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Giga Gipfel 2021 So stellen sich Unternehmer die Tech-Agenda der Zukunft vor

Wie können Algorithmen und Künstliche Intelligenz helfen, die großen Krisen der Gegenwart zu entschärfen? Das sind die Kernbotschaften des Giga-Gipfels.
29.10.2021 - 18:12 Uhr Kommentieren
Auf 3048 Meter Höhe haben Vordenker aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine Tech-Agenda für die Zukunft entworfen.(Foto: Robert Sokol)
Konferenzteilnehmer auf dem Gaislachkogel in Sölden

Auf 3048 Meter Höhe haben Vordenker aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine Tech-Agenda für die Zukunft entworfen.
(Foto: Robert Sokol)

Sölden Während in Berlin die Ampelunterhändler über eine mögliche Koalition verhandeln, trafen sich in der atemberaubenden Bergkulisse Söldens auf 3048 Meter Höhe Topmanager, Unternehmerinnen, Wissenschaftler und Visionärinnen, um über die digitale Zukunft Deutschlands und Europas zu diskutieren.

Die Pandemie hat gezeigt, dass digitale Technologien längst sämtliche Lebensbereiche erfasst haben: Sie revolutionieren das Gesundheitswesen, das Bildungssystem, die Forschung, sie helfen Unternehmen, Ressourcen sparsamer einzusetzen – und verändern das Zusammenleben in den Städten.

Doch wie sieht die Tech-Agenda für die nächsten Monate aus? Was muss passieren, damit Europa im Technologiewettstreit zwischen China und den USA nicht zerrieben wird? Und wie entstehen Technologien, die den Menschen wirklich dienen – und nicht umgekehrt?

Das waren die Kernfragen, mit denen rund 40 Visionäre nach Sölden gereist sind, darunter Audi-Vorständin Hildegard Wortmann, Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter, Westenergie-Chefin Katherina Reiche, Techem-CEO Matthias Hartmann, die Vizepräsidentin für Digitales und IT bei Mercedes-Benz Cars, Sabine Scheunert, sowie die Co-Gründerin von Bosch Climate Solutions, Donya Amer.

Sie alle sind der Einladung von Handelsblatt, „Wirtschaftswoche“, „Tagesspiegel“, „ada“ und Vodafone gefolgt, um über die wichtigsten digitalen Zukunftsfragen zu diskutieren.

Zu den vielen Highlights der Veranstaltung gehörte das Live-Interview von „ada“-Gründerin Miriam Meckel mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und Friedensnobelpreisträger Al Gore über die weltweite Klimapolitik. Tags darauf sprach Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes unter anderem mit dem Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari über die Frage, wie die Coronapandemie die Welt verändert hat.

Das waren die wichtigsten Thesen des Gipfels:

1. Algorithmen revolutionieren das Gesundheitswesen, doch es braucht Standards.

Digitale Technologien sind dabei, das Gesundheitswesen grundlegend zu verändern. Ohne die digitale Zusammenarbeit der Labore weltweit wäre es nicht möglich gewesen, in kürzester Zeit einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln. Videosprechstunden haben es ermöglicht, Menschen ohne das Risiko einer Infektion medizinisch zu versorgen. Und Datenanalysen mittels Künstlicher Intelligenz können Wissenschaftlern dabei helfen, Krankheiten schneller zu erkennen und die passenden Diagnosen zu entwickeln.

Doch mit den vielen neuen technologischen Ansätzen wird das Feld immer unübersichtlicher. „Wir brauchen globale und nationale Normen für den Einsatz von Technologien“, sagt Soumya Swaminathan, leitende Wissenschaftlerin der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sowohl die Regierungen der Länder als auch Pharmafirmen müssten internationale Standards vorgeben, etwa im Hinblick auf den Einsatz digitaler Impfzertifikate und zur Behandlung von Krebs. Derzeit erarbeitet die WHO diese Richtlinien.

2. Weltweite Netzwerke helfen, Krisen zu bewältigen

Die Diskussionsteilnehmer beim „Giga Gipfel“ waren sich schnell einig: Je enger die Welt vernetzt ist und je enger Staaten und Wissenschaftler kooperieren, desto einfacher lassen sich in Zukunft Krisen bewältigen.

