosion im Konzern stoppen zu wollen und einen Plan vorgelegt, wonach das Jahresergebnis bis 2020 wieder auf 2,8 Milliarden Euro steigen soll. Für das gerade abgelaufene Jahr hob der Konzern zuletzt die Prognose auf über 2,5 Milliarden Euro an.
Der neue Langfristplan des Rückversicherers soll nun sogar über einen Zeitraum von fünf Jahren reichen und damit deutlich länger laufen als das erste Konzept, heißt es im Unternehmen. In diesem Frühjahr werden die Arbeitsgruppen anfangen, dafür eine erste Grobplanung zu entwickeln, die bis zum Herbst dann ausgearbeitet werden soll.
Vorgestellt werden soll der neue Plan voraussichtlich rund vier Wochen vor dem nächsten Investor-Day des Konzerns im Herbst. Wenning ist entschlossen, den Investoren neues Futter zu liefern, um die Anleger bei Laune zu halten. Stärker als sein Vorgänger Nikolaus von Bomhard, der inzwischen dem Aufsichtsrat vorsitzt, ziehe Wenning die Ansprüche des Kapitalmarkts ins Kalkül, erzählen Insider.
Mehr Wachstum aus Innovationen
So sieht der Vorstandschef noch weiteres Potenzial beim zweitgrößten Rückversicherer der Welt hinter dem Schweizer Konkurrenten Swiss Re. Eine Hälfte des künftigen Gewinnwachstums soll dabei aus dem klassischen Geschäft kommen, die andere durch Innovationen und neue Geschäftsfelder generiert werden, heißt es. „Die Drei vor dem Komma beim Gewinn muss stehen“, sagte ein Mitglied des Führungskreises, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Finanzchef Christoph Jurecka hatte bereits im vergangenen Herbst angedeutet, dass der Konzern sich für die kommenden Jahre mehr vorgenommen hat. „Wenn es das Marktumfeld erlaubt, sollte langfristig ein Jahresgewinn von 2,8 Milliarden Euro sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange sein“, sagte er dem Handelsblatt. Noch befinden sich die Überlegungen für den neuen Langfristplan allerdings in einem frühen Stadium.
Fest integriert in die neuen Planungen werde auch die Erstversicherungstochter Ergo, heißt es. Das Erreichen des aktuellen Restrukturierungsplans der Düsseldorfer, der noch bis 2021 läuft, gilt als so gut wie ausgemacht. Ergo-Boss Markus Riess ist demnach zuversichtlich, dass das Unternehmen die versprochenen 600 Millionen Euro Ergebnisbeitrag bis dahin auch tatsächlich liefern wird. Die Neuausrichtung soll danach jedoch weitergehen. So sieht Ergo-Chef Riess perspektivisch das größte Wachstum für den Erstversicherer vor allem außerhalb Deutschlands.
Offen wird bei Munich Re in diesem Zusammenhang auch über Akquisitionen nachgedacht. Bei Ergo seien auch „Akquisitionen vorstellbar“, deutete Konzernchef Wenning bereits im vergangenen Jahr an. Zugleich soll die Tochter noch stärker in den Konzern integriert werden. So will Wenning die Erst- und die Rückversicherung stärker verzahnen. Das soll Kosten senken und Doppelarbeit vermeiden helfen.
Sollte Wenning den neuen Langfristplan so umsetzen können, wie er sich das vorstellt, dann wäre ihm operativ eine Kurswende gelungen. Schließlich war der Topmanager vor drei Jahren als Nachfolger von Nikolaus von Bomhard angetreten, um mit einer vorsichtigen Expansion des Geschäfts die Erosion der Gewinne zu stoppen.
Bis 2015 hatte der Rückversicherer regelmäßig Nettoergebnisse von drei Milliarden Euro und mehr abgeliefert. Doch danach bröckelten die Profite lange, schuld daran waren vor allem die chronisch niedrigen Zinsen und die sinkenden Preise im Rückversicherungsgeschäft. 2017 ließ eine Serie von Naturkatastrophen das Ergebnis der Münchener sogar auf 392 Millionen Euro einbrechen - den niedrigsten Stand seit 14 Jahren.
