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Fosanis Per App die Krebsdiagnose verarbeiten

In der App „Mika“ können Krebspatienten ihren Krankheitsverlauf dokumentieren oder sich über Rechtsfragen informieren.
17.03.2021 - 18:47 Uhr Kommentieren
Das Gründerteam von Fosanis Quelle: Viktor Strasse
Gandolf Finke und Jan Simon Raue

Das Gründerteam von Fosanis

(Foto: Viktor Strasse)

Düsseldorf Krebs macht Angst. Ein Drittel aller Betroffenen wird durch die Diagnose traumatisiert, zeigt eine Studie der National University of Malaysia. Den Gründern Gandolf Finke und Jan Simon Raue ist bewusst, dass sie dieses Problem nicht lösen können. Mit ihrer App Mika wollen sie Betroffene aber dabei unterstützen, die Krise zu bewältigen.

Ihr Start-up heißt Fosanis, wurde 2017 gegründet und beschäftigt heute 23 Mitarbeiter. Das Unternehmen, dessen App monatlich mehrere Tausend Nutzer zählt, hat jetzt ein siebenstelliges Investment eingesammelt. Unter den Investoren sind der europäische Risikokapitalgeber Ananda Impact Ventures aus München und die IBB Beteiligungsgesellschaft.

Die Idee, Mika zu entwickeln, sei aus der Betroffenheit von Bekannten heraus entstanden, berichten die Gründer. Finke und Raue beobachten, wie Krebspatienten den Verdienst ihres Lebensunterhalts neu planen müssen. Während einer Chemotherapie müssen Patienten ihre Arbeit niederlegen. „Selbst, wenn Menschen medizinisch gut versorgt werden, fühlen sie sich psychologisch alleingelassen. Viele Fragen wie zum Beispiel finanzielle Sorgen können von den Ärzten nicht aufgefangen werden“, sagt Finke.

Bislang ist die App für Nutzer kostenlos, durchläuft aber gerade den Zulassungsprozess des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, um von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet zu werden. „Wir schätzen, dass Mika in wenigen Wochen als App auf Rezept verfügbar ist“, sagt Gründer Finke. Um sein Angebot zu verbreiten, setzt das Start-up auf Kooperationen mit betroffenen Influencern und Partnerschaften mit der Uniklinik Leipzig sowie dem Klinikum Herford.

Die Technologie hinter der App ist eine Künstliche Intelligenz (KI), die wie ein Entscheidungsbaum funktioniert und auf alle Krebsarten angewendet werden kann. Patienten werden nach ihrer Krebsart gefragt, woraufhin die KI den dafür festgelegten Pfad öffnet. Danach werden Patienten mit Informationen zu Diagnose- und Behandlungsoptionen unterstützt. Rechtsfragen werden beantwortet, zum Beispiel um einen Schwerbehindertenausweis beantragen zu können oder um festzulegen, wie Betroffene ihre Rente absichern.

Die Informationen in den Artikeln, Audios und Videos werden gemeinsam mit einem Psychotherapeuten sowie mit Ärzten und Ernährungswissenschaftlern, die für das junge Unternehmen arbeiten, entwickelt. Alle Informationen werden von Onkologen kontrolliert, bevor sie in der App online gehen. „Für uns ist wichtig, dass die Inhalte validiert sind. Sie sollen aber auch in einer leicht verständlichen Sprache formuliert sein“, ergänzt Finke.

Durch eine Art Tagebuch können Nutzer ihren Krankheitsverlauf beobachten. Dafür tragen sie ein, wie sie sich fühlen, wie sie geschlafen haben oder ob sie an Fieber leiden. Im Falle solcher Beschwerden wird Patienten empfohlen, ihren Arzt aufzusuchen.

Zudem bietet die App sogenannte Themenreisen an: Auf einer virtuellen Bergwanderung erlernen Nutzer Methoden aus der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu gehören Atem- und Entspannungsübungen oder das Journaling. Dabei sollen Gefühle und Gedanken konkret in ein Freitextfeld eingetragen werden.

Wirkungen der App durch Studien belegen

Mit dem frischen Kapital wollen die Berliner neue Themenreisen, zum Beispiel für Frauen, die an Eierstockkrebs erkrankt sind, entwickeln und eine bereits gestartete Studie mit der Universität Leipzig finanzieren. „Mit über 500 Krebspatienten wollen wir belegen, dass Mika einen positiven Effekt in der Versorgung erreicht“, sagt Finke. Getestet wird also, ob Mika etwa die psychische Belastung oder den Grad der Erschöpfung von Krebspatienten senken kann. Bislang wurden rund 400 Teilnehmer rekrutiert. Mit Ergebnissen rechnet das Start-up im Herbst.

Volker Tschuschke ist Psychoonkologe an der Universität zu Köln und bezweifelt, dass das Start-up Nutzer tatsächlich erreicht: „Nicht wenige Betroffene verdrängen das Thema oft und suchen sich deswegen keine Hilfe, weder bei einem Psychoonkologen noch durch eine App.“

Einen Nutzen für Patienten sieht Tschuschke in einem digitalen Angebot trotzdem, denn nicht nur in der üblichen Psychotherapie gibt es eine Unterversorgung. Dabei warten Patienten im Schnitt ein halbes Jahr auf ihre Behandlung. „Im Bereich der Psychoonkologie ist die Versorgungslücke sogar noch größer“, sagt Tschuschke.

Durch eine Fortbildung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) können Psychotherapeuten sich als Psychoonkologen zertifizieren lassen. „Lebensbedrohlich erkrankte Menschen sind oft von Todesängsten und existenziellen Fragen betroffen, ganz anders als Menschen, die psychische Probleme mit ihrer Lebensführung im privaten, beruflichen oder Beziehungsbereich haben“, berichtet Tschuschke. Ob eine App Krebspatienten erleichtern kann, diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten, werden letztlich Studien belegen müssen.

Mehr: Semalytix: KI-Plattform wertet Patientenkommentare aus.

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