Der Berliner Unternehmer Ijad Madisch etwa hat mit Researchgate eine Art Facebook für Forscher entwickelt. Auf seiner Plattform tauschten sich in der Pandemie Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Erkenntnisse zu Covid-19 aus. Er will das Netzwerk noch effizienter machen und den Forschern mit Künstlicher Intelligenz helfen, aus vorhandenen Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Informationen seien reichlich vorhanden, doch um die richtigen Schlüsse zu ziehen, „brauchen wir ein System, in dem Mensch und Maschine gemeinsam Forschung betreiben“, sagt er. Er fordert von der Politik, Wissenschaftler stärker in den Fokus zu rücken und die internationale Zusammenarbeit zu stärken.

Für den Einsatz neuer Technologien im Gesundheitswesen sind internationale Standards gefragt, sagt WHO-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan. (Foto: Robert Sokol)
Debatte über globale Prävention

Für den Einsatz neuer Technologien im Gesundheitswesen sind internationale Standards gefragt, sagt WHO-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan.
(Foto: Robert Sokol)


3. Die wichtigste Fähigkeit der Zukunft: Resilienz.

Früher einmal verliefen Karrieren geradlinig. Wer einen guten Job hatte, der blieb. Doch die Zeiten sind längst vorbei. Viel spricht sogar dafür, dass sich Menschen in Zeiten zunehmender Automatisierung in ihrem Berufsleben mehrfach neu erfinden müssen. Die wichtigste Fähigkeit in Zukunft sei daher Flexibilität, sagte der Historiker Harari.

Ähnlich argumentiert auch Sebastian Dettmers, der Chef der Karriereplattform Stepstone. Er hält Resilienz für einen Schlüssel zum Erfolg. „Weil Karrieren viele Brüche haben, müssen Bewerber in der Lage sein, sich neu zu erfinden“, sagte er. Vodafone-Deutschlandchef Ametsreiter warnte: Statt in Bewerbungsverfahren auf Mathenoten zu schauen, sollten Führungskräfte eher auf Fähigkeiten wie Kreativität, den Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Programmieren achten. „So, wie Kinder eine Fremdsprache lernen, müssen sie auch coden können“, findet Ametsreiter.

4. Um die großen Umbrüche bewältigen zu können, muss sich das Bildungssystem drastisch wandeln.

Die Coronapandemie hat schonungslos die Lücken des deutschen Bildungssystems offengelegt. Ausfallender Unterricht, mangelnde Digitalkompetenz der Lehrer oder unzureichende technische Ausstattung in Schulen führten dazu, dass Kinder teilweise über Wochen hinweg auf sich allein gestellt waren.

Um Bildungsdefizite auszugleichen und Menschen auch nach vielen Berufsjahren Chancen zur Weiterentwicklung zu bieten, seien Initiativen zum lebenslangen Lernen, auch nach Abschluss der Schulausbildung, besonders wichtig, erklärt Ametsreiter.

Er erprobe Konzepte, wie er bei den Mitarbeitern „Neugierde, den Hunger auf Mehr und den Willen, etwas beizutragen“, wecken könne, sagt er. Ein praktisches Mittel dabei seien Weiterbildungskurse, auch über den eigenen Fachbereich hinaus – etwa zum Thema Künstliche Intelligenz oder Meditation.

Um den absehbaren Fachkräftemangel zu lindern, ist auch die direkte Förderung von Spezialisten aus dem Ausland ein zentrales Thema, erklärt Stepstone-CEO Dettmers. „Das größte Potenzial ist die Bildungsintegration von Migranten“, sagt er. Wenn Deutschland diese Chance nicht nutze, beraube sich das Land eines massiven Wettbewerbsvorteils.

Deepa Gautam-Nigge, Senior Director Corporate Development M&A beim Softwareentwickler SAP, ergänzt: „Wissen ist überall, wir müssen nur lernen, das Wissen zu nutzen.“ Die gebürtige Nepalesin fordert, Einwanderer auch bei Unternehmensgründungen zu unterstützen. International zeige sich, dass erfolgreiche junge Unternehmen besonders oft von Migrantinnen und Migranten aufgebaut würden.

5. Ein Kernelement für einen digitalen Alltag ist eine digitale ID.

Die Menschen regeln ihre Bankgeschäfte digital, kaufen über das Internet ein und vergleichen dort Versicherungen. Wenn sie es aber mit Behörden zu tun haben, brauchen sie Stift, Zettel und ihren Personalausweis. „Das ist ein Irrweg“, findet Techem-CEO Matthias Hartmann. Er fordert eine digitale ID für alle Bewohner einer Stadt. Statt für den Reisepassantrag ins Bürgeramt zu gehen und seitenlange Formulare auszufüllen, könnten Bürger ihre ID auf einer Website eintragen und würden sofort identifiziert.