Unter Wenning gewinnt der Koloss aus München nun jedoch operativ wieder an Fahrt – wofür der Vorstandschef auch neue Köpfe ins Haus geholt hat. So soll der Brite Nicholas Gartside als neuer Chief Investment Officer seit März vergangenen Jahres das Riesenportfolio des konzerneigenen Vermögensmanagers Meag auf Rendite trimmen.
Gartside gilt als Spezialist für festverzinsliche Wertpapiere. Gerade in diesen Bereich investiert die Munich Re traditionell das meiste Geld. 213 Milliarden Euro vom Gesamtportfolio von insgesamt 255 Milliarden Euro sind in diesem Bereich angelegt. Doch die Kapitalrendite des riesigen Portfolios lag 2018 nur bei 2,8 Prozent.
Trotz der operativ guten Entwicklung in vielen Feldern ist die Stimmung im Münchener Konzern allerdings im erweiterten Führungsgremium nicht überall blendend. Einige Manager in der zweiten Reihe nehmen es Wenning übel, dass er bei Berufungen in jüngster Zeit vor allem auf externe Kandidaten gesetzt hatte, ist zu hören.
So rückten neben Gartside mit Finanzchef Christoph Jurecka und dem neuen Vorstand Achim Kassow zuletzt mehrere Manager von außen auf wichtige Posten im Konzern. Das habe zu Grummeln bei einigen angestammten Führungskräften geführt, da die neuen Topmanager an der internen Hierarchie im Hause vorbei berufen wurden, heißt es.
Murren in der zweiten Reihe
Als Konsequenz würden inzwischen auch Führungskräfte aus der zweiten Reihe häufiger über Wechsel nachdenken - was früher eine große Ausnahme gewesen sei, behaupten Insider. So wechselte die 48-Jährige Munich-Re-Finanzfrau Isabella Pfaller Anfang des Jahres zur Versicherungskammer Bayern und auch der Leiter der Konzernentwicklung Thomas Bischof verließ 2017 für einen Führungsposten bei der Württembergischen Versicherung den Dax-30-Konzern.
Auch der angekündigte Abgang von Munich-Re-Vorstand Herrmann Pohlchrist, der Ende April 2020 auf eigenen Wunsch ausscheidet, wird intern von einigen als Reaktion darauf gesehen, dass er bei der Besetzung des Finanzressorts leer ausgegangen sei.
Wenning nehme auf solche Empfindlichkeiten im Haus wenig Rücksicht und stehe auf dem Standpunkt, dass es entscheidend sei, die besten Köpfe für das Führungsgremium zu finden, heißt es in Finanzkreisen. Die Anteilseigner dürften in dieser Frage indes uneingeschränkt hinter dem Vorstandschef stehen. Denn seit Wenning das Unternehmen führt, hat sich der Aktienkurs sehr positiv entwickelt.
Mit Kursen um 270 Euro notieren die Papiere derzeit auf dem höchsten Stand seit 2002 – was auch den üppigen Dividendenzahlungen des Konzerns zu verdanken ist. So schüttete Munich Re im abgelaufenen Jahr rund 9,25 Euro pro Aktie aus – und viele Branchenkenner schätzen, dass diese Zahl im laufenden Jahr erstmals auf einen zweistelligen Betrag steigen könnte.
Finanzchef Jurecka macht jedenfalls keinen Hehl daraus, dass für das Unternehmen die Ausschüttung hohe Bedeutung hat. Seit 1970 wurde die Gewinnbeteiligung für die Aktionäre nicht mehr gekürzt, sondern fast immer erhöht. Schon im Herbst deutete Jurecka an, dass es auch unter seiner Ägide so bleiben wird: Sollte der Konzern seine Gewinnziele erreichen, „ist eine höhere Dividende natürlich im Bereich des Möglichen“, erklärte er. Die Investoren dürften das mit Interesse gehört haben.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.