Die ID kennt darüber hinaus die Bildungshistorie und verhindert gefälschte Lebensläufe im Bewerbungsprozess, erklärt er. Auch Gegenstände können eine eigene ID haben, so Hartmann. Die ID eines Autos etwa kenne Unfälle und Schäden aus der Vergangenheit und schütze den Gebrauchtwagenkäufer vor Betrug.

6. Die Basis für digitale und nachhaltige Städte ist eine Datenplattform.

Städte stehen vor enormen Problemen: Sie verschwenden Energie, ersticken im Verkehr – und langsam wird vielerorts der Platz knapp. Seit Jahren schon hoffen Stadtplaner auf digitale Technologien, um diese Probleme zu lindern und Städte lebenswerter zu machen: Vernetzte Straßenlaternen sparen Strom, intelligente Ampeln verhindern Stau, und digitalisierte Mülleimer halten die Stadt sauber.

Ein zentrales Element dieser Smart City ist laut Westenergie-Chefin Reiche das intelligente Stromnetz. Nur so lasse sich das schwankende Stromangebot von Windrädern und Photovoltaikanlagen mit dem Verbrauch ausgleichen. E-Auto-Ladestationen etwa würden langsamer laden, wenn die Autos gerade nicht gebraucht würden. Das entlaste das Netz, sagt Reiche.

Die Basis für all das aber ist, die digitalen Angebote der Stadt in einer Datenplattform miteinander zu vernetzen. „Davon sind wir weit entfernt“, sagt Techem-Chef Hartmann. „Die Vernetzung der Stadt muss in den nächsten Jahren absolute Priorität haben“, erklärt er.

Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes diskutiert mit Industrievertretern über die Stadt der Zukunft. (Foto: Robert Sokol)
Unternehmenschefs im Gespräch

Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes diskutiert mit Industrievertretern über die Stadt der Zukunft.
(Foto: Robert Sokol)


7. Europa hat noch eine Chance.

Die Basis für die großen Geschäftsmodelle von morgen sind Daten. Und bislang dominieren große Digitalkonzerne aus China und den USA den Markt, warnte Historiker Harari auf dem „Giga Gipfel“. Während die Daten bei den digitalen Supermächten USA und China zusammenfließen, werde Europa und der Rest der Welt mehr und mehr zu einer Art Datenkolonie.

Doch es sei noch nicht zu spät: Europa könne immer noch zum dritten Machtzentrum in der neuen Datenökonomie werden – bislang sei davon allerdings wenig zu sehen. Dabei geht es um nicht weniger als eine neue industrielle Revolution: Wer am Ende die Macht über Künstliche Intelligenz habe, „kontrolliert die Welt“, sagt Harari.

„Es ist noch nicht zu spät, gegen den Klimawandel aktiv zu werden”, sagt der Historiker und Philosoph kurz vor Beginn des Klimagipfels in Glasgow. (Foto: Robert Sokol)
Interview mit Yuval Noah Harari

„Es ist noch nicht zu spät, gegen den Klimawandel aktiv zu werden”, sagt der Historiker und Philosoph kurz vor Beginn des Klimagipfels in Glasgow.
(Foto: Robert Sokol)


8. Um Emissionen zu kompensieren, sind neue Technologien gefragt.

Der Ökonom Ottmar Edenhofer ist überzeugt, dass sich der CO2-Ausstoß nur mit negativen Emissionen reduzieren lasse. Dazu fordert er einen Anstieg des CO2-Preises auf bis zu 180 Euro pro Tonne. Für einkommensschwache Haushalte schlägt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung einen sozialen Ausgleich vor. Außerdem sollen neue Techniken dabei helfen, synthetische Kraftstoffe treibhausgasneutral zu produzieren.

Die Politik müsse „glaubwürdige Selbstbindungen eingehen“. Dann würden Investoren neue Technologien finanzieren. „Investoren halten sich zurück, weil sie nicht glauben, dass die Politik die ehrgeizigen Klimaziele durchhalten kann“, sagt er. „Wir können Emissionen aus der Industrie nicht vermeiden.“ Vielmehr brauche es neue Verfahren, um das ausgestoßene CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow fordert auch Harari staatliche Investitionen: „Es ist noch nicht zu spät, gegen den Klimawandel aktiv zu werden. Mit nur zwei Prozent des globalen BIP können wir den Klimawandel verhindern. Wir verbrennen das Geld ja nicht. Wir investieren es.“

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